Kapitel 96. Die letzten Unwissenden

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Am nächsten Tag aßen die vier Zauberwesen spät am Morgen zusammen Frühstück.
"Na, hast du gut geschlafen?", fragte Ora ihre kleine Mitbewohnerin.
"Ich habe wunderbar geschlafen!", sagte diese fröhlich, "Dieses Bett aus Federn ist so viel gemütlicher als eine Honigwabe! Und es klebt nicht so stark!"
Rewe kicherte.
"Das hoffe ich doch!", sagte sie, "Sonst wäre die Federpflege schon überfällig!"
"Und wie habt ihr geschlafen?", fragte Shayla, "Ihr müsst ja gestern sehr müde gewesen sein, dass ihr so früh ins Bett gegangen seid!"
"Ähm... ja, wir... haben gut geschlafen!", sagte das Mädchen und hüstelte, "Nicht wahr, Rewe?"
"O ja, wir... hatten eine wundervolle Nacht!", sagte die Frau.
Sie war kurz leise.
"Was machen wir heute?", fragte sie, "Hast du eine Idee?"
Der Drache dachte nach.
"Mich würde interessieren, wie es Luri eigentlich geht!", sagte sie, "Ich habe vergessen, Yves zu fragen!"
"Du meinst diesen... 'Grasdrachen' oder wie das heißt, richtig?", fragte die Erwachsene.
"'Buschdrache', aber ja!", sagte die Königin.
"Komischer Name für eine Spezies!", sagte der Vogel.
"Unsere Vorfahren hatten die Wahl zwischen 'Busch-' und 'Baumdrache'!", sagte die Drachin, "Da ist 'Buschdrache' schon die bessere Wahl, oder nicht?"
"Hmm... ja, schon!", sagte der Papagei, "Ich komme mit! Ich muss dich von Yves beschützen, sonst macht er sich am Ende auch noch Hoffnungen! ... sollte nicht so gemein sein, wie es klang!"
Ora lächelte.
"Gut, dann kommst du eben mit!", sagte sie, "Bleibst du wieder zuhause, Phoenix?"
"Ja!", sagte ihre Tochter.
"Man merkt, dass du ein Nesthocker bist!", sagte das Mädchen und wuschelte ihr durch die Haare, "Na dann, essen wir noch fertig und dann gehen wir!"
Rewe nickte und aß ihr Teller schnell leer.

Wenig später machten sie sich auf den Weg in die Schule.
"Wie fandest du unsere letzte Nacht?", fragte die Frau.
"Bis auf die Tatsache, dass ich wohl alle Sittensregeln meines Volkes gebrochen habe... gut!", sagte der Drache.
"Du hast was?", fragte die Erwachsene verwundert.
"Na ja, bei uns Drachen ist es nicht üblich, näheren Kontakt zu gleichgeschlechtlichen zu hegen!", sagte die Königin, "Von körperlicher Nähe ganz zu schweigen! Es gehört sich einfach nicht so!"
"Es kann doch jeder selbst entscheiden, was sich gehört und was nicht!", sagte der Vogel, "Ich bin mir sicher, dass dein Volk dich auch so akzeptieren würde! Sie verehren dich, eben weil du anders bist als deine Vorgänger! Diese Eigenschaft kann dir niemand nehmen!"
"Und dich kann mir auch niemand nehmen!", flüsterte die Drachin und küsste sie auf die Wange, "Das würde ich nie zulassen! Ich würde sogar mein Amt als Königin aufgeben, um bei dir zu sein!"
"Das tust du nicht, egal aus welchem Grund!", sagte der Papagei, "Dein Königreich wäre ohne deine Führung nicht so schön und die Drachen würden wohl nicht mehr grundlos gefürchtet werden! Denk daran, dass du der einzige Grund warst, weshalb sich alles zum Guten gewendet hat!"
"Ach Rewe, sag das nicht!", bat Ora.
"Doch, ich sage das, weil es stimmt!", sagte Rewe, "Diese ganzen Geschichten über euch stimmen größtenteils, also muss es irgendwann einmal so passiert sein! Du weißt das vielleicht nicht, aber wenige Jahre nach deiner Geburt soll sich alles verändert haben! Denkst du etwa, das ist nur Zufall?"
Das Mädchen seufzte.
"Ich weiß, es hat keinen Sinn, mit dir zu streiten!", sagte sie, "Also beuge ich mich vor deinem Wort!"
Sie verneigte sich.
"Sehr elegant, Majestät!", sagte die Frau und lächelte, "Komm, lass uns weitergehen!"
"Erst, wenn ich einen Kuss gekriegt hab!", forderte der Drache.
"Das lässt sich einrichten!", sagte die Erwachsene und drückte ihre Lippen auf die der Königin.
Diese erwiederte den Kuss und strich ihrer Freundin durch die künstlichen Haare.
"Jetzt können wir gehen!", sagte sie dann.
Sie gingen weiter.

Etwa eine halbe Stunde später kamen sie in der Schule an.
Sie gingen auf direktem Weg ins Klassenzimmer.
"Ihr schon wieder!", sagte Madame Rousseau belüstigt, "Habt ihr nichts zu tun?"
"Momentan nicht!", sagte der Vogel, "Was macht ihr gerade?"
"Aufbau von Blutkötperchen!", sagte die Frau, "Aber gleich ist Mittagspause, dann könnt ihr eure Freunde entführen!"
In diesem Moment gongte es.
"Ja ok, JETZT ist Pause!", sagte die Lehrkraft und kicherte.
Die Schüler packten schnell ihre Sachen und stürmten nach draußen.
Die Zauberwesen hielten Yves auf, als er an ihnen vorbei kam.
"Was gibt's?", fragte dieser.
"Wir wollten fragen, wie es Luri eigentlich geht!", sagte die Drachin, "Du hast nichts mehr über ihn gesagt! Wie haben es deine Eltern aufgenommen?"
"Ach ja, richtig!", sagte der Junge, "Also... meine Eltern haben... ihn als Haustier ganz gern..."
Er hüstelte.
"Wisst ihr... ich bin nicht gut im erklären, also... hab ich gesagt, er ist mir zugelaufen!", sagte er, "Er wohnt jetzt bei uns!"
"Als Haustier?", fragte der Papagei.
"Ja... ich weiß, wir hätten uns trauen sollen, es ihnen zu sagen...", sagte der Schüler, "Aber... bisher spricht er nur, wenn wir beide alleine in meinem Zimmer sind! Und es scheint ihm auch zu gefallen, also..."
Ora kicherte.
"Dürfen wir ihn besuchen?", fragte sie.
"Meine Eltern wollen nicht, dass ich spontan Freunde mitbringe!", sagte der Teenager, "Aber ich kann ihn schnell holen, wir wohnen ja ganz in der Nähe! Ich sag einfach, ich gehe mit ihm spazieren!"
"Gut!", sagte Rewe, "Wir warten hier!"
Sie sah die Lehrerin an.
"Wenn du nichts dagegen hast!", sagte sie.
"Natürlich nicht!", sagte die Lehrkraft.
"Gut, dann gehe ich Luri holen!", sagte Yves, "Bin so schnell ich kann wieder da!"
Er verschwand.
"Ein bisschen Leid tun kann er einem schon!", sagte das Mädchen.
"Wieso?", fragte Rousseau verwundert.
"Tu nicht so, als wüsstest du nicht, dass er mich anziehend findet!", sagte der Drache, "Ich weiß das nämlich! Ganz so wenig wie du denkst kenne ich mich damit doch nicht aus!"
Sie hob eine Augenbraue.
"Ach so, ja... ", sagte die Frau und kratzte sich am Hinterkopf, "Naja, jeder kann eben nicht alles kriegen... obwohl er in dem Fall der einzige ist, der nicht bekommt, was er will... ich glaube, er würde es verkraften!"
"Irgendwann wird er es sowieso herausfinden!", sagte die Königin, "Glaubst du, er denkt, ich hätte Interesse?"
"Ich könnte es mir vorstellen!", sagte die Erwachsene, "Er kommt öfter zu mir, um darüber zu reden und er schwärmt über jedes winzige Lächeln von dir! Selbst, wenn du in eine völlig andere Richtung gesehen hast! Also er macht sich jedenfalls Hoffnungen!"
"Hätte ich ein Gewissen, würde ich sagen, dass er mir Leid tut!", sagte der Vogel, "Aber ich kann nur sagen, dass Ora mir gehört!"
Sie packte ihre Freundin von hinten und umarmte sie sanft, während sie ihren Kopf auf ihre Schulter legte.
"Du bist viel zu süß, um dich herzugeben!", sagte sie.
Die Drachin kicherte.
"Ich bin mir sicher, dass du ein Gewissen hast!", sagte sie, "Auch, wenn du es einfach nicht zugeben willst! Und ich bin nicht süß!"
"Doch, bist du!", sagte der Papagei und grinste, "Wenn du auch nur annähernd so süß schmecken würdest, wie du aussiehst, hätte ich dich schon längst aufgegessen!"
"Wenn du bittere Sachen so gern magst...", sagte Ora, "Dann schenk ich dir eine Grapefruit zu Weihnachten!"
"DU schenkst MIR garnichts!", sagte Rewe, "Das darf nur ich!"
"Oh nein, wenn, dann schenk ich dir auch was!", sagte das Mädchen.
"Das werden wir ja sehen, ob du mir was schenkst, wenn ich dich bis Weihnachten in meinem Keller einsperre!", sagte die Frau und grinste.
"Das würdest du doch nicht tun, oder?", fragte der Drache ängstlich.
"Natürlich nicht!", sagte die Erwachsene und kicherte, "Das schönste Stück in meiner Höhle soll doch nicht verstauben! Wenn, dann sperre ich dich ins Schlafzimmer!"
Die Königin legte sie Ohren an.
"Das werden wir ja noch sehen!", knurrte sie.
Die Lehrerin musste lachen.
"Klingt ja interessant, eure Beziehung!", sagte sie belüstigt.
"Sie ist... besonders!", sagte der Vogel.
"Aber perfekt!", sagte die Drachin, "Nicht wahr, Rewe?"
Sie sah den Papageien mit großen Augen an.
Diese lächelte.
"Natürlich!", sagte sie und stubste ihr auf die Nase.
Ora kicherte und wurde etwas rot.
"Aww, jetzt ist sie schüchtern, guck mal!", sagte Rewe zu der Lehrkraft.
Diese unterdrückte ein kichern.
"Wie lange glaubst du, braucht Yves?", fragte das Mädchen.
"Noch eine Viertelstunde etwa!", sagte Rousseau, "Er wohnt ja nicht weit weg!"
"Gut, dann warten wir!", sagte der Vogel und zog ihre Freundin mit sich auf eine Bank.
Sie lehnten sich zurück und warteten.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt