Slut

-35-

„Kommt rein", bittet der CEO, nachdem wir höflich geklopft und kurz gewartet haben. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und tippt auf der Tastatur seines Computers herum. Ohne aufzuschauen deutet er auf die zwei Stühle vor dem Tisch, worauf wir uns dann auch setzen. Nach einem Augenblick hört er auf zu tippen, räuspert sich einmal und sieht uns dann endlich an. Er ist so ernst und grummelig wie immer, also kann man nicht erkennen, ob es eine ernste Sache ist, über die er reden möchte.

„Wann war der Livestream?", ist das erste, dass er fragt.

Ich muss mich in dem Moment sehr beherrschen nicht irgendwie das Gesicht zu verziehen. Er hat vorhin erst gesagt, wann der Scheiß beginnt. Wieso fragt er jetzt nach?

„In einer halben Stunde", antwortet Xavier.

„Sehr schön. Hier sind acht Steckbriefe." Er drückt Xavier die Zettel in die Hand. „Die könnt ihr im Stream ausfüllen. Und hier" Er hält Xav wieder einen Zettel hin. „sind die Dinge die wichtig sind für die Steckbriefe. Zum Beispiel eure Positionen."

Mein Freund nickt und fragt dann, ob wir noch irgendwas beachten sollen oder, ob wir nur dafür hergerufen wurden.

„Macht es am besten nicht zu langweilig. Vielleicht könnt ihr das so machen, dass ihr auslost, wessen Steckbrief ihr ausfüllt. Und natürlich seid ihr noch für etwas anderes hier." Er richtet seine Haltung und automatisch macht mein Körper dasselbe. „Ich habe unterschwellig mitbekommen, dass ihr ein Paar seid. Die Einzelheiten brauch ich gar nicht wissen. Ich hoffe nur, dass ihr wisst, dass es eigentlich verboten ist. Die Sache mit Oz und Xavier war schon eine große Ausnahme."

Bevor ich irgendwas Falsches sage, halte ich besser den Mund und nicke nur brav. Dafür könnte ich mich wirklich selbst schlagen. Dieses Verbot ist absolut bescheuert. Wieso ist es so schlimm, eine Beziehung zu haben? Es gibt sehr viele Promis, die verheiratet sind und auch Kinder haben und die arbeiten immer noch. Also kann es wohl kaum ein Argument sein, dass man dann nicht mehr ordentlich arbeiten könne. Noch mehr regt mich aber auf, dass die bei Xavier und dem ach so tollen Oscar eine Ausnahme machen konnten, aber bei mir und Xav nicht.

„Das heißt jetzt nicht, dass ihr euch absolut meiden sollt. Lasst die Fans ruhig spekulieren und ihre Edits machen, das ist gut für das Business. Aber macht es nicht zu offensichtlich. Pete und Avery zum Beispiel, deren Verhalten ist optimal. Sie verstehen sich super und doch würde man nicht denken, sie sein ein Paar."

Ja, weil sie ja auch keines sind. Die sind seit der Grundschule beste Freunde und verhalten sich auch genauso. So richtig habe ich Xavier erst vor ca. einem halben Jahr bemerkt und ich weiß nicht, ob wir je Freunde waren; da war immer mehr. Trotzdem nicke ich wieder lieb und schlucke den Unmut herunter.

„Die Regel ist ja, dass man nach drei Jahren daten darf. Sollen wir bis dahin schauspielern? Oder dürfen wir nie öffentlich daten?", fragt Xavier angespannt.

„Das schauen wir dann", bekommt er als Antwort.

Mein Freund nickt und erhebt sich dann von seinem Stuhl. Anscheinend war dies das Stichwort, dass wir gehen dürfen. Schnell beeile ich mich, Xavier hinterher zu kommen. Ich glaube, er ist nicht so gut drauf. Das merkt man dran, dass er nicht redet. Er läuft nur stumm und mit großen Schritten über den Flur zum Fahrstuhl. Inzwischen weiß ich auch, dass man dann am besten gar nichts zu ihm sagt. Er macht das lieber mit sich selbst aus, während andere, wie zum Beispiel ich, darüber meckern würden.

Unterwegs zum „wunderschönen" Livestream Raum, holen wir irgendwo her noch Stifte. In dem „wunderschönen" Raum, dürfen wir dann noch ungefähr zehn Minuten auf die anderen Warten, die nach und nach einschneien. Pünktlich starten wir dann auch den Livestream, wieder mit Xaviers Handy, und sagen dann erstmal Hallo und sowas alles. Und während die anderen mit den Fans reden, auf Kommentare und so antworten, bin ich nur erstaunt, wie viele Leute zugucken. Wir haben knapp 40 tausend Follower und hier guckt gerade mehr als die Hälfte zu. Es ist Sonntagnachmittag, da können die sich das aber auch erlauben. Nur wenige Berufsgruppen müssen jetzt arbeiten.