Verflixter Rapper!

39 ◉ Tia ◉ Überholspur

Wy hat einen Song geschrieben, der den Titel »Überholspur« trägt.

Darin geht es darum, dass das Leben sich manchmal wie das Fahren auf der Überholspur anfühlt. Man gibt Gas, spürt die Kraft, die einen umgibt und antreibt, fühlt sich frei und stark, lässt alles Schlechte hinter sich, all das, was einen hemmt und aufhält. Und all die Hindernisse, die man auf der Straße vor sich hatte und die einen so lange ausgebremst haben, machen plötzlich Platz und weichen aus, weil man mit Entschlossenheit und Geschwindigkeit auf seiner Spur bleibt.

Ich hätte nie gedacht, dass es für mich jemals so sein würde, aber als die letzten Beats des Songs verklingen und ich die Kopfhörer abnehme, wird mir klar, dass sich mein Leben in den letzten Wochen genau so angefühlt hat.

Schnell, leicht, frei und als ob mich nichts und vor allem niemand mehr aufhalten könnte.

Die kleine warnende Stimme, die mir immer wieder zuflüstert, dass das auf Dauer nicht gut gehen wird, weil irgendwann dieser eine Lastwagen kommt, der dich nicht überholen lässt und an dem du zerschellen wirst, wenn du nicht hart auf die Bremse trittst, überhöre ich gekonnt. Ich war schon immer perfekt darin, unerwünschte Gedanken ganz weit von mir weg zu schieben.

Stattdessen sehe ich mich lächelnd zu dem Mann um, der dafür verantwortlich ist, dass es mir so gut geht wie nie zuvor. Auch er hat seine Kopfhörer zur Seite gelegt, ist im nächsten Moment hinter mir, schiebt seine Arme unter meinen hindurch und umschließt mich, seinen harten Oberkörper fest an meinen Rücken gedrückt.

»Du warst unglaublich, Sternchen. Du bist ein echter Vollprofi«, raunt er an meinem Ohr und ich schließe genießerisch die Augen, während sein Atem über meinen Hals streicht und mir eine Gänsehaut erster Güte beschert.

»Zwei Vollprofis, die beide einen fantastischen Job gemacht haben.« Blinzelnd erkenne ich Chase, der mit einem breiten, zufriedenen Grinsen auf den Lippen den Aufnahmeraum betritt, in dem wir in den letzten Tagen so viel Zeit verbracht haben. Wy löst seine rechte Hand von mir, und seine Finger verwickeln sich mit denen von Chase in dieser besonderen und komplizierten Abfolge, die mir wohl für immer ein Rätsel bleiben wird.

Um den Hals unseres Managers baumeln mehrere breite Goldketten unterschiedlicher Länge, das weite dunkelblaue Tanktop mit dem Logo der LA Dodgers lässt seine muskulösen Oberarme frei, und die blaue Baseballkappe trägt er verkehrt herum auf dem Kopf, was den großen schwarzen Mann eher dem Klischee eines Rappers entsprechen lässt als Wy in seinem hellblauen Hemd und den dunkelblauen Jeans es gerade tut. Doch mittlerweile weiß ich, dass Chase im maßgeschneiderten Anzug genauso selbstbewusst auftritt, wenn es der Anlass erfordert. Er streicht sich über den kurz gestutzten Bart und nickt mehrmals langsam, immer noch dieses Grinsen im Gesicht.

»Das war quasi ein One-Take, Leute. Die werden es kaum nachbearbeiten müssen. Und damit seid ihr auch schon durch, das war der letzte Take für das Album. Ich weiß jetzt schon, dass das Ding einschlagen wird wie eine Bombe. Ich wette, es wird an deine früheren Erfolge anknüpfen, Wy und dich, Tia, wird es endgültig zum Star machen. Ich hab ein höllisch gutes Gespür für so was.«

»Danke, Mann, dass du das alles so schnell möglich gemacht hast. Ich bin verdammt froh, dass du wieder mit mir arbeitest, Chase. Mit uns beiden«, höre ich Wy hinter mir sagen.

Chase nickt langsam, dann schleicht sich wieder dieses sympathische Grinsen auf seine Lippen. Wy hat mir erzählt, dass Chase mindestens genauso sehr ein Entertainer ist wie ein Manager, und das trifft es ziemlich gut. Er hält die Leute um sich herum bei Laune und strahlt so viel Lebensfreude aus, dass es schwer ist, in seiner Nähe in schlechter Stimmung zu sein.

»Ich habe lange darauf gewartet, dass du deine Bretter vor dem Kopf loswirst, Champ. Es hat ein paar Jährchen gedauert, und ehrlich gesagt habe ich ein bisschen daran gezweifelt, dass es noch passieren wird, aber ich wusste immer, dass ich da sein würde, falls es passiert.«