Kapitel 65

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Es war mittlerweile eine Woche vergangen, doch ich fühlte mich kein Stück besser. Folglich hatte ich den Raum der Wünsche auch nicht verlassen. Wozu auch. Hier hatte ich alles was ich benötigte. Vor allem Abstand. Abstand von seinen Sachen, in denen überall sein Geruch haftete. Abstand von Severus. Und somit die Möglichkeit meinen Kopf ein bisschen frei und klar zu bekommen. Was nicht hieß, dass es wirklich funktionierte. Unteranderem, weil er Tipsy mehrmals täglich zu mir schickte, mit dem Auftrag mich zu ihm zu bringen. Allerdings weigerte ich mich jedes Mal strikt. Und ich hatte sogar von ihr erfahren, dass er tatsächlich – trotz der damit verbundenen Gefahr – nach Hogwarts gekommen war, um nach mir zu suchen. Was mich schockierte, denn das war wirklich mehr als leichtsinnig von ihm, aber ich konnte nicht verhindern, dass es mir gleichzeitig ein heftiges Kribbeln im Bauch bescherte. Genauso wie die Tatsache, dass er sich den ganzen Monat über scheinbar über mein Wohlergehen erkundigt hatte. Und die Frage, ob ich vielleicht überreagiert hatte, wirbelte seitdem in meinen Gedanken umher.

Doch das änderte gar nichts. Die ganze Zeit spukte eben auch dieser Zettel in meinem Kopf herum und die Frage, wieso und vielmehr auch seit wann er ihn bei sich trug. Sie war halt seine erste Liebe, versuchte ich mir zu erklären und es schön zu reden. Vielleicht war er nur sentimental geworden, als er das gesehen hatte. Wobei ich das eigentlich kein Stück glaubte. Und immer und immer wieder kam die Frage in mir auf, was er für mich empfand. Denn offensichtlich schien er sich ja dafür zu interessieren, wie es mir ging und was ich so tat. Aber er trug ihren Zettel und ihr Bild bei sich und alles deutete darauf hin, dass er mich nur zum über sie hinwegtrösten zu sich bestellt hatte, denn sonst hätte er doch schon früher etwas von sich hören lassen.
Und das konnte nur bedeuten, dass er – wenn er überhaupt etwas für mich empfand - nicht genug empfand. Was nicht nur problematisch war, wenn man bedachte, dass ich ihm so das Leben nicht würde retten können. Der Gedanke tat einfach so verdammt weh. Und gleichzeitig fing ich an zu zweifeln. Zweifeln daran, dass er mich möglicherweise in der Zukunft – also in meiner eigentlichen Zeit - auch nicht wirklich geliebt hatte. Denn wer konnte mir das garantieren. Wie konnte ich mir da sicher sein.

Doch mir wurde ziemlich schnell klar, dass ich mich in diesem Punkt lächerlich aufführte.

Er hatte es mir schließlich gesagt, dass er mich liebt, also wieso sollte er mich anlügen. Er war definitiv nicht die Person, die leichtfertig damit um sich warf. Aber er hatte eben auch gesagt, dass er Lily immer lieben würde. Die ganze Zeit hatte ich versuchte mir selbst zu erklären, dass man mehr als eine Person lieben konnte und dass es nicht hieß, dass er mich nicht auch liebte. Oder zumindest bald lieben könnte. Nur war die Frage, wen er am Ende mehr liebte das Problem für mich. Schließlich verdiente ich es doch auch für irgendwen an erster Stelle zu stehen, oder nicht? Erst recht, wenn – und das klang vielleicht ein wenig hart - die andere Person tot und somit nicht einmal wirklich im Rennen war. Aber wieso sollte ausgerechnet ich diejenige sein, für die er mehr empfand. Ich meine, er kannte Lily sein halbes Leben, während er mich genau genommen erst seit ein paar Monate wirklich kannte. Deswegen war ich mittlerweile auch nicht mehr so wütend auf ihn, wie am Anfang. Eher verletzt.

Zu einem Schluss war ich auf jeden Fall in dieser Woche gekommen. Ich musste darüber hinwegsehen. Es verdrängen und ignorieren so gut ich eben konnte. Denn meine oberste Priorität war es, sein Leben zu retten. Denn schlussendlich liebte ich ihn. Und irgendwie musste ich es hinbekommen, dass er mich bis dahin wenigstens genug liebte, damit der Trank wirkte. Denn ich wollte natürlich, dass er weiterlebte. Also durfte ich nicht eingeschnappt sein und mich von ihm distanzieren, sondern würde um ihn kämpfen müssen.

Alles was mir jetzt blieb, war zu hoffen, dass ich irgendwann genug für ihn sein würde.

Bevor ich es mir anders überlegen konnte und wieder in dem tiefen Loch der Zweifel versinken würde, stand ich ruckartig auf und verließ den Raum der Wünsche. Und prompt knallte ich gegen etwas. Nein. Erschrocken stellte ich fest, dass es Jemand war. Bevor Panik in mir aufkeimen konnte, dass ich entdeckt worden war, erkannte ich die Person. Und ich konnte nichts gegen die Schmetterlinge machen, die sich in meinem Bauch ausbreiteten, gemischt mit einem leichten Stich, den ich sofort zu verdrängen versuchte. „Severus!", keuchte ich erstaunt. Einen Moment lang blickte auch er mich überrumpelt an. „Was tust du hier?", fragte ich schließlich vorwurfsvoll. Nervös blickte Sev den Flur auf und ab, ehe er schnell und etwas grob meinen Oberarm umfasste und mich hinter sich her schleifte. „Was...!", setzte ich an, doch wurde von einem bösen Blick seinerseits zum Schweigen gebracht.

Ein fies klingendes Lachen durchschnitt die Stille und ruckartig zog er mich in eine kleine Nische. Er presste mir seine Hand auf den Mund und hob seinen Zeigefinger vor seine Lippen und ich nickte langsam. Wir waren offensichtlich nicht allein im Schloss. Auch wenn der Zeitpunkt vollkommen unpassend war, wurde mir gerade bewusst wie nah er an mich gepresst stand. Und wie sehr ich seine Nähe vermisst hatte. Mein heftig schlagendes Herz hatte nicht allein mit der Angst davor entdeckt zu werden zu tun. Und als seine dunklen Augen auf meine Trafen, kribbelte mein ganzer Körper. Merlin wie ich ihn liebte, schoss es mir unweigerlich durch den Kopf. Plötzlich fiel es mir nicht mehr schwer zu glauben, dass ich das mit dem Brief einfach nur in den falschen Hals bekommen hatte. Ich bildete mir sogar ein, Sehnsucht in seinen Augen aufblitzen zu sehen.

„Amycus, das wird ein Spaß. So viele Schüler zum Foltern!", sagte eine Frauenstimme ziemlich nah vor unserem Versteck. Der Mann grunzte zustimmend. Eine Gänsehaut - und nicht die gute Art - breitete sich auf meinem Körper aus, als mir klar wurde, wer das war und wieso sie hier waren und ich bekam große Lust, aus meinem Versteck zu springen und den Carrows einen Fluch auf den Hals zu hetzen. Selbstverständlich tat ich nichts dergleichen. Glücklicherweise entfernten sich die Schritte bereits wieder. Und kurz darauf trat Sev vorsichtig aus dem Versteck hervor, nahm diesmal meine Hand und setzte seinen Weg mit großen Schritten fort. Jetzt beeilte auch ich mich, mit ihm Schritt zu halten.

Ohne weitere Zwischenfälle und vollkommen erleichtert, kamen wir in seinen Räumen an. Ich konnte kaum fassen, was für ein Glück ich hatte, nicht in die Todesser reingerannt zu sein. Dass ich mich ausgerechnet in dem Moment entschieden hatte zu gehen, als Severus vor der Tür vorbeiging und nicht zwei Minuten später. Und dass ich jetzt schon zum zweiten Mal einer Begegnung mit Voldemorts Anhängern knapp entkommen war.

Sev und ich sahen uns einen Augenblick lang stumm an, hielten noch immer unsere Hände, und dann machten wir beide plötzlich einen Schritt aufeinander zu. Und ehe ich mich versah, trafen unsere Lippen aufeinander. Ein leises wohliges Seufzen entwich mir und unsere Zungen begannen ein leidenschaftlichen, aber gleichzeitig auch irgendwie wütenden Kampf. Ich wühlte in seinen Haaren, während er seine Hände in meinen Hintern grub. Doch genau so plötzlich, wie dieser Kuss begonnen hatte, so endete er auch. Keuchend löste er sich von mir, lehnte seine Stirn an meine und brummte dunkel
„Lass uns reden!"

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