Kapitel 41

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Plymouth


Am späten Nachmittag erwachte Eldrid mit dem Gesicht im Buch. Vorsichtig hob sie ihren Kopf und suchte nach ihrem Telefon, um nach der Uhrzeit zu schauen. Sie fand es nicht. Da fiel ihr wieder ein, dass sie es im Wohnzimmer liegen gelassen hatte.

Gequält rappelte sie sich auf und kullerte schon beinahe aus dem Bett. Sie fühlte sich jetzt schwach, was jedoch auch an der Zeitumstellung liegen konnte. Mit nackten Füßen tapste sie übers Laminat und rieb sich sie Augen. Gähnend zog sie die Schlafzimmertür auf, die sie vorhin nur leicht angelehnt hatte. Sie streckte sich ausgiebig, während sie durchs Wohnzimmer lief. Die Sonne schien bald unter zu gehen, bemerkte sie nach einem Blick aus dem Fenster. Da fiel ihr auf, dass sie vergessen hatte, eben dieses zu schließen. Sie rieb sich über die fröstelnden Arme, als würde ihr die kalte Luft in diesem Moment erst bewusst werden. Leise vor sich hin brummelnd, lief sie darauf zu und schloss es mir einem lauten Knall. Noch einmal drückte sie ein wenig dagegen, denn dieses verdammte Ding ließ sich immer ziemlich schlecht schließen.

Eldrid blickte zur Kaffeekanne, die immer noch halbvoll war. Seufzend nahm sie sie und kippte die mittlerweile kalte Flüssigkeit in den Abfluss der Spüle. Kurz spülte sie den Glasbehälter aus, ehe sie die Kanne einfach im Becken stehen ließ. Sie hatte keinerlei Motivation, sich jetzt eine frische Ladung zu kochen. Also schnappte sie sich ihr Telefon und ein paar andere Dinge aus ihrem Rucksack und stopfte diese in eine kleine Handtasche. Sie zog sich rasch ein paar frische Sachen an und griff nach ihrer Jacke, die an einem sehr wackligen Kleiderständer neben der Tür hing.

Wahrscheinlich hätte sie sich etwas anderes anziehen sollen, als ein dünnes Wollkleid und eine Strumpfhose, dachte sie sich, als ein eisiger Wind sie erfasste, kaum dass sie aus dem schützenden Haus trat. Rasch zog sie sich ihren dünnen Mantel über, der jedoch auch nicht wirklich etwas an der Situation verbesserte. Vermutlich sollte sie das als Anlass sehen, bald geeignetere Kleidung zu beschaffen. Sie freute sich bereits auf den Winter, der sich allmählich anzukündigen schien, auch wenn es erst Oktober war.

Frierend, aber dennoch mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, winkte sie ein vorbeifahrendes Taxi heran und ließ sich ins Stadtgebiet West Hoe fahren. Zwar könnte sie auch mit einem der öffentlichen Verkehrsmittel fahren, jedoch hatte sie nach ihrer langen Reise von London hier her erst einmal genug von Bussen.


Endlich angekommen, begab sie sich zügig in ihr Lieblingscafé.

Die Eingangstür kündigte sie wie immer mit einem kleinen Glöckchen an. Die Bedienung blickte von ihrem Platz hinter den Tresen auf und sah sie freudestrahlend an.

„Ich dachte schon, ich sehe dich gar nicht mehr wieder", scherzte sie und schenkte ihr ein ehrliches Lächeln.

„Ich war ein paar Tage nicht im Land", entgegnete Eldrid und musste sich eingestehen, dass die Worte der Angestellten sie erfreuten. Sie hätte nicht gedacht, dass ihre Abwesenheit überhaupt bemerkt werden würde.

"Waffeln habe ich leider keine mehr, aber wenn du möchtest, kann ich dir trotzdem einen Kaffee machen?", fragte die blonde Frau Mitte vierzig.

Eldrid nickte und setzte sich an ihrem Stammtisch am Ende des Cafés. Während sie sich in dem recht kleinen Raum umsah, bemerkte sie, dass sie momentan der einzige Gast war. Ein kurzer Blick auf das Display ihres Handys bestätigte den Verdacht, der nun in ihr aufkam.

„Tut mir leid, ich habe nicht bemerkt, dass ihr gleich schließt", entschuldigte sie sich bei der Bedienung, die ihr gerade die bestellte Tasse brachte.

„Schon in Ordnung, ich muss sowieso noch die Abrechnung machen. Trink du in Ruhe deinen Kaffee."

Dankbar nickte sie und griff nach ihrer Bestellung. Die heiße Tasse wärmte ihre Finger und entlockten ihr ein zufriedenes Seufzen. Sie blickte aus dem Fenster und beobachtete die wenigen Passanten, die vermutlich gerade auf dem Heimweg waren. Sie schloss die Augen und nippte hin und wieder an ihrem Getränk.

„Wie bekommst du das eigentlich runter?"

Erschrocken riss sie die Augen auf und hätte um ein Haar ihre Tasse fallen lassen, doch sie konnte es gerade noch verhindern. Überrumpelt sah sie in Lokis Augen, der auf dem Stuhl Platz genommen hatte, der sich ihr gegenüber befand. Und das, ohne dass sie es mitbekommen hatte. Sicherheitshalber stellte sie den Kaffee auf den Tisch, dabei ließ sie ihn jedoch nicht aus den Augen.

„Ich weiß nicht, was du meinst", knurrte sie. Ihre Hand verkrampfte um den Henkel der Tasse und Eldrid wandte schließlich den Blick vom Gott des Schabernacks ab.

„Der Kaffee. Ich habe es schon ein paar Mal probiert, kann dem aber nichts abgewinnen." Versuchte er sich gerade wirklich mit ihr zu unterhalten, als wäre nichts gewesen?

Eldrid presste die Lippen aufeinander und überlegte, ob sie ihn einfach ignorieren sollte. Doch wie sie wusste, würde das bei ihm nicht allzu viel bringen. „Geh", sagte sie stattdessen, den Blick immer noch auf das Objekt in ihren Händen gerichtet.

„Nein."

Fassungslos sah sie ihn an. Das konnte wirklich nicht sein Ernst sein. „Was zum Teufel willst du hier?", fauchte sie ihn leise an. Ihr Blick glitt zur Bedienung, die scheinbar unbeirrt hinter den Tresen an ihrer Abrechnung arbeitete.

„Du weißt, warum ich hier bin", sprach er nun ebenso leise, während er seine Arme auf den Tisch lehnte und sich zu ihr beugte. „Ich habe dir gesagt, dass ich dich finden werde."

„Ich weiß verdammt gut, was du gesagt hast", knurrte sie vermutlich eine Spur zu laut, denn der Blick der älteren Frau richtete sich für den Bruchteil eines Augenblicks interessiert auf sie. Jedoch wandte sie ihre Aufmerksamkeit schnell wieder auf die Arbeitsfläche vor sich. „Du hast aber auch gesagt, dass ich nicht zurückblicken soll", murmelte sie leise, dennoch hörte er es.

Loki streckte die Hand nach der ihren aus. Doch sie zog sie so schnell zurück, als würde sie sich verbrennen, wenn sie ihn nur berühren würde. Ein leises Seufzen drang über seine Lippen und er sah niedergeschlagen aus. Doch schien es nur ein Bruchteil von dem zu sein, wie sie sich gefühlt hatte, nachdem er sie wegschickte.

„Ich weiß, du vertraust mir nicht mehr", hauchte er, während seine grünen Augen ihre braunen aufsuchten. „Doch gib mir die Chance, dir zu beweisen, dass es alles anders ist, als du denkst. Lass mich dir zeigen, dass ich alles in bester Absicht getan hatte."

Freundlos lachte sie auf und schüttelte heftig mit dem Kopf. „So ist es immer, nicht wahr? Man tut seinem Umfeld die schrecklichsten Dinge an, bricht Herzen und zerstört Vertrauen. Und am Ende behauptet man, dass es alles einen tieferen Sinn hatte. Dass alles Leid, das man angerichtet hat, einen noblen Zweck diente." Eldrid rieb sich mit den Fingern über die Augen, wischte die Tränen weg, die sich dort zu sammeln begonnen hatten.

Bevor Loki darauf etwas erwidern konnte, trank Eldrid ihren Kaffee in einem Zug aus. Sie ignorierte dabei, dass sie sich beinahe die Zunge an dem heißen Getränk verbrannte. Eilig stand sie auf und fischte einige Geldstücke aus ihrer Manteltasche.

„Danke für den Kaffee", rief sie der Bedienung zu, als sie ihre Handtasche griff und dabei war, dass Café zu verlassen.

Loki saß derweilen immer noch auf seinem Stuhl. Er schien nicht ganz zu wissen, was er auf Eldrids Worte erwidern sollte. Doch was hatte er erwartet? Dass sie sich ihm freudestrahlend in die Arme warf, nach allem was geschehen war? Darauf konnte er lange warten, dachte sich die Brünette und zog die Tür des kleinen Ladens auf.

Wenn sie ehrlich war, war sie sich nicht einmal sicher, ob sie sich selbst trauen konnte, wenn sie in seiner Nähe war. Eldrid konnte nicht es leugnen, die Versuchung war definitiv da, ihm einfach alles zu verzeihen. Doch sie war viel zu verletzt gewesen. Hatte viel zu lange versucht, über ihn hinweg zu kommen. Das würde sie definitiv nicht einfach aufgeben. Sie war es sich selbst schuldig, jetzt standhaft zu bleiben.

Liebe ist ein Dolch *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt