Verflixter Rapper!

16 ◉ Tia ◉ Ahnungslos

Hinter einem halbhohen weißen Lattenzaun sind auch im Eingangsbereich des Festsaals noch einige Reporter und Fotografen eingepfercht. Immer wieder werden von dort aus unsere Namen gerufen. Sehr oft der von Wy, aber ab und zu auch meiner. Ich bin froh, dass er mit mir an der Hand an ihnen vorbeigeht, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Galabesuchern, die sich wie schon auf dem beigen Teppich auch hier nochmal ausgiebig präsentieren, fotografieren und interviewen lassen.

Er scheint gar nicht allzu scharf darauf zu sein, unsere Fakebeziehung größtmöglich für seine Publicity auszuschlachten. Die meisten anderen Typen würden mich wahrscheinlich ohne jede Rücksicht vor diese Meute zerren, um mitzunehmen, was sie kriegen können. Allein der Gedanke daran, mich hier einem Interview stellen zu müssen, lässt meine Kehle wieder eng werden. Das Wissen, diesem Thema ganz sicher nicht für immer aus dem Weg gehen zu können, stopfe ich energisch in die hinterste Schublade meines Verstandes, schiebe sie zu und versehe sie mit einem dicken Vorhängeschloss.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der unfreundliche Rapper an meiner Seite mir einmal so viel Sicherheit gibt, dass ich die Hoffnung hege, den Rest des Abends vielleicht sogar genießen zu können. Ich habe große Lust, mich in die bunte, glitzernde Traumwelt zu flüchten, die mich hier mit ihren schillernden Regenbogenfarben in Empfang nimmt, und werde nicht zulassen, dass mir dabei irgendwelche dummen Ängste in die Quere kommen.

Als wir den in violettes Licht getauchten Saal betreten, sehe ich mich mit großen Augen um. Es ist überwältigend.

Mit Rhonda habe ich schon das ein oder andere Event besucht, aber keines war auch nur annähernd so pompös und prunkvoll, wie dieses. Unzählige runde, weiß gedeckte Tische mit üppigen, bunten Blumenarrangements und mehrarmigen goldenen Kerzenleuchtern verteilen sich in der Halle. Am imposantesten ist jedoch der gigantische Kronleuchter, der von Scheinwerfern angestrahlt an der Decke so hell funkelt, dass ich die Augen zusammenkneifen muss, um nicht geblendet zu werden.

Die monotone Geräuschkulisse der um uns herum stattfindenden Gespräche wird durch das fantastische Spiel eines Pianisten untermalt, der an einem schwarzen Flügel auf der Bühne im vorderen Teil des Saals sitzt.

Zwischen den Tischen tummeln sich Menschen in klassisch-eleganter, supersexy oder paradiesvogelhafter Abendgarderobe. Meine Hand umklammert noch immer die von Wy, als neben ihm ein Mann auftaucht, dessen Kleidungsstil eindeutig in die letzte Kategorie fällt. Er klopft meinem Begleiter auf die Schulter, während sein breites Grinsen eine Reihe perfekter, strahlend weißer Zähne enthüllt.

»Heyo, Wy. Hätte nicht gedacht, dich heute hier zu sehen. Warst ja ganz schön lange in der Versenkung verschwunden, Mann. Aber hey, du bist zurück wie Phönix aus der Asche. Läuft ganz schön geschmeidig für dich, aber ich wusste immer, dass das passieren würde. Und alles dank deiner Lady.«

Er zwinkert mir zu und sein Grinsen verbreitert sich nochmals, obwohl das kaum möglich schien. Dann streckt er mir seine Hand entgegen, die mit mehreren breiten, goldenen Ringen bestückt ist. Seine Haare sind weißblond gefärbt, was einen interessanten Kontrast zu seiner schwarzen Haut bildet. Das Leopardenmuster seines Anzugs hat etwas Lässig-Cooles, das sehr gut zu ihm passt. Trotz des Dämmerlichts trägt er eine Sonnenbrille und ich frage mich, wie er damit hier drinnen überhaupt etwas erkennen kann. Andererseits dürfte er dafür mit dem blendenden Kronleuchter keine Probleme haben. Ich erwidere sein Grinsen mit einem ehrlichen Lächeln, zu dem ich mich nicht einmal zwingen muss.

»Das ist Shane Dre. Er ist auch Rapper, leider nicht mal annähernd so gut wie ich. Und Shane, das ist Tia. So ziemlich die beste Sängerin, die du dir vorstellen kannst.«

Hat da gerade so etwas wie Stolz in seiner Stimme mitgeschwungen? Das warme Gefühl, das sich in meinem Inneren ausbreiten will, stopfe ich unverzüglich in die nächste Schublade in meinem Kopf.