Kapitel 80. Verstecktes Monster

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Sobald Ora ohnmächtig geworden war, saß sie plötzlich in einem unendlichen, pechschwarzen Raum.
Es war stockdunkel, doch sie konnte sich selbst normal sehen.
Sie wusste, dass das nur in ihrem Kopf war, doch es fühlte sich unglaublich real an.
Sie stand auf und ging dorthin, wo ihr Verstand es ihr sagte.
Sie wusste genau, wo sie diejenige fand, die sie suchte.
Nachdem sie beinahe Ewigkeiten ins Nirgendwo gelaufen war, konnte sie plötzlich ein Leuchten in der Ferne sehen.
"Da bist du ja!", dachte sie.
Jedes einzelne der vier Wörter hallte laut durch den unendlichen Raum.
Sie ging weiter, doch jeder Schritt in Richtung des Leuchtens schmerzte immer stärker in ihrem Kopf.
Als es langsam unerträglich wurde, blieb sie stehen.
Sie seufzte.
"Wieso hälst du mich von dir fern?", rief sie, "Du weißt, dass ich dir nichts tun kann!"
"Weiß ich!", sagte jemand hinter ihr.
Das Mädchen drehte sich um.
Dort stand das genaue Ebenbild, doch gleichzeitig auch das Gegenteil von ihr.
Ihre Haut war dunkel und ihre Augen leuchteten gelb.
Ihre Haare hatten ein sanftes Hellblau und dort, wo der Drache schwarz trug, trug sie weiß.
"Hast du mich vermisst?", fragte sie und grinste, "Deine Zeit ist vorbei! Jetzt bin ich endlich an der Reihe!"
Sie lachte.
"Freu dich nicht zu früh!", sagte die Königin, "Du wirst wieder in diesem Käfig landen, nur dass du's weißt!"
"Da will ich sehen, wie du das machst, wenn du selber drin steckst!", sagte ihre Freundin und grinste.
Sie hob die Hand und im gleichen Moment wurde die Drachin von einem verzauberten Gitter eingeschlossen.
Diese stieß wütend dagegen.
"Ach, Lilly!", sagte ihr Ebenbild und kicherte, "Wir kennen uns jetzt schon fast unser ganzes Leben lang und du bist immernoch so schwach wie früher!"
"FAST das ganze Leben lang?", fragte Ora, "Hab ich was verpasst?"
"Die ersten zwei Wochen unseres Lebens hast du verpasst!", sagte ihr dunkler Zwilling, "Bevor wir voneinander getrennt wurden und unsere Mutter mich in dieses magische Gefängnis verbannt hat! Soll ich dir sagen, was sie mit uns gemacht hat? Ich verrat's dir!"
Sie begann, zu flüstern.
"Wir waren ein Wunderkind, meine Liebe!", sagte sie, "Wir waren die perfekte Kreuzung zwischen gut und böse! Unsere Mutter hat uns diese Gabe gestohlen! Sie hat uns zu diesem Vampir gebracht! Er hat uns zu dem gemacht, was wir jetzt sind! Pure Güte und pure Bosheit! Mami wollte einen kleinen Engel als Tochter haben, also hat sie mich mit dieser dämlichen Zaubermedizin in unseren Körper gesperrt! Und heute hole ich mir endlich zurück, was mir zusteht! Ich werde dein ach so wundervolles Leben zerstören!"
Sie lachte.
"Versuch's doch!", sagte das Mädchen, "Ich wette, dass du es nicht schaffst!"
"Ach ja?", fragte ihr Doppelgänger, "Was willst du machen?"
Sie grinste.
"Wir sehen uns!", summte sie und schloss die Augen.
Im nächsten Moment war sie verschwunden.

Zur gleichen Zeit öffnete sie in der realen Welt ihre scharf rot gefärbten Augen.
Dort war kaum eine Sekunde vergangen.
Sie wollte sich strecken, doch als sie bemerkte, dass sie ihre Hände nicht bewegen konnte, wurden ihre Pupillen kleiner und sie riss an den Ketten.
"Versuch's doch!", sagte Rewe, "Du kommst da nicht raus!"
Der Drache knurrte.
"Wer zum Teufel bist du?", fragte sie wütend.
"Ich bin Rewe!", sagte die Frau, "Und ich finde es garnicht gut, dass du mir meine Freundin geklaut hast!"
"Lass mich sofort frei!", befahl die Königin.
"Hmm... nein!", sagte die Erwachsene, "Solange nicht meine kleine Ora mit mir spricht, wird hier niemand freigelassen! Wie heißt du eigentlich? Aro, oder was?"
"Woher weißt du das?", fragte die Drachin.
"... Zufall!", sagte der Vogel.
Sie zog ihr ein Messer aus dem Stiefel und hielt es ihr an den Hals.
"Lass sofort meine Freundin frei!", sagte sie.
"Das bringt dir garnichts!", sagte Aro, "Ich bin sie! Wenn du mich tötest, tötest du deine liebe Freundin auch!"
Sie kicherte.
"Kann sein!", sagte der Papagei, "Aber quälen kann ich dich trotzdem!"
"Das spürt die gute Ora auch!", sagte das Mädchen.
Im nächsten Moment entstand ein langer Schlitz an ihrem Unterarm.
"So?", fragte Rewe und grinste, "Dein ehrliches Unterbewusstsein sagt was anderes!"
Sie kratzte mit der Klinge in der Wunde herum.
Der Drache kniff die Zähne zusammen.
"Lass meine Freundin frei!", sagte die Frau.
"Auf keinen Fall!", knirschte die Königin, "Ich kriege, was ich will! Wenn ich hier rauskomme, bist du die erste, die ich umbringe!"
"Das wird nicht passieren!", sagte die Erwachsene, "Glaub mir, ich werde dich so lange quälen, bis du dir wünscht, dass ich dich von deinem Leid erlöse!"
Sie schlitzte die Wunde langsam weiter auf.
Die Drachin kniff die Augen zu, doch blieb weiter stur.
Der Vogel sah sie wütend an.
"Ich kriege dich schon weich, das kannst du mir glauben!", sagte sie.
Sie war kurz leise.
"Mann, bei dem Lärm da draußen kann man ja nicht arbeiten!", sagte sie und verließ sofort die Höhle.

Die Königin der DrachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt