9 ◉ Wy ◉ Jägermeister vs. Rote-Beete-Smoothie

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Die Haustür fällt hinter mir zu und ich bin schon auf dem Weg zur Treppe, als ich Geräusche höre, die aus der Küche kommen. In meinen Ohren surrt es noch von den lauten, wummernden Beats, die im Club die ganze Nacht auf sie eingedroschen haben, deshalb muss ich mich konzentrieren und ganz genau hinhören.

Okay, es sind keine Geräusche. Da singt jemand. In der Küche.

Das Sternchen.

Fuck.

Ich sollte einfach in mein Zimmer gehen und schlafen, denn es ist viertel nach sechs und ich bin hundemüde. Nur schaffe ich das nicht. Irgendetwas treibt mich unwiderstehlich dazu an, mich umzudrehen und die Küche anzusteuern.

Anscheinend hat Rosas Lobeshymne mich neugieriger auf dieses Mädchen gemacht, als gut für mich ist. Und vor allem, als es gut für sie ist.

Die Tür ist nur angelehnt, was vermutlich auch der Grund dafür ist, weshalb ich überhaupt etwas gehört habe. Vorsichtig drücke ich sie auf.

Sie steht mit dem Rücken zu mir an der Arbeitsplatte und schneidet offenbar irgendetwas klein. Ihre blonden, langen Haare hat sie zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengefasst und ich kann sehen, dass schwarze In-Ear-Kopfhörer in ihren Ohren stecken.

Für einen Moment hört man nur die Hackgeräusche des Messers auf dem Schneidebrett, doch dann fängt sie an zu singen.

Mir stockt der Atem.

Fuck.

Habe ich diesem Mädchen ernsthaft vorgeworfen, nicht singen zu können? Hätte ich mir nicht erst mal was von ihr anhören können? Zur Hölle, ich darf wirklich nicht mehr ohne nachzudenken den grausamen Schrott von mir geben, den dieser grottenschlechte Songwriter mir vorsetzt. Lieber halte ich für alle Zeiten meine Klappe.

Mit dieser dämlichen Behauptung stehe ich nun da wie der letzte Vollidiot, denn ihre Stimme ist der absolute Wahnsinn.

Gerechnet hätte ich mit dünn und piepsig, stattdessen ist sie erstaunlich dunkel, stark und kräftig. Melodisch und warm und außerdem verdammt sexy. Nie im Leben hätte ich hinter der unsicheren Fassade dieses Mädchens und ihrer leisen, stockenden Sprechweise so eine unglaubliche Stimme vermutet. Auf meinem Rücken bildet sich eine Gänsehaut, die sich von dort aus in null Komma nichts über meinen ganzen Körper ausbreitet. Wann ist mir so was zum letzten Mal passiert?

Ich schlucke trocken und mein Blick gleitet an ihr hinunter, von oben nach unten, saugt sich fest an ihrer schlanken Figur.

Heute ist da nicht ein bisschen Rosa an ihr. Ein knappes, schwarzes Top schmiegt sich an ihren Oberkörper, lässt einen Streifen nackter Haut am Rücken frei, an dem mein Blick wie hypnotisiert eine ganze Weile lang hängenbleibt, bevor er hinab zu ihrem hübschen, runden Hintern gleitet, der durch die enganliegende, dunkelgraue Sportleggings mehr als vorteilhaft betont wird.

Sie legt das Messer weg und beginnt sich zu bewegen. Ich weiß erschreckend genau, dass ich mich umdrehen und sofort von hier verschwinden sollte. Aber ich kriege es nicht hin. Meine Muskeln sind wie gelähmt, mein Köper erstarrt. Meine Augen kleben völlig fasziniert an ihr, während sie Hüften, Arme und Oberkörper fließend zu dem langsamen Song bewegt.

Das hier ist kein kleines Mädchen. Das ist ganz eindeutig eine Frau.

Und was für eine!

Fuck.

Ich hätte das niemals sehen sollen. Wie soll ich jetzt diese Stimme und diese Bilder wieder aus dem Kopf kriegen? Und das mit dem Wissen, dass sie in meinem Haus wohnt? Verdammt viel zu nah.

Gerade als ich realisiere, dass ich sie wie ein irrer Stalker heimlich beobachte und beschließe, mich von diesem viel zu heißen Anblick endlich loszureißen und leise zu verschwinden, dreht sie sich unerwartet um. Ihre sowieso schon großen Augen weiten sich und sie schlägt sich die Hand vor den Mund, einen entsetzten Ausdruck im Gesicht. Während sich auf ihren Wangen ein zartes Rosa bildet, mit dem sie irgendwie echt süß aussieht, nimmt sie hastig ihre In Ears heraus und platziert sie neben sich auf der Arbeitsplatte.

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt