Kapitel 54

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New York


„Buck", hauchte sie und sprang auf.

Zwar hatte sie kaum noch Gefühl in den Beinen, von Kraft ganz zu schweigen, doch irgendwie schaffte sie es, ihm entgegen zu rennen und erst zu stoppen, als sie bei ihm war. Bucky schloss sie in seine Arme und für einen Moment verlor sie den Boden unter ihren Füßen.

„Was machst du hier?", flüsterte sie und konnte immer noch nicht von ihm ablassen.

„Was wohl, du Komikerin", murmelte er. „Ich bin wegen dir hier."

Widerwillig löste sie sich von ihm und sah in seine blauen Augen, die sie voller Sorge betrachteten.

„Steve hat mich vor ein paar Tagen angerufen und mir alles erzählt. Als du nicht ans Telefon gegangen bist, habe ich mir Sorgen gemacht." Er stupste ihre Nase an, doch konnte sie darüber nicht einmal lächeln.

„Du bist den ganzen Weg nur wegen mir her gekommen?", fragte sie, obwohl er es ihr ja eben erst bestätigt hatte. Doch sie konnte es einfach nicht glauben. Niemals hätte sie gedacht, dass dies jemand für sie tun würde.

„Das ist schon okay." Er winkte ab. „Jetzt lass uns erstmal zusehen, dass wir dich wieder in einen halbwegs vernünftigen Zustand bekommen."

„Aber hast du nicht zu tun?", fragte sie und wischte sich die Tränen von der Wange, die sich einen Weg aus ihren Augen gebahnt hatten. „Thanos wird doch sicher..."

Bucky unterbrach sie und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Der wird warten müssen." Damit führte er sie zurück ins Hauptquartier.

„Woher hast du den Arm?", fragte sie und biss in ein Tunfisch-Käse-Sandwich, das Bucky ihr gemacht hatte. Zwar hatte sie keinen Hunger, aber ihr fehlte die Kraft mit ihm zu diskutieren.

„T'Challas Schwester hat ihn für mich angefertigt", murmelte er und drehte seine Metallhand hin und her.

„Sieht auf jeden nicht schlecht aus", murmelte sie und legte die Hälfte des Sandwichs auf den Teller zurück. Eldrid ließ sich gegen die Stuhllehne sinken und verschränkte die Arme von der Brust.

Nachdem Bucky angekommen ist, hatte er sie gezwungen zu duschen, unter der Androhung, dass sie alleine gehen kann oder, wenn sie sich sträuben sollte, er sie persönlich begleitet. Danach schleifte er sie in die Küche und machte ihr etwas zu essen, während sie zähneknirschend an einem Tee nippte. Nun saßen sie am Esstisch und Eldrid wusste nicht, was sie sagen sollte. Natürlich war sie froh ihn zu sehen, doch am liebsten wäre sie einfach in ihrem Bett geblieben.

„Willst du mir erzählen, was passiert ist?", fragte Bucky schließlich und sah sie auffordernd an.

Die Brünette schüttelte erst den Kopf, seufzte dann aber laut und begann ihm alles zu erzählen, was seit ihrem letzten Telefonat geschehen ist. „Ich weiß, es ist nicht das erste Mal, dass er für tot gehalten wird. Doch diesmal fühlt es sich einfach anders an, verstehst du? Meine Eltern sind tot, halb Asgard ausgelöscht und sogar Odin ist nicht mehr da." Eldrid seufzte und wischte sich mit der Hand über die feuchten Augen. „Und von Loki und Thor fehlt jede Spur. Es sind bereits so viele Tage vergangen. Nach allem, was Bruce uns über Thanos erzählt hat, was bleibt mir dann anderes übrig, als zu glauben, dass es keine Hoffnung mehr gibt?"

Bucky beugte sich nach vor und stützte seine Arme von der massiven Holzplatte des Tisches ab. Einige lange Haarsträhnen hingen ihm im Gesicht, als er sie eindringlich ansah. „Ich weiß, es ist nicht einfach und du hast innerhalb von kurzer Zeit mehr verloren als die meisten anderen. Doch du kannst jetzt nicht aufgeben."

Eldrid atmete tief durch bei seinen Worten, sagte aber nichts, sondern ließ ihn einfach weiter reden.

„Thanos Angriff steht uns kurz bevor und ich möchte, dass du dich für ein paar Tage noch zusammen reißt. Nur noch ein paar Tage und dann verspreche ich dir, dass wir uns darum kümmern werden und die beiden finden."

„Falls es überhaupt noch etwas zu finden gibt", hauchte Eldrid und der Gedanke trieb seine Klauen in sie hinein, wollte sie in einen tiefen Abgrund ziehen.

„Wir werden sie finden", beharrte er und stand auf.

Nach ihrem Gespräch musste Bucky los. Vision, der mittlerweile nicht mehr Jarvis hieß und anscheinend einen eigenen Körper besaß, wurde nach Wakanda gebracht, wo versucht werden sollte, den Infinitystein aus ihm heraus zu bekommen, ohne das er dabei sein künstliches Leben verliert.

Als sie allein war, hatte Eldrid einige Sachen zusammen gesucht und war einfach los gelaufen. Es war ihr völlig egal, wohin. Sie wollte nur so weit wie möglich Abstand zwischen sich und dem Hauptquartier bringen. Zwischen sich und der Stelle, an der sie Loki das letzte Mal gesehen hatte. Also lief sie, immer weiter, bis ihre Beine nicht mehr konnten. Schwer atmend sah sie sich um und konnte zu ihrer rechten immer noch das Wasser des Hudson Rivers erkennen. Doch die Stadt schien mittlerweile meilenweit hinter ihr zu liegen. Gut, dachte sie und bahnte sich einen Weg zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch, bis sie das Ufer erreichte. Sie setzte sich auf eine kleine, von Gras bewachsene Stelle und ließ ihren Blick über die zarten Wellen wandern. In Gedanken war sie bei Bucky und den Avengers, die sich jetzt sicherlich auf einen Kampf vorbereiteten. Oder schon mittendrin steckten. Zumindest einige von ihren. Tony schien ungewollt mit dem Spinnenjungen und Dr. Strange auf einem Raumschiff festzusitzen.

Die junge Asin seufzte und löste die Arme um ihre angezogenen Beine. Mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen sah sie zu ihrer Tasche, die circa einen Meter von ihr entfernt im Gras lag. Natürlich war sie nicht einfach grundlos hierhergekommen. Sie streckte sich danach und zog sie an sich heran. Vorsichtig zog sie eine handgroße Wasserlaterne in der Form einer ihr unbekannten Blume heraus. Eldrid inspizierte sie eingehend und hoffte, dass sie sie beim Transport nicht kaputt gemacht hatte. Doch anscheinend hatte sie Glück, denn die Brünette konnte nichts erkennen.

Sie zog ebenfalls ein Feuerzeug aus ihrer Tasche und noch während sie das kleine Licht inmitten der Laterne anzündete, fing sie an zu reden.

„Loki", sprach sie und atmete tief durch. „Ich weiß nicht, ob überhaupt die Chance besteht, dass du lebst. Wenn es einen Grund zur Hoffnung gibt, dass du zu mir zurückkehrst, dann kann ich ihn nicht erkennen." Eldrids Stimme zitterte und sie brauchte einen Moment, ehe sie ihre Worte fand. Dies alles schmerzte sie mehr, als sie gedacht hätte. Und ihre Erfahrung in diesem Bereich war nicht gerade niedrig.

„Ich will mich nicht von dir verabschieden müssen, jetzt, wo gerade alles perfekt schien. Doch mir scheint keine andere Wahl zu bleiben. Thanos hat bereits zwei der Infinitysteine und ist mächtiger, als alles, was wir je gekannt haben." Eldrid musste tief durch atmen. Sie hielt die Papierblüte immer noch in ihren Händen. Noch konnte sie sie nicht gehen lassen. „Du warst nie schwach, Loki. Gewiss nicht. Aber auch ein Gott kommt irgendwann an seine Grenzen", sprach sie, ihre Stimme mittlerweile nicht mehr als ein Flüstern. „Ich hoffe, dass ich eines Tages die Möglichkeit bekomme, zu erfahren, was geschehen ist."

Eldrid beugte sich ein Stück weit vor. Dann streckte sie die Hand, auf der die Laterne ruhte, zum Wasser aus. Als das kalte Nass ihre Haut berührte, zuckte sie nicht einmal zurück. „Ich glaube, Tony wäre nicht begeistert, wenn ich dafür ein Boot gekauft hätte", murmelte sie und stupste die Blüte an. „Aber ich hoffte, das tut es ebenfalls."

Sie ließ sich zurück auf ihren Po fallen und sah der Laterne hinterher, die allmählich vom Fluss mitgezogen wurde. „Hätte ich dir doch nur noch einmal sagen können, wie sehr ich dich liebe. Vielleicht bekommen..."

Liebe ist ein Dolch *Loki FF*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt