Kapitel 45

132 10 0
                                    

Plymouth


Eldrid lag bäuchlings neben ihrem Bett auf dem Boden und starrte die halbleere Flasche an, die vor ihr stand. Sie war betrunken, definitiv, dachte sie und musste beinahe kichern. Um genau zu sein, hatte sie mehr getrunken, als sie eigentlich wollte und als gut für sie gewesen wäre. Alkohol aus Asgard war nicht nur ein bisschen stärker, als der, den es hier zu kaufen gab.

Mit einem leisen Stöhnen rollte sie sich auf den Rücken und dachte einen Moment daran, noch einen Schluck zu nehmen. Doch vermutlich wäre das wirklich zu viel des guten. Um nicht in Versuchung zu kommen, rappelte sie sich umständlich auf, wobei sie mit dem Kopf gegen ihren Beistelltisch knallte. Mit einem leisen „Aua" auf den Lippen stellte sie sich schließlich so gerade hin, wie es in ihrer Verfassung möglich war. Nachdem sie sich den Kopf ausgiebig gerieben hatte, schnappte sie sich die halbleere Flasche und das unbenutzte Glas.

Wo verdammt sind eigentlich die Socken schon wieder hin?, fragte sie sich und tapste mit nackten Füßen zur Tür. Welche nicht auf ging. Stirnrunzelnd drehte sie den Schlüssel im Schloss herum und öffnete sie dann nun doch noch. Eldrid schwankte mehr, als dass sie ging und durchquerte den Wohnbereich. Es war stockdunkel, doch noch störte sie das nicht. Erst als sie die Flasche sicher auf die Arbeitsfläche der Küche stellte, ihr aber das Glas herunterfiel, fluchte sie laut.

„Alles okay?"

Die unerwartete Männerstimme ließ sie erschrocken aufschreien und sie machte einen Satz zur Seite. Leider in die falsche Richtung, was dafür sorgte, dass sie mit einem Fuß in Glasscherben trat. Sie keuchte auf, als der Schmerz ihr Bein durchzuckte. Zum Glück wurden diese durch den Alkohol ein wenig gedämpft.

Das Licht sprang an und sie erkannte, dass Loki mithilfe von Magie den Schalter betätigt hatte. Verdammt, wie konnte sie nur vergessen, dass er da war? Nun, zumindest war damit die Frage geklärt, ob er wie Thor damals seine Kräfte verloren hatte. Stirnrunzelnd sah er sie an, bemerkte dann jedoch schnell, was passiert ist.

„Beweg dich nicht", sagte er überflüssigerweise und kam zu ihr herüber.

Mit einer kaum merklichen Handbewegung ließ er die Scherben verschwinden. Eldrid wollte gerade einen Schritt zurücktreten, denn er kam ihr immer näher, da bemerkte sie, dass die Splitter in ihrem Fuß immer noch da waren.

„Au", murmelte sie und presste dann die Lippen zusammen, um nicht noch mehr von sich zu gehen.

„Hast du dich verletzt?", wollte er wissen und sah sie von oben bis unten an, bevor sein Blick auf ihrem Fuß ruhen blieb.

„Es ist nichts", erwiderte sie und wollte sich an ihm vorbei drängeln, denn mittlerweile stand er direkt vor ihr.

Doch er sah sie nur an und bewegte sich keinen Zentimeter weg von ihr. Noch bevor sie reagieren konnte, leckte er sich flüchtig über die Lippen und packte sie schließlich mit beiden Händen an der Hüfte. Ihre Augen wurden groß, als er sie hoch hob und auf die Arbeitsplatte setzte. Nicht, dass er sowas nicht schon früher gemacht hatte. Oder vielleicht gerade deswegen. Ein kleines Stück Vertrautheit in dieser ungewöhnlichen Situation.

Eldrid schluckte und sah ihm dabei zu, wie er sie widerwillig los ließ und sich schließlich vor ihr in die Hocke begab. Loki sah sie von unten an und dieser Blick bereitete ihr eine Gänsehaut, die sie ignorieren wollte. Doch ihr alkoholgetränktes Hirn verwandelte diese Information anscheinend anders, als sie wollte. Von ihrem Herzen ganz zu schweigen.

Da sie nicht reagierte und auch keine Widerworte äußerte, nahm er vorsichtig ihren Fuß in die Hand. Sie konnte die vertrauten Schwielen spüren und auch die angenehme Wärme, die seine Haut auf der ihren hinterließ. Vorsichtig drehte er ihren Fuß soweit, dass er die Unterseite betrachten konnte. Sanft fuhren seine Finger über ihre Haut, ließen Glas und Kratzer verschwinden. So sanft, dass sie ein wohliges Schaudern unterdrücken musste. Doch ihr Mund war da anscheinend anderer Meinung und ihr drang ein leises Stöhnen über die Lippen.

Loki blickte immer noch auf ihren Fuß, doch er konnte sein Lächeln nicht verstecken, auch wenn er sich die größte Mühe gab. Sein Blick huschte zu ihr und wieder fuhr er mit der Zunge über seine Lippen. Sie bemerkte auch dies und schluckte, als sie mit den Augen genau an der Stelle hängen blieb. Sie konnte sie noch gut daran erinnern, wie es war... Eldrid schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben und ihr wurde schwindelig.

„Schön langsam", raunte Loki und sprang auf, als sie sich von der Arbeitsfläche gleiten ließ.

Sie stand ihm jetzt genau gegenüber und sah zu ihm hoch. Wenn sie ehrlich war, hatte sie es vermisst, ihn anzusehen, auch wenn sie sich wünschen würde, er wäre in Asgard geblieben. Was wollte er auch hier? Dachte er wirklich, dass sie ihm einfach verzeihen könnte und zurück in seine Arme fiel? Nicht, dass sie es nicht zu gerne tun würde.

Auch ihm ging anscheinend einiges durch den Kopf. Doch anstatt sich zurück zu ziehen und ihr den Freiraum zu geben, den sie brauchen könnte, bewegte er sich keinen Zentimeter. Stattdessen hob er sogar seinen Arm und wickelte sich eine ihrer Haarsträhnen um den Finger.

„Du hast sie abgeschnitten", murmelte er und sprach damit eigentlich nur das offensichtliche aus.

Insgeheim fragte sie sich, ob es ihm gefiel oder ob er sich wünschte, sie hätte es nicht getan. Doch anstatt noch etwas dazu zu sagen, ließ er ihr Haar los und strich mit seinen Fingern sacht über die Haut ihrer Wange, ehe er seine ganze Hand an ihr Gesicht legte. Eldrid konnte nicht anders, als sich seiner Bewegung entgegen zu lehnen. Doch sie besann sich, auch wenn es ihr unendlich schwer fiel.

„Du solltest das nicht tun", meinte die Brünette, doch ihre Stimme klang schwach. Sie wollte einen Schritt zurücktreten, doch stieß mit dem Rücken wieder nur gegen die Arbeitsfläche.

„Ich weiß", erwiderte Loki, seine Stimme kaum mehr als sein Hauch, während er eine Hand sinken ließ. „Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Wie kann ich dir nur beweisen, dass ich es ernst meine?"

„Gar nicht", entgegnete sie ihm sogleich. Doch die Wahrheit war, dass sie selbst nicht den leisesten Schimmer hatte, wie er sie überzeugen könnte. Mit diesen Worten drängelte sie sich an ihm vorbei und eilte zurück in ihr Schlafzimmer.



Als Eldrid aufwachte, war von Loki keine Spur. Weder fand sie ihn in ihrer Wohnung, noch tauchte er später irgendwann auf. Seufzend blickte sie nach draußen und sah dem Regen dabei zu, wie er sanft gegen die Scheibe prasselte. Sie saß auf der Küchenzeile direkt am Fenster, die Schulter gegen den Rahmen gelehnt und in den Händen eine heiße Tasse Kaffee. Ein Bein hatte sie angewinkelt an den Körper gezogen, dass andere hing über die Kante der Arbeitsfläche nach unten.

Sie dachte an den vergangenen Abend und daran, dass es so einfach gewesen war, in seiner Gegenwart zu sein. Dass es sich zu gut angefühlt hatte. Laut seufzte sie und nippte an ihrer Tasse. Zu gerne würde sie einfach nachgeben und sich in ihm verlieren. Sie wusste, dass sie es konnte. Hatte es schon einmal getan. Und es waren die besten Jahre ihres langen Lebens gewesen. Doch was wäre nun der Preis, wenn sie es zulassen würde? Ihr Herz hatte sie bereits verloren und auch wenn sie geglaubt hatte, dass sie über ihn hinweg kommen würde, so war dies nur eine jämmerliche Lüge an sich selbst.

Natürlich wusste sie auch, wie ihre Freunde und auch ihre Familie mittlerweile über Loki dachten. Bei den meisten war sie sich ziemlich sicher, dass sie es akzeptieren würden, wenn sie dem ganzen wieder eine Chance geben würde. Bei ihrer Mutter war sie sich da schon nicht mehr ganz so sicher, doch ehrlich gesagt war ihr das nach allem was war auch herzlich egal.

Eldrid schloss die Augen und lehnte ihren Kopf gegen den kalten Fensterrahmen. Was machte sie sich darüber überhaupt Gedanken? Noch was es nicht so und so ganz sicher, ob sie es überhaupt wirklich soweit kommen lassen wollte, war sie sich auch nicht.

Plötzlich klingelte es an der Tür und sie öffnete Stirnrunzelnd die Augen. Wer konnte das jetzt nur sein? Für die Post war es noch ein wenig früh und sie erwartete eigentlich keinen Besuch. Dennoch stellte sie ihre Tasse ab und hüpfte von der Küchenzeile.

Sie hatte dir Tür noch nicht erreicht, da ertönte ein lautes Klopfen durch den Raum, gefolgt von einer vertrauen, weiblichen Stimme. „Ich weiß, dass du da bist, El. Machst du auf oder muss ich die Tür eintreten?"

Liebe ist ein Dolch *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt