Kapitel 113. Erholungszeit

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Ora wachte in einem weißen Bett auf.
Ihr Sichtfeld war verschwommen und sie konnte immernoch die Reste ihres Blutes schmecken.
Sie konnte die Schläuche in ihrer Nase spüren, durch die ihr Luft zugeführt wurde.
Sie war mit einigen Geräten verbunden.
Die Schmerzen waren größtenteils verschwunden.
Sie sah sich vorsichtig um.
Am Rande ihres Sichtfelds konnte sie ein paar blaue Federn erkennen.
Sie drehte den Kopf ein kleines bisschen.
Sie konnte ihre Freundin sehen, wie sie auf einem Sofa in einer unbequem aussehenden Pose schlief.
Der Drache wollte etwas sagen, doch hustete nur die Blutreste aus.
Rewe wachte sofort auf.
"Ora!", rief sie, "Du bist wach!"
Sie stolperte zu ihr.
Die Königin ächzte.
Ihre Spucke lief aus ihrem Mund.
Sie hustete wieder.
"Warte!", sagte der Vogel.
Sie nahm ein Tuch und wischte ihr den Mund ab.
Die Drachin lächelte dankbar.
"Kannst du mich sehen?", fragte der Papagei.
Ora nickte kaum sichtbar.
Sie runzelte fragend die Stirn.
"Deine Pupillen sind weiß!", sagte Rewe, "Deshalb!"
Sie war kurz leise.
"Welche Fragen könntest du mir stellen?", fragte sie leise.
Sie dachte nach.
"Also... du liegst seit zwei Stunden hier...", sagte sie, "Es ist nicht lange her, seit du..."
Ihr stiegen Tränen in die Augen.
"Wieso hast du uns so einen Schrecken eingejagt?", fragte sie, "Wir haben uns Sorgen gemacht!"
Das Mädchen murrte.
Eine Träne floss von links nach rechts über ihr Gesicht.
Sie spannte ihre Hände an, um die Schmerzen zu unterdrücken.
"Ich wollte dich heilen, aber meine Magie erkennt das nicht als Wunden!", sagte die Frau, "Als wäre es normal! Kannst du dir das erklären?"
Der Drache ächzte, doch bekam kein Wort heraus.
"Bemüh dich nicht, zu antworten!", sagte ihre Freundin, "Ich will keine Antwort! Nur irgendwie... mit dir reden!"
Sie nahm sanft ihre Hand.
Die Königin hielt sie fest.
Sie lächelte.
Die Klingen an ihren Flügeln klirrten leise aneinander, als sie sie ein wenig bewegte.
"Diese Dinger sind scharf!", sagte der Vogel, "Dein Paps war ziemlich zugerichtet, als er mir davon erzählt hat! Er hat dich bis nach Paris ins Krankenhaus getragen!"
Die Drachin sah kurz besorgt aus.
"Ich hab ihn geheilt, keine Sorge!", sagte der Papagei, "Den Biss nur ein wenig, damit zumindest eine Narbe bleibt! Er und die anderen warten draußen! Sie haben gesagt, ich soll allein mit dir sprechen, wenn du aufwachst!"
Ora sah sie fragend an.
"Sie haben gesagt, sie sind sozusagen schuld daran!", sagte Rewe, "Du wärst ihnen vielleicht böse!"
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
"Ich bin... nicht böse...", ächzte sie.
"Sprich bitte nicht!", sagte die Frau, "Erhol dich noch ein wenig! Wir wollen doch nicht, dass du noch länger hierbleiben musst!"

In diesem Moment kam ein Arzt durch die Tür.
"Oh...", sagte er, "Stör ich?"
"Nein, kommen Sie rein!", sagte der Vogel.
Der Mann ging zu ihnen.
"Hallo Ora!", sagte er, "Schön, dass du wieder wach bist!"
Der Drache lächelte.
"Wir haben die Röntgenbilder!", sagte der Erwachsene, "Es sieht fast so aus, als wären die ganzen Knochen vorher schon da gewesen! Als hätten sie nur darauf gewartet, aus ihr heraus zu schießen!"
"Was ist mit den Messern?", fragte der Papagei.
"Sie müssen neu entstanden sein!", sagte der Arzt, "Aber ihre Knochen waren schon vorher darauf vorbereitet! Sie waren schon lange dafür gebaut, dass irgendwann so etwas passiert! Ich kann daraus nur schließen, dass es irgendwie vorherbestimmt war, dass das passiert!"
"Wieso hat es ihr dann so viel Schaden zugefügt?", fragte Rewe.
"Das kann ich nicht sagen!", sagte der Mann, "Mit Magie bin ich überfragt!"
"Wut...", ächzte die Drachin, "I... ich habe die K... Kontr.olle verloren! Wenn ich... ich musste s... sie b.ündeln, damit nichts... nichts schl.immes passiert! Ich m... musste sie dort verte.ilen, wo s... sie keine starken Schäden anr.ichten konnte!"
Der Erwachsene sah sie fragend an.
"Wut?", fragte er, "Wie kann Wut sowas auslösen? Und wieso warst du wütend?"
"Ich w... war plötzlich so sauer auf P... Papa, weil er uns allein gel.assen hat!", sagte Ora leise, "Alles, was j.emals pass.iert ist, ist zurück g... gekommen! Es war sch.on lange klar, dass ich... dass ich durch Wut etwas sehr schl.immes tun könnte, wenn s... sie aus.artet!"
Der Arzt schluckte.
"Was wäre dieses Schlimme?", fragte er vorsichtig.
"S.eht euch die V... Ver.änderungen an!", sagte das Mädchen, "W.ie würdet ihr s... sagen, dass das auss.ieht?"
"Hmm... keine Ahnung...", murmelte der Mann.
"Wie eine Rüstung!", sagte die Frau.
Der Drache nickte zögerlich.
"Ich b... bin geb.oren, um me.in Volk zu b... beschützen!", sagte sie, "Ich s... sollte k.eine menschl.ichen Emotionen empf.inden! M.eine M... Magie s.ieht meine W.ut als Zeichen, dass einem D... Drachen etwas schl.immes widerfahren ist! Wenn ich v... vollständig die Kontrolle verl.iere, werde ich zu..."
Sie atmete tief durch.
"... zu einem W.esen, das kein Mensch mehr einfach so str.eicheln kann!", sagte sie, "Ein M... Monster, das jedes L.ebew.esen einer anderen Art t... töten wird, wenn es sich in s.einen Weg stellt! Dr.achen haben nichts zu befürchten, wegen ihrer starken Haut, a... aber Menschen haben dann ein sehr gr.oßes Problem, wenn s... sie versuchen, sich zu w.ehren!"
Ihre Freundin sah sie besorgt an.
"Kann man was dagegen unternehmen?", fragte sie.
"Ich k... konnte es d... davon abh.alten, in m.einen Geist einz.udringen, aber noch e.inmal werde ich d.as n... nicht sch.affen!", sagte die Königin, "D.ann m... müsst ihr mich schl.immstenfalls t... töten!"
Ihr stiegen Tränen in die Augen.
"Das lasse ich nicht zu!", sagte der Vogel, "Es muss einen anderen Weg geben!"
"H.offen wir, d... dass es einfach n... nie wieder p.assiert!", sagte die Drachin und lächelte zögerlich.
"Ist es dann für einen Drachen in Menschengestalt nicht auch gefährlich?", fragte der Erwachsene, "Weil dann verschwinden die Schuppen ja!"
"Hmm... stimmt!", sagte der Papagei, "Können ich und Phoenix uns dann nicht auch an dir schneiden?"
"D.as ist n... nicht das Pr.oblem!", sagte Ora, "D.iese Messer sind sch.arf, aber auch v... verzaubert! Sie d... durchdr.ingen jeden Dr.achen einfach, ohne ihm ein H... Haar zu kr.ümmen! Als w... wären sie G.eister!"
"Ich kann also einfach...?", fragte Rewe und näherte sich mit einem Finger den scharfen Klingen.
Sie strich vorsichtig an der Kante von einer entlang, doch spürte nichts.
Als sie sich eine Hand abtrennen wollte, blieb kein winziger Kratzer.
"Das ist ja lustig!", sagte sie, "Aber wieso hat dir das dann so wehgetan, wenn es zum Schutz für Drachen sein sollte? Ohnmächtig kannst du ja nicht viel ausrichten!"
"Ich h.abe meine g... gesamte Wut s.ozus.agen in meine Fl.ügel gezwungen!", sagte das Mädchen, "Es h.ätte sich überall v... verteilen sollen, um r.ichtig zu  f... funktion.ieren!"
"Du hast viel Blut verloren!", sagte der Arzt, "Das hätte dich umbringen können!"
"Was ist mein L.eben wert, wenn es um die S.icherheit der W... Welt geht?", fragte der Drache, "Ich k... kann niemanden verletzen! Das würde mein Gew.issen nicht zul.assen, sol.ange es noch irgendwo ex.istiert!"
"Ich hasse dein Gewissen!", sagte die Frau, "Du kümmerst dich zu wenig um dich selbst!"
Die Königin kicherte leise.
"Ich lasse euch dann auch mal wieder allein!", sagte der Mann, "Braucht ihr noch etwas?"
"M.üssen diese Schl.äuche in meiner N.ase b... bleiben?", fragte die Drachin.
"Denkst du, du kommst zurecht, wenn wir sie entfernen?", fragte der Erwachsene.
Ora nickte.
"Die sind unang.enehm!", sagte sie, "Außerd.em k... kann ich s.onst nicht r.ichtig reden!"
"Also gut!", sagte der Arzt.
Er schaltete das Gerät ab.
Dann zog er vorsichtig die Schläuche aus ihrer Luftröhre.
Das Mädchen kniff die Augen zu.
Sie hustete.
Ihr lief ein wenig Blut aus der Nase.
Als die Schläuche entfernt waren, atmete sie tief durch.
"Danke!", ächzte sie.
Der Mann hielt ihr ein Stück Stoff unter die Nase.
"Wenn du das ein wenig festhalten könntest...", sagte er, "Nur, damit es nicht auf die Laken tropft!"
Der Drache griff mit ihrer Armprothese danach und hielt es fest.
"Gut!", sagte der Erwachsene, "Du wirst noch ein paar Infusionen brauchen, bis dein Blutdruck wieder hoch genug ist, aber sonst bist du gesund! Wenn wir fertig sind, dann darfst du auch schon gehen!"
"Wie lange wird das dauern?", fragte die Frau.
"Wenn sie sich noch gut erholt, können wir sie heute Abend noch nach hause schicken!", sagte der Arzt, "Wir empfehlen, zumindest ein wenig zu schlafen! Wir machen später ein paar Tests, um zu sehen, ob sie auch wieder voll öffentlichkeitstauglich ist, dann sehen wir weiter! Weil wir uns mit Drachen nicht wirklich auskennen, können wir natürlich nur Vermutungen aufstellen, aber wir werden sehen! Bis dahin lasse ich euch mal wieder allein! Ich werde andernorts gebraucht!"
Er verschwand.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt