Kapitel 6. Ora in Paris

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Die beiden landeten schon ein Stück vor der Stadt im Wald und gingen den Rest wieder zu Fuß.
Es wäre nicht klug gewesen, direkt mitten rein zu platzen.
"Das sind ja über hundert!", fiel Ora auf, als sie am Waldrand standen, "Das erschwert die Lage ein bisschen!"
"Da! Das ist doch der aus dem Wald, oder nicht?", fragte Mae, als sie Daniel sah, "Sollte der sich nicht an nichts erinnern?"
"Nun, es ist möglich, sich zu erinnern wenn man wichtige Bruchstücke wiederfindet!", erklärte Ora, "Ich hatte nur nicht gedacht, dass das so einfach ist!"
"Was machen wir jetzt?", fragte Maelle besorgt.
"Abwarten!", sagte Ora.
"Ich würde meinen Eltern gerne sagen, dass es mir gut geht!", sagte das Mädchen.
"Das wird nicht gehen!", sagte Ora," Dafür werden sie zu gut bewacht!"
"Und worauf warten wir?", fragte Mae.
"Darauf, dass es Nacht wird!", erklärte Ora, "Dann können wir uns reinschleichen!"
Also warteten die beiden.
"Sieh mal!", sagte Mae, "Die Schneeschmelze beginnt!"
Der Schnee begann, von den Bäumen zu fallen und die ersten Schneeglöckchen kamen zum Vorschein. 
Über den beiden brach ein Ast ab, und ein großer Berg Weißes Pulver fiel direkt auf Ora.
"Jetzt bist du weiß!", kicherte Mae.
Der Drache schüttelte sich, sodass der Schnee auf das Mädchen fiel, das neben ihr saß.
"Hey!", sagte diese und lachte.
"Jetzt sind wir beide weiß", erwiederte Ora, und schnaubte laut.
"Es wird dunkel, wir sollten uns bereitmachen!", sagte sie dann.
"Können wir zu meinen Eltern gehen?", fragte Maelle, "Lina ist bestimmt auch da! Bitteee!"
"Kommt darauf an, wie viele Wachen da stehen!", sagte Ora.
Die beiden machten sich langsam auf den Weg.
In der Nacht war Ora kaum zu sehen, was sie als Vorteil nutzten.
Jedes mal, wenn einer dieser Männer kam versteckte sich Mae unter ihrem Flügel und sie selbst schloss die leuchtenden Augen.
Als die Luft wieder rein war, schlichen sie weiter.
Am Restaurant angekommen, über dem die Wohnung lag, ging Mae alleine weiter.
Sie hatte von Ora einen Mantel bekommen, der ähnlich wie ein Chamäleon die Farbe wechselte und unter dem sie sich verstecken konnte.
Als sie am Eingang angekommen war, sperrte sie die Tür auf und ging hinein.
Es hatte tatsächlich geklappt.
Jetzt musste sie nur noch unbemerkt in die Wohnung gelangen.
Ora schlich inzwischen zum Dachfenster, das Mae ihr beschrieben hatte und wartete.
Als das Mädchen endlich an der richtigen Tür angekommen war, klopfte sie vorsichtig.
Sie wusste nicht, ob innen auch Wachen standen.
Doch sie hatte Glück.
Lina öffnete die Tür und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
"Wie hast du das denn gemacht?", fragte sie.
"Ich denke, das weißt du so gut wie ich!", sagte Mae und umarmte ihre Freundin, "Sind meine Eltern zuhause?"
"Klar! Aber erst sagst du mir wo Ora ist!", forderte Lina.
"Sie wartet vor dem Dachfenster!", erklärte Mae.
"Dann sollten wir sie reinlassen!", sagte ihre Freundin, "Deine Eltern schlafen gerade, wir sollten sie nicht aufwecken, sie haben die letzten Tage nicht geschlafen!"
Also schlichen die beiden am Schlafzimmer vorbei und öffneten das Fenster.
"Komm rein!", bat Mae, "Willkommen in meinem bescheidenen Heim!"
Ora war ganz nass, von dem Schnee, der auf ihren Schuppen geschmolzen war.
Die Mädchen nahmen ihr die Decke ab und trockneten den Drachen so gut es ging mit Handtüchern.
Der Rest verdampfte schnell auf ihrer Haut.
Sie war erschöpft und legte sich hin.
Die zwei Mädchen waren kein bisschen müde, also beschlossen sie, Mae's Eltern ein schönes Frühstück zu machen.
Sie backten frische Croissants und kochten Kaffee.
"Sag mal, wieso ist Ora so müde und du nicht?", fragte Lina nach einiger Zeit.
"Sie ist immerhin über 10.000 Kilometer geflogen. Und das in drei Tagen!", sagte Mae, "Sie hat den Schlaf wirklich verdient!"
Als die beiden fertig waren, ging die Sonne bereits auf.
Mae's Eltern schlenderten noch halb schlafend in die Küche.
Mit einem Schlag waren sie hellwach.

"Mae! Du bist zurück!", rief ihre Mutter und umarmte ihre Tochter, "Moment... schlafe ich noch?"
"Nein Mama, tust du nicht!", sagte Mae kichernd.
"Aber wie bist du...?", fragte die Frau.
"Ich hatte Hilfe", erklärte das Mädchen, "Moment... wo ist sie?"
"Ich glaube sie ist im Wohnzimmer", sagte Lina.
Also sahen sie nach.
Ora saß vor dem Fenster und sah ein paar Vögeln zu.
"Na? Auch schon wach?", frage Mae, "Mom, Dad, sagt hallo!"
"Erst, wenn du uns das da erklärt hast!", sagte ihr Vater und zeigte auf die Echse.
"Hey! Ich habe auch einen Namen!", schnaubte diese.
"Oh! Tut mir leid! U... und wie lautet der?", fragte der Mann vorsichtig.
"Ich bin Ora!", sagte der Drache freundlich.
"Was? Die Ora, die die beiden im Wald gesucht haben? Als sich Mae verirrt hat?", fragte der Vater erstaunt. "Jap!", erwiederte Ora, "Und ihr seid Madame und Monsieur Fontaine, richtig?"
"Ja, stimmt!", sagten die beiden Erwachsenen. 
"Na dann, willkommen in unserem Haus!", sagte Mae's Mutter, wenn auch etwas widerwillig.
"Sie ist gekommen um uns zu helfen!", erwiederte Maelle, "Ihr solltet nett zu ihr sein!"
"In Ordnung, tut uns leid!", sagte die Frau.
"Schon gut!", sagte Ora.
"Jetzt essen wir erstmal was!", mischte Lina sich ein, "Der Kaffee wird kalt!"
Der Drache verwandelte sich in einen Menschen, um sich an den Tisch setzen zu können.
"Hey! Du siehst richtig gut aus so!", fiel Lina auf.
"So?", fragte Ora.
"Stimmt! Darüber habe ich noch nie nachgedacht!", erwiederte Mae.
Das "Mädchen" hatte lange, dunkelbraune Haare und leuchtend lila Augen.
Unter ihrem rechten Auge war ein Teil ihrer Haut mit Schuppen bedeckt, genau wie ein Großteil ihres Rückens.
Sie schien beinahe perfekt zu sein.
Die Flügel sowie den Echsenschwanz konnte sie je nach belieben wegzaubern.
An ihrem Gürtel hing ein Schwert.

"Ohne die Schuppen könntest du fast als Mensch durchgehen", bemerkte Lina.
"Ja, das ist der Sinn dahinter", lachte Ora, "Die Verwandlung ist nur noch nicht ganz ausgereift! Bei anderen Tieren ist das einfacher!"
Sie fingen an zu essen.
Doch plötzlich klopfte es an der Tür.
Es waren ein paar der Wachen.
"Macht mal kurz auf! Wir müssen die Wohnung durchsuchen!", sagte einer von ihnen.
Ora und Mae mussten da weg, also sprach der Drache einen Zauber, und die beiden waren verschwunden. Die anderen räumten schnell die zwei überschüssigen Teller weg und öffneten die Tür.
"Was gibt's?", fragte Mae's Vater.
"Wir haben Grund zu der Annahme, dass sich hier ein gewisses Mädchen versteckt!", erklärte einer der Männer.
"Wer?", fragte Maelle's Mutter.
"Das dürfen wir nicht verraten!", erwiederte der Mann.
Die Leute stellten die ganze Wohnung auf den Kopf, doch ohne Erfolg.
Nach einer Stunde gingen sie wieder.
Kaum waren sie weg, tauchten die beiden Mädchen wieder auf.
Ora hatte sie ins Ende teleportiert, da sie dort bestimmt niemand finden würde.
"Das war knapp!", sagte Mae.
Als sie fertig gegessen hatten, fragte Lina: "Wie willst du das jetzt genau machen mit diesen Typen? Willst du sie direkt angreifen oder wie?"
"Ich weiß nicht genau, aber ich denke, direkt angreifen wäre das einfachste. Vor allem wenn sie nicht damit rechnen!", sagte Ora.
"Nun, sie wollen morgen am Marktplatz mit der Polizei irgendwas verhandeln! Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt!", schlug Mae's Mutter vor.
"Das klingt gut!", stimmte Ora zu.
Also warteten sie bis zum nächsten Tag.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt