Kapitel 78

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Ginny war bereits in der Heulenden Hütte, als Harry und ich ankamen und wartete mit dem Trank in der Hand ungeduldig auf uns. Ich hatte mich in der Zwischenzeit aus meinem Hochzeitskleid geschält und etwas unauffälligeres angezogen, denn Harry hatte angemerkt, dass es wahrscheinlich weder besonders hilfreich sein würde mich versteckt zu halten, noch dass es sonderlich praktisch sein würde und mir vermutlich im Weg umgehen würde. Und ich konnte ihm da nur zustimmen, auch wenn ich eigentlich keine Zeit verlieren wollte, um mich so schnell wie möglich auf den Weg in die Vergangenheit zu machen. Aber ich wollte ja schließlich auch keinen Fehler machen. Dieses Mal.

Und so stand ich nun hinter einem zertrümmerten Schrank, von dem wir wussten, dass er schon immer hier gestanden hatte und von wo aus ich leider nicht alles perfekt im Blick haben würde, aber immerhin ungesehen bleiben konnte. Kurz überprüfte ich noch einmal, dass ich das kleine Fläschchen auch wirklich eingesteckt hatte, holte tief Luft und bedankte mich bei meinen Freunden. „Danke, dass ihr das für mich tut." Und schon drehte ich mit zitternden Fingern an dem kleinen Rädchen des Zeitumkehrers. Ich musste genau den richtigen Moment erwischen, denn zu früh sollte ich auf gar keinen Fall hier erscheinen, denn ich war mir noch immer sicher, dass Voldemort die Hütte vorher auf ungebetene Gäste überprüfen würde.

Ich hörte Stimmen, welche nach und nach klarer wurden und eine kurze Welle der Erleichterung durchfuhr mich, denn ich war im richtigen Moment gekommen. Doch gleich darauf breitete sich wieder diese Nervosität und blanke Panik in mir aus. Ich versuchte so flach wie möglich zu atmen und ja kein Geräusch von mir zu geben und beobachtete die Geschehnisse vor mir. Voldemort stand mit dem Rücken zu mir, doch recht viel mehr konnte ich gar nicht sehen.

Vielleicht kennst du sie bereits? Du bist schließlich ein kluger Mann, Severus. Du warst mir ein guter und treuer Diener und ich bedaure, was geschehen muss."
„Herr..."
„Der Elderstab kann mir nicht richtig dienen, Severus, weil ich nicht sein wahrer Meister bin. Der Elderstab gehört dem Zauberer, der seinen letzten Besitzer getötet hat. Du hast Albus Dumbledore getötet. Solange du lebst, Severus, kann der Elderstab nicht wahrhaft mir gehören."
„Herr!" protestierte Severus.
„Es gibt keinen anderen Weg" sagte Voldemort. Ich muss den Zauberstab bezwingen, Severus. Den Zauberstab bezwingen, und dann werde ich endlich Potter bezwingen."

Ich sah, wie Voldemort seinen Arm bewegte und sich dann plötzlich Nagini in mein Sichtfeld begab, aber gleich darauf wieder verschwand. Ich war froh, dass ich Severus von hier aus nicht wirklich sehen konnte, denn ich wollte das ganze nicht mit ansehen. Es war schon schrecklich genug, zu wissen, was da im Moment geschah und ich musste mir beide Hände auf den Mund pressen, als ich den dumpfen Aufprall seines Körpers auf dem Boden vernahm.

„Ich bedaure es" sagte Voldemort kalt.

Mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meine Rippen, so dass ich mir schon sicher war, Voldemort würde es hören, doch er verschwand aus der Hütte. Ich versuchte so gut es ging den Drang zu unterdrücken, jetzt gleich zu Severus zu rennen und ihm zu helfen. Meine eigene Stimme hielt mich davon ab. „Harry!" hauchte mein anderes Ich und ich wagte es, mich ein wenig hinter dem Schrank hervorzubewegen, damit ich einen besseren Überblick von der ganzen Situation bekam. Als ich das schrecklich rasselnde und gurgelnde Geräusch vernahm, welches aus Severus Kehle drang, hätte ich beinahe laut aufgeschluchzt und ich zog mich schnell wieder hinter den Schrank. Ich konnte das alles nicht mit anschauen. Die Tränen rannen schon eine Weile unkontrolliert meine Wangen hinunter. Ich musste ihm helfen. Ich musste ihn retten. Ich durfte jetzt nicht den Kopf verlieren. Langsam zog ich das Fläschchen mit dem Trank aus meiner Tasche, damit ich so schnell wie möglich handeln könnte.

„Sieh... mich... an" flüsterte er. Danach breitete sich eine Stille aus und ich versuchte mich zu beruhigen, während Severus gerade dabei war zu sterben. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, ehe Voldemorts schneidende Stimme ertönte. Mein anderes Ich versuchte währenddessen erfolglos die Wunden an Severus Hals zu schließen, gab aber recht schnell auf. Und dann verschwanden Harry, Ron und mein anderes Ich endlich. Sie waren kaum aus der Tür, da stürzte ich bereits auf Severus zu. Bitte, bitte sei noch am Leben! Und tatsächlich sah ich, wie sich seine Brust noch kaum merklich hob und senkte, doch er war bereits mehr tot als lebendig. Mir blieben höchstens noch ein paar Sekunden. Ich ließ mich auf die Knie fallen und schüttete ohne zu zögern den Trank in seinen Mund. Es darf nicht zu spät sein! Ich begann seine Wunden am Hals zu schließen, doch meine zitternden Hände machten das Ganze nicht gerade einfach. Das viele Blut war kein gutes Zeichen. Aber es musste funktionieren! Er musste noch am Leben sein. Ich war genau rechtzeitig hier. Früher ging es nicht. „Komm schon, Sev!", jammerte ich, als er kein Zeichen von sich gab. Ich schüttelte seinen leblosen Körper. Panik überkam mich. Vielleicht hatte der Trank nicht funktioniert. Harry ist nicht der beste Trankbrauer den es gibt. Vielleicht hatte er einen Fehler gemacht. Ich konnte nicht schon wieder versagt haben. „Bitte Severus! Ich liebe dich! Mach die Augen auf! Komm schon!" Meine Tränen fielen auf seinen Brustkorb und mischten sich mit seinem Blut. Bewegte sich der Brustkorb noch?

Gerade, als ich meine Finger ausstrecken wollte, um zu überprüfen, ob er noch Puls hatte, hörte ich ein lautes Poltern hinter mir. Verflucht. Mein zweites Ich. Hastig sprang ich auf und versteckte mich wieder. Doch dieses Mal nicht so gut wie vorher. Ich wusste, dass dieses Ich nur Augen für Sev haben würde. Und ich musste es wissen. Ich musste wissen, ob er noch lebte.

Mein verzweifelter Schrei ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Jede Hoffnung schwand, als ich meinen verzweifelten Versuch beobachtete, ihn zu retten. Ich müsste es längst bemerkt haben, wenn er noch leben würde. Und zum zweiten Mal an diesem Tag fühlte es sich an, als hätte mir jemand das Herz aus der Brust gerissen. Mein Körper wurde gleichzeitig taub und schmerzte doch überall. Ein Schluchzer kam über meine Kehle, doch mein anderes Ich bemerkte es überhaupt nicht. Doch selbst wenn, wäre es mir egal gewesen. Mir war alles egal. Ich kauerte mich auf den Boden und legte mein Gesicht auf meine Arme. Noch eine Chance hatte ich nicht. Er war tot. Für immer.

„Severus!", ein schriller Schrei ertönte. Doch ich brauchte einen Moment, bis mir auffiel, dass etwas anders war daran. Es war kein verzweifelter Schrei. Ich riss meinen Kopf nach oben. Ich hatte sein Gesicht mit meinen Händen umschlossen und verteilte stürmische Küsse in seinem Gesicht. „Du lebst! Merlin sei Dank! Du lebst!", hauchte ich immer wieder, während wilde Schluchzer gemischt mit erleichtertem Lachen meinen Körper zum Beben brachten. Ich brauchte einen Moment. Da. Seine Augen waren geöffnet. Sein Brustkorb hob sich noch immer kaum merklich, doch er lebte. Er lebte!

„Hermione!", röchelte es leise.

Severus war am Leben!

Und schon wurde mir schwarz vor Augen.

Ich war dabei zu verschwinden.

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