Kapitel 60. Familienzuwachs

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Als Ora in ihrer Höhle ankam, war es schon fast hell.
Ihre Schwestern schliefen aber noch tief und fest.
Da sie sie nicht aufwecken wollte, beschloss sie, noch einmal nach Rewe zu sehen.
Diese wartete bereits in ihrem unterirdischen Heim auf sie.

"Oh gut, du bist da!", sagte sie ungerührt, "Ich habe schon auf dich gewartet!"
Sie hatte ihre Peitsche in der Hand.
"Aber da du mir geholfen hast, werde ich dich dieses Mal verschonen!", sagte sie.
"Wow, wie lieb von dir!", sagte das Mädchen mit ironischer Betonung.
"Was?", fragte die Frau, "Ich hätte dich jetzt auch einfach überfallen können! Wäre dir das etwa lieber gewesen?"
"... Nein, wäre es nicht!", sagte der Drache und seufzte, "Ich weiß ja, dass du nicht anders kannst!"
"Na also!", sagte der Vogel, "Wenn du willst, kannst du jetzt nach hause gehen! Aber ich will, dass du mich jeden Tag über alles informierst! Ich will einfach alles wissen!"
"Reicht es auch, wenn ich nur alle zwei Tage komme?", fragte die Königin, "Ich habe wirklich viel zu tun! Du weißt ja... nur noch eineinhalb Wochen, bis mein Kind kommt!"
"Oh... ja, richtig...", sagte die Erwachsene, "In Ordnung, komm einfach, wann du gerade Zeit hast! Ich will deiner Familie wirklich nicht schaden!"
"Danke!", sagte die Drachin und lächelte, "Ach, ich glaube, es ließe sich einrichten, dass du es mal sehen darfst!"
"Es würde mich sehr freuen!", sagte der Papagei, "Aber wieso sagst du dauernd 'Es', wenn du eh weißt, was es wird?"
"Ich will mich einfach noch nicht festlegen!", sagte Ora, "Wenn es am Ende doch aus irgendeinem Grund ein Junge wird, ist das doch doof! Deshalb habe ich mir auch noch keinen Namen ausgedacht! Ich werde ihm an seinem Geburtstag den Namen geben, der mir als erstes durch den Kopf schießt! Also... zumindest wenn es einer ist, den das Kleine auch als Erwachsener noch tragen kann! Ich werde, wenn es ein Mädchen wird, sie auf keinen Fall Lottchen oder so nennen, wie das die Menschen immer machen!"
"Für einen Drachen ist das Namengeben aber auch einfacher, oder?", fragte Rewe, "So Namen wie Rubin kannst du einem Menschen zum Beispiel nicht geben!"
"Da hast du auch wieder recht!", sagte das Mädchen und lächelte, "Na ja, da wird mir schon etwas passendes einfallen! Ich sollte jetzt gehen, damit das Frühstück fertig ist, wenn meine Schwestern aufwachen!"
"Du sehr pflichtbewusst, das ist gut!", sagte die Frau, "Ich verstehe, wieso dein Volk dich so sehr liebt! Also... das heißt es zumindest!"
Der Drache wurde rot.
"Da müsstest du jemand anderen fragen!", sagte sie, "Ich hoffe aber sehr, dass sie zufrieden mit mir sind!"
"Weißt du... du hast so... eine tolle Persönlichkeit!", sagte der Vogel, "Du bist einem irgendwie von Anhieb sympathisch! Du bist auch ein wirklich hübsches Mädchen, wenn ich das mal so sagen darf!"
"Das ist süß von dir!", sagte die Königin und lächelte, "Du bist aber auch eine schöne Frau! Also... ich kenne mich jetzt nicht so gut mit menschlicher Schönheit aus, aber ich persönlich finde dich hübsch!"
"Danke!", sagte die Erwachsene, "Na ja... dann will ich dich nicht länger aufhalten! Wir sehen uns... bald!"
Sie verabschiedeten sich und die Drachin ging.

In den nächsten Tagen nahm alles seinen gewohnten Lauf.
Die Drachen lagen die meiste Zeit in der Höhle und bewachten das Nest.
Ora ging nur noch einmal pro Tag auf Jagd und sorgte immer für drei vollwertige Mahlzeiten vor.

Am vierten dieser Tage ging Thèo mit seinen Eltern in den Wald.
Diese wollten einen Spaziergang machen und er hatte sie überredet, nicht in den Park, sondern in den Wald zu gehen.
"Seit wann gehst du denn so gerne spazieren?", fragte seine Mutter.
Sie hatte beinahe Schwierigkeiten, mit ihm mitzuhalten.
"Och ich... ich hoffe nur, hier jemanden zu treffen!", sagte der Junge.
"So?", fragte sein Vater, "Wen denn?"
"Eine Freundin aus Paris!", sagte der Schüler, "Sie wohnt hier im Wald!"
"So?", fragte der Mann, "Ich wusste garnicht, dass man hier noch wohnen darf!"
"Sie schon!", sagte der Teenager, "Sie hat sowas wie... eine Sondergenehmigung!"
"Wie heißt sie denn?", fragte die Frau.
"Ora!", sagte Thèo, "Sie ist wirklich nett, ihr werdet sie mögen!"
"Seht mal!", sagte die Erwachsene plötzlich, "Da sind Hirsche!"
Sie zeigte auf eine Lichtung in der Nähe.
Dort stand Coco mit ihrer Gruppe und graste.
"Hey, die kenn' ich doch!", sagte der Junge und ging näher heran.
Die drei sahen den Tieren ein wenig zu, bis sie plötzlich etwas rascheln hörten.
Ora kam hinter einigen Bäumen hervor und ging auf die Paarhufer zu.
Diese sahen kurz auf, doch blieben völlig ruhig und fraßen weiter.
Die Leitkuh ging auf das Mädchen zu, um sie zu begrüßen.
"Guten Morgen, Coco!", sagte diese leise und streichelte sie am Hals.
"Du kommst uns besuchen?", fragte die Hirschkuh, "Hast du nicht sehr viel zu tun? Du solltest dich lieber gut vorbereiten!"
"Ich wollte euch nur noch einmal sehen, bevor ihr euch zurückzieht!", sagte der Drache, "Und ehrlich gesagt fällt mir auch nichts mehr ein, was ich noch machen muss!"
"Da kann ich dir nicht helfen!", sagte Coco, "Meine Kinder sind da doch ein bisschen was anderes!"
"Na ja, dann werde ich wieder gehen, meine Schwestern brauchen auch ein bisschen Aufmerksamkeit!", sagte die Königin, "Schönen Winter wünsche ich!"
Dann ging sie wieder.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt