Kapitel 23

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Svartalfheim


Das Schiff geriet ins Schaukeln, als sie in die Welt der Dunkelelfen kamen. Loki brachte es mit einer kurzen Handbewegung am Ruder mit Leichtigkeit wieder ins Gleichgewicht. Was würde er dafür geben, jetzt ein anderes Ziel ansteuern zu können. Seufzend setzte er sich an den Rand des fliegenden Schiffes, während er die Geschwindigkeit herunter nahm. Langsam führten sie ihren Weg fort. Mit wachsamen Augen beobachteten die Prinzen ihre Umgebung. In dem Trümmerfeld, dass sich unter ihnen erstreckte, konnte man kaum noch die Häuser erkennen. Dafür aber die auffälligen, überdimensionalen Raumschiffe, deren Wracks überall verteilt waren. Alt und zerfallen. Ein Mahnmal dessen, was hier geschehen war. Es war ein Anblick absoluter Zerstörung.

Thor, der immer noch neben Jane hockte, nahm eine dünne Decke zur Hand und legte sie über seine Freundin. Es war zwar nicht viel, aber es würde sie wenigstens ein bisschen warm halten, während sie schlief. Die Kälte, die auf diesem Planeten herrschte, ging selbst ihm bis auf die Knochen. Es war eine andere Kälte, als die auf Jotunheim, vermutlich ausgelöst von dem fehlenden Sonnenlicht, dass man hier schon seit Jahrtausenden vergeblich suchte.

Loki betrachtete das Paar und spürte ein Stechen an der Stelle, an der vermutlich sein Herz saß. Oder das, was davon noch übrig war. Er versuchte nicht daran zu denken, gestattete es sich nicht. Er hatte einen Plan, ein Ziel, und das musste er mit allen Mitteln erreichen.

Mit leicht schräg gelegtem Kopf betrachtete er die brünette Menschenfrau. Er kannte sie nicht und legte auch nicht sonderlich viel Wert darauf, etwas daran zu ändern. Doch er kam nicht drumherum, so etwas wie ein Fünkchen Respekt für sie zu empfinden. Immerhin war sie eine der wenigen Menschenfrauen, die nicht vor ihm zurückgeschreckt war, als er ihr gegenüber stand. Sie hatte keine Angst gehabt, obwohl sie vermutlich nur zu genau wusste, was er war, was er getan hatte. In einer anderen Zeit und mit einer deutlich höheren Lebenserwartung, wäre sie vermutlich gut für Thor gewesen. Wahrscheinlich wäre sie der Aufgabe auch gewachsen gewesen, eines Tages an dessen Seite zu sitzen.

Kaum merklich schüttelte Loki den Kopf. Es brachte absolut nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Denn all dieses „Was-wäre-wenn" führte zu keinerlei Ergebnis. Wahrscheinlich sollte er das dem Donnergott ebenfalls begreiflich machen. Auch wenn dieser es nicht hören wollte.

Thor strich Jane sanft eine dunkle Strähne aus dem Gesicht. Schwach leuchtete der Äther unter ihrer Haut. Welch eine Macht doch in ihr steckte. Eine Macht, die nur darauf wartete, eingesetzt zu werden, dachte Loki. Was man damit alles tun könnte. Es war eine Schande, dass der Blonde vor hatte, dieses Geschenk zu zerstören. Doch so gesehen war es die einzige Möglichkeit, die Dunkelelfen aufzuhalten und Rache für das zu üben, was sie der Königin angetan hatten.

„Wozu wäre ich nur imstande, hätte ich die Macht, die durch diese Adern fließt", murmelte Loki ein wenig zu laut, ein leichtes Grinsen auf den Lippen. So, wie er es immer hatte, wenn er einen Plan verfolgte.

„Sie würde dich auffressen." Sein ehemaliger Bruder erhob sich kurz und setzte sich schließlich an den Rand des kleinen Bootes.

„Sie hält sich gut. Vorerst."

„Sie hat eine Kraft, die du nie verstehen wirst", erwiderte Thor und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Herz wollte ihm brechen, als er darüber nachdachte, in welcher Gefahr Jane schwebte. Jane, die Frau, die er so sehr liebte, dass er ohne zu zögern sofort mit ihr tauschen würde, nur um ihr den Schmerz zu nehmen.

„Du solltest Abschied nehmen", raunte er und seine Stimme triefte nur so vor Spott. Er konnte es einfach nicht lassen. Seinen ehemaligen Bruder so verzweifelt zu sehen, befriedigte ihn auch ein kleines Bisschen. Vermutlich, weil er wollte, dass Thor auch nur einen kleinen Teil des Schmerzes spürte, den er selbst empfunden hatte. Immer noch empfand.

„Nicht heute." Thor blickte zu Jane. Sie war mittlerweile vollkommen weggetreten. Am liebsten wäre er aufgesprungen, um nachzusehen, ob sie überhaupt noch lebte. Doch er hielt sich zurück. Sein Blick glitt hinüber zu den Trümmern der Raumschiffe, an denen sie gerade vorbeiflogen.

„Heute, morgen oder in hundert Jahren. Ganz egal. Ein Wimpernschlag." Loki stand auf und ging einen Schritt auf den Blonden zu. Seine Hände steckten immer noch in den Fesseln, die anfingen, wirklich unangenehm an seinen Gelenken zu reiben. Wie sehr er es doch hasste. „Du wirst nie dafür bereit sein." Seine Stimme hatte etwas trauriges angenommen, noch ehe er es verhindern konnte. Er wusste nur zu gut, von was er sprach, auch wenn seine Situation eine andere war, der Schmerz war nahezu derselbe. „Die einzige Frau, die du je geliebt hast, wird man dir entreißen."

„Bist du dann zufrieden? Wenn es mir ergeht wie dir?"

„Ich war noch nie zufrieden."

„Und ich gebe nie auf." Im Gegensatz zu dir, dachte der Donnergott, sprach es aber nicht aus. Er würde sich nicht dazu herablassen. Ja, was den Schmerz einer Trennung angeht, konnte Loki vermutlich nachempfinden, wie es ihn ging. Doch im Gegensatz zu ihm, war Thor noch nicht soweit, auch nur darüber nachzudenken. Sein Bruder hatte es selbst so gewollt. Er jedoch nicht. Solange er atmete, würde er nichts unversucht lassen, um Jane in seinem Leben lassen zu können.

Loki schaute ihn spöttisch an und lachte schließlich. „Was das angeht solltest du mir vertrauen."

„Vertrauen?" Thor stand auf. Jegliche Vorsätze, die er eben noch gefasst hatte, sich nicht auf dieses Thema einzulassen, waren wie fortgeblasen. „Denkst du, Eldrid hat dir vertraut, als du ihr Herz gebrochen hast?"

Loki schluckte. Damit hatte er nicht gerechnet. Diese Worte verursachten einen Riss in seiner spöttischen Fassade. Wut kam in ihm auf. Wie viel wusste Thor? Was hatte sie ihm gesagt? Auch wenn der Blonde und Eldrid schon in der Vergangenheit viel Zeit miteinander verbracht hatten, immerhin hatten sie zusammen im Palast gelebt, so war es wie ein Messer in seinem Herzen. Als er daran dachte, dass sie sich so nahe standen, dass sie mit Thor auch über sowas gesprochen hatte, platze es schließlich aus ihm heraus: „Ach, hat sie dir das gesagt? Hat sie sich dir anvertraut?"

„Eldrid war mir immer eine gute Freundin. Und hättest du nicht in dieser Zelle gesessen und alles dafür getan, dass sie den Glauben an dich verliert, dann wäre sie es auch noch für dich."

„Ja und wer brachte mich da rein? WER BRACHTE MICH DA REIN?" Loki brüllte, doch es war ihm egal. Sollten ihn doch alle hören. Was machte das jetzt noch aus.

Thor kam mit wenigen Schritten auf ihn zu und packte ihn bei den Schultern. Er schüttelte den anderen Gott durch, als er sprach: „Du weißt sehr gut, wer dich da hinein brachte." Er hielt inne. Als er in Lokis Augen sah, erkannte er darin nichts als Schmerz. Schmerz und Verlangen nach einer Person, die er so weit von sich gestoßen hatte, dass es nun kein Zurück mehr gab. „Sie würde nicht wollen, dass wir streiten."

„Aber es würde sie auch nicht überraschen." Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie oft die junge Asin einen Streit zwischen ihnen schlichten musste. Die Erinnerung daran ließ ihn schmunzeln, auch wenn ihm gerade eher zum Weinen zumute war. Wie sehr wünschte er sich diese Zeit zurück. Doch das war nicht möglich. Es gab keinen Zauber, der die Zeit zurückdrehen konnte.

„Ich wünschte, ich könnte dir vertrauen", murmelte Thor und ließ von ihm ab.

„Vertraue auf meinen Zorn."

Liebe ist ein Dolch *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt