Kapitel 34

176 11 0
                                    

Plymouth


„Richten Sie ihrem Mann die besten Genesungswünsche aus, Shirley. Und noch einmal vielen Dank, dass Sie mein Paket angenommen haben." Eldrid lächelte der alten Dame entgegen, die im selben Haus wohnte, ehe sie die Wohnungstür leise schloss. Die junge Asin war die vergangenen Tage Zuhause geblieben und hatte natürlich mitbekommen, dass der Paketdienst auch heute bei ihr geklingelt hatte. Doch sie hatte einfach nicht die Kraft gehabt, aufzustehen und die Sendung persönlich entgegen zu nehmen, auf die sie eigentlich gewartet hatte.

Was vor ein paar Tagen geschehen war, hing ihr immer noch im Kopf, auch wenn sie sich alle Mühe gab, es zu verdrängen. Sie bereute nicht, was sie getan hatte, doch schien ihr Herz davon noch nicht ganz überzeugt zu sein.

Mit dem kleinen Päckchen, was laut Absender ihre Lieferung an neuen Kräutern beinhalten würde, lief sie hinüber zur Küche und stellte es dort auf der Arbeitsfläche ab. Bevor sie es jedoch öffnete, wandte sie sich der kleinen Kaffeemaschine zu, die sie viel zu oft benutzte. Doch was sollte sie auch machen? So eine kleine Kanne dieses köstlichen Gebräus wurde einfach immer viel zu schnell leer. Mit mittlerweile geübten Griffen legte sie einen Filter ein und füllte diesen dann mit den aromatischen Pulver. Als die ersten glucksenden Geräusche den Raum erfüllten, lächelte sie und machte sie daran, das Paket auszupacken und den Inhalt in den Schränken zu verstauen, die sie extra dafür reserviert hatte.

Doch noch bevor sie sich schließlich abwenden konnte, dachte sie an ihre Nachbarin Shirley und deren kranken Mann. Dieser kämpfte schon seit einigen Tagen gegen einen fiesen Husten an und es schien einfach nicht besser zu werden. Kurzum entschloss sie sich, ihm eine Salbe zuzubereiten, die ihm Linderung verschaffen würde. Geschwind kramte sie einige Zutaten aus ihrem Schrank und legte sie vor sich auf die Arbeitsplatte. Sheabutter, getrockneter Eukalyptus und Tocopherol. Eldrid rieb sich mit einer Hand über das Kinn, während sie überlegte, was noch fehlte. Schließlich griff sie zur Fensterbank, auf der mehrere kleine Pflanztöpfe mit verschiedenen Kräutern standen und pflückte einige Stängel Thymian. Kaum hatte sie alle Zutaten bereit, fing sie auch schon mit der Verarbeitung an. Auch wenn es nicht allzu lange dauerte, schien die Zeit nur so zu verfliegen. Wie eigentlich immer, wenn sie sich mit etwas befasste, das sie liebte.

Ein lautes Klingeln riss sie aus ihrer Konzentration, kurz bevor sie die fertige Salbe abseihen wollte. Irritiert hob sie den Kopf und sah sich stirnrunzelnd um, ehe sie ihr Telefon auf dem kleinen Beistelltisch neben dem Sofa erblickte. Sie stellte ihre Utensilien beiseite und eilte hin, um den eingehenden Anruf anzunehmen.

Das Display zeigte ihr lediglich drei kleine Symbole, doch sie wusste sofort, wer sie da versuchte zu kontaktieren. Schon vor Monaten hatte sie sich den kleinen Spaß erlaubt, ihre Kontakte mit kleinen Bildnissen abzuspeichern, die Jane einmal als Emojis bezeichnet hatte. Jetzt wurden ihr eine rothaarige Frau, eine russische Flagge und ein schwarz vermummter Krieger angezeigt, den Natasha einen Ninja nannte. Auch wenn Eldrid mit dieser Bezeichnung nicht viel anzufangen wusste, so kam es ihr doch der Vorstellung am nächsten, die sie von der Frau im Einsatz hatte.

„Hey, wenn das nicht meine Lieblingsagentin ist", begann Eldrid das Gespräch und stellte das Telefon auf Lautsprecher, während sie wieder zur Küche zurückkehrte.

„Na, wie läuft es in der Hexenküche?", ertönte Natashas Stimme im Raum, was die Brünette schmunzeln ließ, die das Handy nun auf die Arbeitsfläche legte..

„Es ist wie immer viel zu tun." Eldrid nahm ihre Arbeit wieder auf und machte sich daran, die Salbe nun in einen kleinen Tiegel abzuseihen. „Wie lief die Besprechung?", fragte sie. Soweit sie wusste, wurden die Avengers zusammengerufen, um über die vergangenen Geschehnisse und das weitere Vorgehen zu beraten.

„Wie man es nimmt. So wie es aussieht, werden wir bald nur noch für die Regierung arbeiten. Schluss mit eigenverantwortlichen Handlungen."

Eldrid runzelte die Stirn. „Und damit seid ihr einverstanden?" Soweit sie wusste, hatten sich die Avengers bis jetzt gegen diese Möglichkeit ausgesprochen.

„Ich denke nicht, dass wir das groß eine Wahl haben werden. Bis jetzt sind wir uns darüber noch uneinig", erwiderte die Rothaarige und in ihrer Stimme schwang ein merkwürdiger Unterton mit. „Wann hast du zuletzt Nachrichten geschaut?", wollte sie wissen.

Einen Augenblick dachte Eldrid nach und unterbrach ihre Arbeit. „Vor ungefähr einer Woche im Café, kurz nach den Ereignissen in Lagos."

„Mhm", machte Natasha und man konnte im Hintergrund das Starten eines Wagens hören. Angespannt hörte die Asin ihr zu, als sie auf den neusten Stand gebracht wurde. Die Neuigkeiten über den Angriff und den Tod des wakandanischen Königs waren erschütternd. Sie konnte sie nicht einmal vorstellen, wie sich dessen Land und vor allem sein Nachfolger nun fühlen mussten. Doch es war auch nachvollziehbar, dass nun von den Regierungen diverse Schritte in die Wege geleitet werden mussten.

Natasha berichtete ihr ebenfalls von Steves für tot geglaubten Freund. Bucky. Dieser wurde eine Zeit lang als Hauptverdächtigter beschuldigt. Doch zur Erleichterung aller wurde schnell der wahre Übeltäter hinter all dem gefunden.

„Momentan wurde er erst einmal im Hauptquartier untergebracht. Tony ist davon zwar nicht wirklich begeistert, aber General Ross ist der Meinung, dass wir ihn hier am besten im Auge behalten können."

Das war durchaus verständlich. „Sicher wird es ihm helfen, Cap jetzt bei sich zu haben." Auch wenn der Blonde und Eldrid noch immer nicht ganz warm miteinander geworden sind, so konnte sie sich doch gut in seine Lage hineinversetzen.

„Und da wäre ich auch bei dem eigentlichen Grund, warum ich dich anrufe", fuhr Nat fort. „Ross will dich sehen. Anscheinend möchte er sich selbst einmal davon überzeugen, dass du keine Gefahr darstellen wirst."

Eldrid runzelte die Stirn, legte ihre Utensilien beiseite und schraubte einen kleinen Deckeln auf den Tiegel. „Ihm ist aber schon bewusst, dass ich mich momentan in einem anderen Land befinde, oder?"

„Wie es aussieht, ist das hier eine länderübergreifende Sache. Es kann gut sein, dass man möchte, dass auch du das Abkommen unterzeichnest."

Die Brünette schnaufte genervt. „Dann soll er es mir zuschicken. Meine Adresse habt ihr ja. Ich stelle keine Gefahr da, das war auch S.H.I.E.L.D. immer bewusst."

„S.H.I.E.L.D. gibt es nicht mehr, wie du weißt", seufzte Natasha. „Komm einfach für ein oder zwei Tage her, rede mit ihm und dann hast du sicherlich wieder deine Ruhe."

„Na schön", gab sie nach und griff nach der Kanne mit mittlerweile abgekühlten Kaffee, den sie in eine Tasse einschenkte.

„Ich buch dir einen Flug", versprach die andere Frau, bevor sie sich verabschiedeten.

Eldrid ging mit ihrer Tasse zur Couch und ließ sich auf dem alten Ding nieder. Sie war eigentlich ganz froh gewesen, New York entkommen zu sein. Und jetzt sollte sie wieder dahin zurück? Zurück an einen Ort, der fast so viel Erinnerungen beherbergte, wie ihre alte Heimat? Schmerzvolle Erinnerungen, denen sie einfach nur aus dem Weg gehen wollte. Seufzend fuhr sie sich durch die glatten Haare. Immerhin war es nur für kurze Zeit, sagte sie sich. Bald schon wäre sie wieder hier und konnte ihr Leben wieder so führen, wie sie es wollte.

Während sie sich darüber ihren Kopf zerbrach, trank sie ihren Kaffee. Anschließend verließ sie ihre Wohnung, den kleinen Tiegel Salbe in der Hand, den sie extra für ihre Nachbarin hergestellt hatte. Während sie die Treppen nach unten lief, dachte sie an die ganze Arbeit, die sie noch erledigen musste, ehe sie ihre Reise antreten konnte. Nicht, dass sie ihre Arbeit nicht gern tat, immerhin konnte sie damit mittlerweile ihr Leben hier finanzieren. Jedoch mochte sie es nicht, unter solch einem Zeitdruck zu stehen.

Liebe ist ein Dolch *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt