Kapitel 75. Hilfesuchender Geist

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Als Ora wieder aufwachte, war es früh am nächsten Morgen.
An ihren Händen hingen noch die Ketten, die sie aber jetzt nur noch einige Meter weit am Bett hielten.
Rewe war wohl am Tag zuvor nicht viel später eingeschlafen.
Sie hatte sich eng an sie gekuschelt und ihren Kopf auf ihre Schulter gelegt.
Das Mädchen umarmte sie zärtlich und küsste sie auf die Wange.
Dann schob sie sie sanft weg, ohne sie aufzuwecken, zog ihr den Schlüssel für die Ketten aus der Tasche und stand auf, nachdem sie sich befreit hatte.
Sie nahm sich die Haarklammern und das Diadem ab, kämmte sich die Haare und wusch sich den verwischten Lidschatten ab.
Als sie gerade dabei war, sich ihr Hemd wieder anzuziehen, wachte die Frau plötzlich auf.
"Guten Morgen, mein Vögelchen!", sagte der Drache und lächelte.
"Du machst dich hübsch?", fragte die leicht schläfrige Erwachsene verwundert.
"Ich treffe mich heute mit einem Vertreter meiner Familie!", sagte die Königin, "Ich habe die Verpflichtung, ihm bestimmte Dinge mitzuteilen! Dazu gehört eben auch die Geburt meiner Tochter! Er gibt es an die Drachen in den ferneren Ländern weiter!"

"Hat dir der letzte Abend gefallen?", fragte der Vogel.
"Es war wundervoll!", sagte die Drachin, "Auch wenn ich es gestern nicht ganz zugeben wollte! War mal was neues!"
"Dann hast du doch sicher nichts dagegen, wenn wir das heute Abend wiederholen?", fragte der Papagei.
"Das wäre schön!", sagte Ora und lächelte, "Diesmal bin ich ja vorgewarnt!"
"Du hast das Halsband anbehalten, obwohl du den Schlüssel hattest?", fragte Rewe, "So ein braves Mädchen!"
Sie stand auf, ging zu ihr und gab ihr einen sanften Kuss.
"Ich habe noch etwas für dich!", sagte sie und holte ein sehr kleines Schmuckkästchen aus einem Schrank, "Hier, mach es auf!"
Sie hielt es ihr hin.
Das Mädchen nahm es in die Hand und öffnete die Schleife, die darum gebunden war.
Dann öffnete sie vorsichtig die Schatulle.
Unter einem dünnen Stofftuch hatten sich zwei wunderschöne Diamantringe versteckt.
Der Drache war sprachlos und sie sah die Frau ungläubig an.
"Heißt es das, was ich denke, dass es heißt?", fragte sie.
"Wie du sagtest, gibt es sowas bei uns eigentlich nicht!", sagte die Erwachsene, "Sieh es als Zeichen unserer Freundschaft!"
Sie nahm einen der Ringe und steckte ihn ihr an den rechten Ringfinger.
"Du bist so gut zu mir!", sagte die Königin und wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht, "Womit hab ich das verdient?"
"Das brauchtest du dir garnicht verdienen!", sagte der Vogel, "Du hattest schon immer Anspruch darauf!"
Die Drachin fiel ihr um den Hals.
"Du bist die beste!", sagte sie schluchzend.
Dann nahm sie den zweiten Ring und steckte ihn ihrer Freundin zitternd an den Finger.
"Passen wie angegossen!", sagte sie und lächelte zögerlich.
"Natürlich tun sie das!", sagte der Papagei, "Sie sind schließlich etwas Besonderes! Und solche besonderen Dinge sind immer perfekt!"
"Da hast du recht!", sagte Ora seufzend, "Aber hättest du es dir nicht bis heute Abend aufheben können? Dann hätten wir es richtig gefeiert!"
"Das können wir doch nachholen!", sagte Rewe, "Aber du sollst etwas von mir dabeihaben! Das Halsband erinnert dich doch nur daran, was passiert, wenn du böse bist! Der Ring soll dich an unsere Freundschaft erinnern!"
Sie gab ihr einen Kuss.
"Das könnte ich doch auch so!", sagte das Mädchen, "Aber ich danke dir von ganzem Herzen! Allerdings muss ich jetzt bald los! Kannst du mir einen Gefallen tun?"
"Natürlich!", sagte die Frau, "Was kann ich für dich tun?"
"Pass auf meine Tochter auf!", bat der Drache, "Ich kann sie leider nicht mitnehmen, weil es eine wichtige Besprechung ist und ich keine Ablenkung brauchen kann! Du weißt ja jetzt schon, wie das geht, sonst hätte ich sie zu meinen Schwestern gebracht! Ich habe es ihr gestern schon gesagt, also musst du es ihr nicht mehr sagen! Bist du so gut?"
"Liebend gerne!", sagte die Erwachsene, ohne lange zu zögern, "Dann kann ich sie etwas näher kennen lernen!"
"Danke!", sagte die Königin und gab ihr einen Kuss, "Ich muss jetzt leider los! Es ist noch etwas früh, aber ich sehe noch kurz bei meinen Freunden vorbei!"
"Geh nur!", sagte der Vogel, "Deine Tochter ist bei mir in guten Händen, versprochen!"
"Ich bin so bald es geht zurück!", sagte die Drachin und küsste sie noch einmal auf die Wange, "Wenn ihr langweilig ist, dann geht ein wenig raus, aber seid vorsichtig!"
Dann verschwand sie.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt