Kapitel 5

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Asgard


Heute...

Am nächsten Tag saß Eldrid im Innenhof ihres Elternhauses auf einer kleinen, steinernen Bank und strich gedankenverloren über den Rücken eines Buches, welches sie in ihrem Schoß hielt. Wie leicht doch damals noch alles war, dachte sie und seufzte leise. Eigentlich hatte sie gehofft, dass sie nach ihrem kleinen Ausflug nach Midgard schnell wieder in ihren Alltag zurückfinden könnte, doch das war schwerer als angenommen. Es ließ sie einfach nicht los, wie Loki zu ihr gesprochen hatte und sie stellte einfach alles in Frage, was sie mit ihm erlebt hatte. Sie konnte sich einfach keinen Reim darauf machen.

Sie blickte Richtung Westflügel. Es war der Teil des Hauses, in dem Thor sie gebeten hatte, mit Loki zu reden. Der Teil des Hauses, den sie kurz vorher noch in Schutt und Asche hatte legen wollen. Einige Bedienstete waren immer noch dabei, die Verwüstung zu beseitigen, die sie angerichtet hatte. Sie mussten sogar eines der Fenster austauschen, das sie in ihrer Rage zerstört hatte. Als wäre sie an dem Tag nicht sowieso schon aufgewühlt genug gewesen, hatte die Königin persönlich ihr schließlich bei einem gemeinsamen Frühstück von Loki berichtet. Davon, dass er lebte und was er auf Midgard getan hatte. Vollkommen außer sich war sie gewesen, als sie schließlich nach Hause zurückkehrte. Eigentlich hatte sie nur ein wenig trainieren wollen, sich so weit auspowern, um den Kopf frei zu bekommen. Doch es hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Eldrid wusste, dass sie keinerlei Anrecht darauf hatte, doch hätte sie sich gewünscht, dass Loki zurückkehrt und sie sich persönlich davon überzeugen konnte, dass es ihm gut ging. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie ihm mittlerweile so egal war. Verdammt, sie hatten etliche Jahre zusammen verbracht. Waren verlobt. Wollten sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Was war geschehen, dass ihm das nun so egal war? Ja, sie hatte ihn von sich gestoßen, aber das gab ihm doch nun nicht das Recht, alles mit Füßen zu treten, was sie einmal hatten.

Vorsichtig legte sie das Buch beiseite und stand auf. Ohne genau darüber nachzudenken, wohin sie jetzt eigentlich ging, verließ sie den Innenhof und fand sich schließlich in ihrem Zimmer wieder. Sie steuerte das kleine Bücherregal an der Seite an und zog ein kleines, altes Buch hervor. Ihre Finger blätterten eilig durch die Seiten, bis sie schließlich fand, was sie unbewusst gesucht hatte.

Es war ein kleiner Brief, das Blatt schon ziemlich abgegriffen, aber die Zeilen darauf konnte man noch so gut erkennen, wie an dem Tag, als er geschrieben wurde. Zwar hatte sie noch unzählige andere Briefe in einer kleinen Kiste, aber dies hier war ihr kleiner geheimer Schatz, etwas, von dem sonst kaum jemand wusste. Eldrid begann zu zittern, als sie das Buch wieder an seinen Platz stellte und den Zettel vorsichtig auffaltete. Sie bemerkte kaum, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, während sie die ersten Zeilen las, als würde sie es zum ersten Mal tun. All die Erinnerungen....

Damals...

Drei ganze Tage vergingen seit dem Abend des Balls, in denen Eldrid nichts von dem Unbekannten gehört hatte. Nicht einmal das Getuschel der Dienerschaft war sonderlich aufschlussreich. Und diese wussten normalerweise immer über alles Bescheid. Auch wenn die junge Frau versuchte sich abzulenken, so ertappte sie sich dennoch immer wieder dabei, wie sie an ihn dachte. Gerade spazierte sie durch den recht weitläufigen Garten des Anwesens, als sie bemerkte, wie eine der Dienerinnen auf sie zu geeilt kam.

"Lady Eldrid!", rief sie und wirkte völlig außer Atem. "Lady Eldrid!"

Die Angesprochene runzelte die Stirn und wartete geduldig, bis die andere Frau bei ihr ankam. "Was ist denn?", fragte sie sogleich, ein wenig genervt davon, dass man sie nun in ihrer Ruhe gestört hatte.

Liebe ist ein Dolch *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt