Kapitel 27

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New York


Ruckartig kam sie auf einer recht weichen Oberfläche zum Stehen und musste sich Mühe geben, das Gleichgewicht zu halten. Dunkelheit umgab sie und es war klar, dass die Nacht bereits den Tag verdrängt hatte. Ebenso, wie ihr bewusst war, dass sie hier nicht auf Alfheim oder Vanaheim war. Nein, sie befand sich allem Anschein nach mitten im Bryant Park, unweit des Stark Towers. Dankbar schloss sie die Augen und war mehr als froh über Heimdalls Entscheidung. Auch wenn ihr nun bewusst wurde, dass Loki ihr hierher wohl nicht folgen würde. Eldrid zwang sich, diesen Gedanken zu verdrängen und musste einfach dafür beten, dass er einen Weg finden würde.

Entschlossen straffte sie ihre Schultern und machte sich auf den Weg in die Richtung, in der sie das Hauptquartier der Avengers vermutete. Hoffentlich würde man ihr dort erst einmal Unterschlupf gewähren, nachdem sie einfach spurlos in London verschwand.

Der Tower, der nun Avengers Tower hieß, erstreckte sich vor ihr beinahe königlich in den dunklen Nachthimmel. Eldrid schluckte, als sie nach oben sah und sich fragte, was passiert, wenn Stark sie abweisen würde. Ein letztes Mal holte sie tief Luft, ehe sie all ihren Mut zusammen nahm und durch die Eingangstür trat, die sich ohne Zögern vor ihr öffnete.

"Guten Abend, Miss Eldrid. Schön, Sie hier wiederzusehen." Jarvis elektronische Stimme ertönte im Eingangsbereich des Towers und ließ sie zusammenzucken. Sie hatte schon gar nicht mehr an die KI gedacht, dennoch war es schön, eine bekannte Stimme zu hören. "Soll ich Mr. Stark über Ihre Ankunft informieren?"

Der Gedanke, dass es vielleicht schon ein wenig spät für ihren Besuch war, schlich sich ihr in den Kopf. Womöglich hätte sie bis zum nächsten Morgen warten sollen. Doch da sie keinen Ort hatte, an den sie sonst hätte hingehen können, verwarf sie den Gedanken wieder.

"Ja bitte, Jarvis."

Für einen kleinen Augenblick schloss Eldrid die Augen, während sie darauf wartete, dass der Aufzug sie zu ihrem Ziel brachte. Ein Teil in ihr war froh, wieder zurück zu sein. Auch wenn in einem anderen Teil alles danach schrie, sich von Heimdall wieder zurückholen zu lassen, um bei Loki zu sein. Sie machte sich Sorgen um ihn, das konnte sie nicht abstreiten. Jede Faser ihres Seins drehte sich um die Frage, was nun mit ihm passieren würde. Was, wenn Odin wieder zurück war, noch bevor der schwarzhaarige Gott Asgard verlassen konnte? Was, wenn man ihn wieder in den Kerker steckte und sie saß hier und konnte absolut nichts tun? Nicht, dass sie sonderlich viel Einfluss darauf haben könnte, wenn sie geblieben wäre. Aber immerhin würde die Ungewissheit sie nicht so quälen, wie sie es jetzt gerade tat. Sie konnte nur darauf hoffen, dass er sein Wort hielt und sie finden würde.

Die metallischen Türen glitten auf und Eldrid öffnete die Augen. Das Erste, was sie sah, war der menschenleere Wohnbereich des Towers, in dem nun die Deckenbeleuchtung anging. Stirnrunzelnd trat sie aus dem Aufzug und sah sich nach Tony um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Langsam lief sie zum Sitzbereich hinüber und fragte sich einen Moment lang, ob es nicht vielleicht doch zu spät für ihren Besuch war. Sicherlich würden die Avengers sich bereits für die Nacht zurückgezogen haben. Die junge Asin ließ sich auf einen der breiten Sessel nieder, als sie unwillkürlich durch Jarvis' plötzlich ertönende Stimme zusammen zuckte.

"Ich habe Mr. Stark informiert. Er wird Sie gleich kontaktieren."

Eldrid runzelte die Stirn aufgrund dieser Formulierung. Gleich kontaktieren? Das war nun wirklich eine merkwürdige Ausdrucksweise. Was sollte das denn bedeuten? Noch bevor sie sich weitere Gedanken dazu machen konnte, ertönte ein leises, kaum hörbares Summen zu ihrer Linken. Irritiert sah sie zu den elektronischen Arbeitsbereich herüber, an dem sie vor ein paar Tagen noch Loki über einen Bildschirm beobachtet hatte. Zögerlich stand sie auf und machte vorsichtig ein paar Schritte in die Richtung. Kurz bevor sie die Stelle erreichte, aus der das Summen erklang, flackerten plötzlich einige Lichter in der Luft. Erschrocken wich sie zurück und sah schließlich dabei zu, wie diese Lichter eine Gestalt formten. Mit großen Augen erkannte sie, dass es Tony war, der da vor ihr erschien. Und doch war er es nicht. Zumindest nicht in seiner physischen Form. Es war eine detailgetreue Abbildung des Millionärs, erschaffen durch eine Art leuchtendes Gitter.

"Na sieh mal an, was die Katze da herein geschleppt hat", ertönte die Stimme des ehemaligen Playboys, als sich das Bildnis vollständig aufgebaut hatte.

Verwundert sah sie sich im Raum um und versuchte das Tier zu entdecken, von dem der Dunkelhaarige sprach, konnte jedoch nichts finden. Tony kommentierte dies lediglich mit einem Augenrollen, als sie ihm wieder ihre volle Aufmerksamkeit zuwandte.

"Ich dachte, du wärst hier", erwiderte sie nur und betrachtete die Abbildung des Mannes genauer. Wieder einmal war sie fasziniert von Midgards Technik. "Ich hoffe, ich störe dich im Moment nicht."

"Nicht mehr als sonst." Jeder andere wäre von der Aussage vielleicht beleidigt gewesen, doch Eldrid erkannte die Belustigung in seinem Blick und quittierte es mit einem kleinen Lächeln. "Was kann ich für dich tun, Prinzessin?"

Die Brünette atmete tief durch, bevor sie ihm auf seine Frage antwortete. Schon wieder dieser Name. Sie schloss für einen Moment die Augen und überlegte, ob sie nicht vielleicht irgendwo anders hingehen konnte. Doch vermutlich gab es vorerst keine andere Möglichkeit. "Ich wollte dich fragen, ob es vielleicht okay ist, wenn ich ein paar Tage bleibe."

Stirnrunzelnd sah Tony sie an. Vermutlich fragte er sich gerade, warum sie wirklich wieder hier ist. "Du weißt ja hoffentlich noch, wo dein Zimmer ist?"

Eldrid nickte, noch bevor ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde. Dein Zimmer. Etwas in ihrem Inneren erwärmte sich. Gerade, als sie sich bedanken wollte, ergriff Tony wieder das Wort. "Wo bist du gewesen? Ohne ein Wort? Happy war ganz schön fertig, als er ohne dich zurückkommen musste."

Für einen Sekundenbruchteil war sie verwirrt von der Frage, bis ihr schließlich die Erkenntnis kam. "Es gab einige unvorhergesehene Komplikationen und ich musste zurück nach Asgard."

"Und jetzt bist du wieder da." Es war keine Frage, als der Schwarzhaarige die Worte murmelte und währenddessen eine Augenbraue nach oben zog. Dennoch nickte Eldrid stumm und ging sonst nicht weiter darauf ein. Wie sollte sie ihm auch erklären, was passiert war, wenn sie es doch selbst kaum verarbeitet hatte? Abgesehen davon würden ihn die Hintergründe dazu sicherlich eh nicht interessieren, besonders wenn Loki ein Teil davon war. Vermutlich war es auch besser, wenn sie ihm nicht unbedingt dessen Befreiung auf die Nase band, wenn man bedachte, was Loki in New York angerichtet hatte.

Knapp verabschiedete sie sich von ihrem Gastgeber und sah dabei zu, wie sein Bildnis sich wieder auflöste. Der nächste tiefe Atemzug war wie eine Befreiung. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie angespannt sie während des kurzen Gesprächs war. Keine Ahnung, was sie getan hätte, wenn Tony sie zurückgewiesen hätte.

In den Tiefen ihrer Gedanken versunken machte sie sich auf den Weg zum Aufzug. Auch wenn sie es nicht wollte, so musste sie sich dennoch fragen, was passieren würde, wenn Loki nicht zu ihr kam. Was würde sie dann tun? Nach Asgard zurückkehren war vorerst wohl keine sonderlich kluge Idee und wenn Heimdall ihr nicht noch einmal half, dann standen auch die anderen Welten für sie nicht zur Diskussion. Ihr blieb anscheinend wirklich nichts anderes übrig, als vorerst hierzubleiben. Vielleicht konnte sie Tony um Hilfe bitten, wenn er irgendwann wieder hier war.

Eldrid trat in den Metallkasten, an den sie sich doch schon recht gut gewöhnt hatte. Ein kleiner Ruck durchfuhr ihren Körper, nachdem sich die Tür geschlossen hatte und der Aufzug sich in Bewegung setzte. Während dieser sie zu ihrer Zieletage brachte, kam ihr Natasha in den Sinn. Ob sie vielleicht auch hier war? Die junge Asin hoffte es.

Liebe ist ein Dolch *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt