Ich war so in meinem Buch versunken, dass ich es zuerst gar nicht bemerkt hatte. Erst als ich die letzte Seite gelesen hatte und den dicken Wälzer mit einem tiefen seufzen schloss, fiel mir auf, dass es ziemlich spät war. Es war nicht die Tatsache, dass es bereits dunkel war, oder Sev noch nicht aufgetaucht war – denn das war ziemlich häufig der Fall – die mich stutzig werden ließ. Nein, Tipsy war nicht bei mir gewesen, um mir mein Abendessen zu bringen. Und das Essen in der Großen Halle war definitiv bereits vorbei. Komisch. Sie hatte mich noch nie vergessen und war sonst pünktlich wie ein Uhrwerk. Ich wurde ein wenig unruhig, nachdem sie auf mein Rufen hin nicht erschien, was ebenfalls mehr als untypisch für sie war. Ich fing an mir Gedanken zu machen. Was wenn ihr irgendetwas passiert war? Wenn die Carrows sie aus irgendeinem Grund in die Finger bekommen hatten und ihr einfach, weil sie Spaß daran hatten, etwas antaten? Ich musste sie finden. Aber wie? Ich kam hier nicht raus. Meine einzige Möglichkeit wäre Severus. Aber der war nun mal nicht hier. Ich könnte ihm einen Patronus schicken, aber das wäre viel zu gefährlich und auffällig.
„Tipsy", versuchte ich es erneut, mit der Hoffnung, dass sie dieses Mal auftauchen würde und ich nur mal wieder unnötig in Panik verfiel. Vielleicht war sie ja auch nur einfach eingeschlafen. Ich durfte nicht immer gleich vom Schlimmsten ausgehen. Aber ich konnte nicht anders. Tipsy war meine Freundin. Sie leistete mir so oft Gesellschaft. Ich konnte nicht anders, als mich um sie zu sorgen. Irgendetwas musste ich tun. Und dann, zu meiner Erleichterung, öffnete sich die Tür und Sev kam hinein. „Sev! Merlin sei Dank!", sprudelte es augenblicklich aus mir hervor, „Bitte! Irgendwas stimmt mit Tipsy nicht. Sie ist heute nicht aufgetaucht. Ich mach mir schreckliche Sorgen um sie. Kannst du..." „Hermione! Ganz langsam! Beruhig dich!", unterbrach er mich sanft. „Wie soll ich mich beruhigen, vielleicht ist ihr irgendwas passiert!", antwortete ich.
„Nein. Ihr geht es gut."
„Woher..."
„Sie war bei mir und hat mir geholfen. Ich habe ihr gesagt sie soll nicht zu dir kommen", erwiderte er streng. Bevor ich noch weiter nachfragen konnte, wobei sie ihm geholfen hatte und wieso er der Meinung war, ich würde kein Abendessen brauchen, oder ihm vorwerfen konnte, was für Sorgen ich mir gemacht hatte, brachte er mich mit einem mahnenden Blick dazu, die Klappe zu halten.Als er bemerkte, dass ich ruhig blieb, erhellte sich seine Miene wieder und er nahm meine Hand. „Komm mit", brummte er tief und zog mich zum Ausgang. „Aber...", setzte ich an, wurde aber von einem leisen Zischen seinerseits unterbrochen. Wieso nahm er mich plötzlich doch mit hinaus? Das Risiko war doch viel zu hoch. Das hatte er selbst gesagt. Und wohin wollte er bitte? Ich hatte wohl keine andere Wahl, als ihm stumm zu folgen. Es dauerte nicht lange, bis wir durch das Tor nach draußen auf das Schlossgelände kamen. Gierig zog ich die kalte, frische Luft in meine Lungen. Wie sehr mir das gefehlt hatte. Schon bald darauf wurden wir von der Dunkelheit verschluckt und ich konnte das Schloss kaum ausmachen. Was mir sehr willkommen war, denn eine Pause von den Mauern tat gut. Prüfend blickte ich ihn von der Seite an und entschloss, dass ich es jetzt nochmal riskieren konnte. „Wohin gehen wir? Sollten wir nicht lieber zurück? Was, wenn uns jemand sieht?"
Er unterbrach mich dieses Mal nicht, allerdings hielt er es scheinbar auch nicht für nötig mir zu antworten. Nachdem ich beinahe gestolpert wäre, weil ich ihn noch eine Weile in der Dunkelheit gemustert hatte, in der Hoffnung einen Gesichtsausdruck zu erkennen, was bei dem wenigen Licht aber schier unmöglich war, achtete ich wieder auf meine Umgebung. Oder zumindest das, was ich davon erkennen konnte. Und bald erkannte ich auch, wo wir waren. Am See. Dann schließlich verlangsamte Severus seine Schritte und ging gemütlich neben mir her. Mit seiner Hand noch immer in meiner. Und endlich antwortete er mir. „Die Carrows wurden zum dunklen Lord gerufen. Und ich weiß, dass sie dort noch eine Weile sein werden. Ich dachte, du würdest vielleicht mal wieder etwas raus wollen." Ich wartete, während wir am Wasser entlang spazierten und das ein oder andere Meereswesen für Wellen an der Oberfläche sorgte. Ich wartete, dass er noch mehr erklärte und beobachtet währenddessen die Spiegelung des Mondes im Wasser.
Doch mehr sagte er nicht und lief stattdessen mit mir zum dunklen Wald. Dennoch flatterte mein Herz aufgeregt, von dieser Aufmerksamkeit. Ihm war aufgefallen, wie gern ich mal wieder raus wollte, obwohl ich mich so zusammengerissen hatte, ihm damit nicht weiter die Ohren voll zu jammern. Der Boden unter mir begann Geräusche zu machen von den Zweigen, auf welche ich trat. Und wir verschwanden gemeinsam im Dickicht. Eigentlich sollte ich mir Sorgen machen. Der Wald war definitiv nicht mehr der sicherste und beste Ort, um sich darin aufzuhalten. Wobei. Das war er noch nie. Aber komischer Weise machte ich mir keine Sorgen.
Ich fühlte mich einfach viel zu sicher an Severus Seite. Irgendwann verlangsamten sich seine Schritte immer mehr, bis er schließlich vollends stehen blieb. „Wir sind fast da", brummte er leise. „Wo?", wollte ich fragen, doch er schüttelte nur den Kopf und sagte „Mach die Augen zu." Prüfend musterte ich ihn, tat dann wie mir befohlen. Vorsichtig führte er mich noch ein paar Minuten durch die Gegend, bis er endlich stehen blieb und mir erlaubte, die Augen wieder zu öffnen.
Ich staunte. Wir waren auf einer kleinen Lichtung. Der Himmel war wolkenlos und sternenklar. Und mitten auf der Wiese war eine Decke ausgebreitet, umgeben mit vielen kleinen Kerzen, deren Flammen in unterschiedlichen Farben im leichten Wind tanzten. Ungläubig trat ich noch ein wenig näher und erkannte so langsam das Essen, welches dort bereits auf uns wartete. Das war das Süßeste was er jemals für mich getan hatte. Oder überhaupt irgendwer. „Severus! Das ist unglaublich!", hauchte ich. So viel Romantik hätte ich ihm niemals zugetraut. Er trat neben mich und blickte zu mir hinunter. Ein schüchternes Lächeln lag auf seinem Gesicht „Es gefällt dir also?" „Natürlich!", rief ich aus und schlang dann meine Arme um seinen Nacken. „Danke", hauchte ich noch, bevor ich ihm einen innigen Kuss gab. „Tipsy hat dir also dabei geholfen?", murmelte ich.
„Ja"
„Also geht es ihr wirklich gut?"
„Du machst dir wirklich solche Sorgen um dieses kleine Wesen?"
„Natürlich!", sagte ich empört und lehnte mich etwas zurück. Schon bereit dazu ihm einen meiner Vorträge über Elfen und Gleichberechtigung zu halten. Doch ein Ausdruck lag auf seinem Gesicht und mir wurde bewusst, dass er diese Frage keineswegs böse oder herablassend gemeint hatte. Und dann küsste er mich nochmal. „Jetzt sollten wir aber wirklich etwas essen", knurrte Sev und wandte sich von mir ab, um sich auf der Decke niederzulassen. Als ich ihm folgte, legte sich eine Wärme über mich und erst jetzt wurde mir bewusst, wie kalt es eigentlich draußen war. Es lag wohl irgendein Zauber auf den Kerzen, vermutete ich, dass sie uns wärmten, wie ein großes Feuer.Nachdem wir unseren Hunger gestillt hatten, legten wir uns hin und beobachteten den Sternenhimmel. Ich kuschelte mich nah an ihn ran und genoss es, wie er mir sanft über den Arm strich und sich eine Gänsehaut über meinen Körper ausbreitete. „Hermione", sagte er schließlich in die Stille hinein. Vielleicht würde er jetzt endlich das sagen, wozu er schon mehrmals beim Essen angesetzt, es aber scheinbar nicht über sich gebracht hatte.
„Ich weiß, dass du den Brief gelesen hast."-----------------------
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FanfictionNach dem Krieg kehren die Schüler und Schülerinnen wieder zurück nach Hogwarts. Darunter auch Hermione Granger, Kriegsheldin und beste Freundin von Harry Potter. Auf unerklärliche Weise hat der dunkle Professor Snape überlebt, wird als Held gefeiert...