Kapitel 90. Entführt

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Als die Menschen am nächsten Tag am Frühstückstisch saßen, stürmte Rewe plötzlich in den Raum.
"Ora ist verschwunden!", rief sie ängstlich.
"Was?", fragte Jack, "Glaubst du nicht, sie ist einfach nur mal kurz nach draußen gegangen oder so?"
"Dann hätte die Phoenix mitgenommen!", sagte der Vogel.
"Geht es ihr gut?", fragte Marianne besorgt und stand auf.
Der Papagei nickte.
"Also gut!", sagte die Frau, "Bleib ganz ruhig, es gibt sicher eine logische Erklärung! Komm mal mit!"
Sie ging in das Zimmer der Drachen.
Phoenix lag noch immer friedlich in ihrem Bett und schnarchte leise.
Die Hexe sah sich um.
"Sie ist einfach so verschwunden?", fragte sie.
Rewe nickte.
Die Erwachsene kratzte sich am Hinterkopf, als sie etwas bemerkte.
Ein kleines Fläschchen lag zerbrochen unter dem Bett am Boden.
Sie hob es auf.
"Das ist mein Parfümfläschchen!", sagte der Vogel.
"Sie muss es versehentlich runter gestoßen haben!", sagte die Menschenfrau, "Aber es sieht nicht so aus, als wäre das in dem Moment sehr wichtig gewesen!"
Sie ging nach draußen in den Gang.
Dort fand sie einen der Zimmerschlüssel am Boden.
"Sie hat ihn nicht mitgenommen?", fragte sie verwirrt, "Lass uns nach draußen sehen!"
Sie ging zur Eingangstür.
Als sie diese allerdings aufmachen wollte, brauchte sie dafür viel Kraft.
"Das ist doch nicht normal!", sagte sie, "Das hat bisher noch nie geharkt!"
Sie sah sich das Schloss genauer an.
Im nächsten Moment stockte sie.
"Nun... ich fürchte, Ora ist nicht freiwillig gegangen!", sagte sie leise.
Der Papagei stockte.
"Du meinst... sie wurde entführt?!", fragte sie.
Marianne nickte.
"Das Schloss wurde von außen aufgebrochen!", sagte sie.
Rewe erschrak.
"Wie konnte ich das nicht merken?", fragte sie, "Ich..."
Ihr stiegen Tränen in die Augen.
"Wir müssen... wir müssen sie finden, wir... müssen...", stotterte sie.
Sie flüchtete nach draußen.
Die Frau rannte ihr so schnell sie konnte hinterher.
Sie fand sie am Waldrand an einen Baum gelehnt und zusammengekauert wieder.
"Wir finden sie, versprochen!", sagte sie ruhig, "Aber dafür müssen wir sie auch suchen!"
Sie hielt ihr die Hand hin.
Der Vogel sah sie an.
"Wieso hab ich nicht gemerkt, dass sie verschwunden ist?", fragte sie, "Das ist alles meine Schuld!"
"Ist es nicht!", sagte die Hexe, "In erster Linie ist derjenige schuld, der sie entführt hat! Und wer auch immer das war kann sich auf etwas gefasst machen!"
Der Blick des Papageis verfinsterte sich.
"Oh glaub mir, er wird es bereuen!", sagte sie wütend und stand auf, "Lass uns Polizisten spielen!"
"Das wollte ich hören!", sagte die Erwachsene und lächelte, "Wir sollten den Tatort untersuchen!"
Rewe nickte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
"Dann los!", sagte sie.
Sie verschwanden wieder im Bunker.

Zur gleichen Zeit wachte Ora in einem kleinen, dunklen Raum auf.
Ihr Kopf schmerzte stark und alles war verschwommen.
Ihre Arme, Beine und Flügel wurden von dicken Ketten an zwei Säulen um sie herum festgehalten.
Auch das Sprechen war ihr durch ein umgebundenes Tuch verwehrt.
Sie konnte ihren Schweif bewegen, doch sie hatte am Abend zuvor das Messer an der Spitze entfernt, weshalb sie sich damit auch nicht befreien konnte.
Sie zog so fest sie konnte an den Ketten, doch diese bewegten sich kein Stück.
Ihr Herzschlag verstärkte sich langsam und sie kniff die Augen zu, um den Schmerz in ihrem Kopf zu lindern.
Die Stille in diesem Raum schmerzte nur noch mehr.
Es gab keine Fenster und die Tür war schalldicht verschlossen.
Noch dazu war es eiskalt, sodass das Mädchen am ganzen Körper Gänsehaut bekam.
Es gab keine Möglichkeit, wie sie sich irgendwie bemerkbar machen konnte.
Sie konnte nur warten bis jemand kommen würde.

In der Zwischenzeit waren Rewe und Marianne zurück im Bunker angekommen.
Die anderen sahen sie fragend an.
"Was ist denn los?", fragte Jack.
"Ora ist... sie wurde entführt!", sagte die Frau vorsichtig, "Das Schloss an der Haustür wurde aufgebrochen und von ihr gibt es außerhalb ihres Zimmers keine Spur mehr!"
"Was?!", fragten die anderen im Chor.
"Wie kann das passieren?", fragte Scarlet.
"Es sieht so aus, als hätte sie jemandem die Tür geöffnet!", sagte die Erwachsene, "Obwohl der Schlüssel außerhalb ihres Raumes liegt und nicht steckt!"
"Wir müssen sie finden!", sagte Henry, "Gibt es irgendeine Möglichkeit, herauszufinden, wo sie hin ist?"
Der Vogel schluckte.
"V... vielleicht!", sagte sie, "Drachen können sehr gut riechen und... das Parfüm... wenn sie es verschüttet hat, ist vielleicht etwas an ihr... na ja, hängengeblieben!"
"Brilliante Idee!", sagte die Hexe, "Kannst du ihre Fährte aufnehmen?"
"Nun... das ist so... ich... ich war nicht immer ein Drache!", sagte der Papagei, "Ich war... ich bin eigentlich ein gewöhnlicher Vogel! Hört zu, ich... ich erklär's euch..."
Sie erzählte ihnen alles.
"Öhh... wenn die Lage nicht so dringlich wäre, würde ich mich jetzt wundern, wie ein Drache sich in einen halben Vogel verlieben kann, aber... ist egal... das heißt also, du kannst nicht so gut riechen wie andere Drachen?", fragte die Menschenfrau.
"Die... Verwandlung läuft noch, wisst ihr?", fragte Rewe, "Ich hab es erst letztens zum ersten Mal geschafft, zu knurren und... ich weiß nicht, wie lange das noch dauert!"
"Und wenn wir Phoenix die Fährte aufnehmen lassen?", fragte Oscar.
"Das ist zu gefährlich!", sagte der Vogel, "Wir können Ora nicht suchen und damit ihre Tochter in Gefahr bringen! Es muss einen anderen Weg geben!"
"Also gut!", sagte Jack, "Durchsuchen wir erst einmal das Zimmer, vielleicht finden wir noch etwas!"
Er ging mit Henry und Scarlet den anderen Beiden hinterher in das Zimmer der Zauberwesen und sie halfen ihnen bei der Suche nach möglichen Hinweisen.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt