◉ Prolog ◉

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Zehn Jahre zuvor

»Was hältst du von rosa Elefanten?«

»Was?«

Verblüfft blinzle ich, als diese absurde Frage mich von meiner lähmenden Angst ablenkt und ruckartig ins Hier und Jetzt zurückkatapultiert. Ich schüttle den Kopf und wende mich meinem Bruder zu, der erleichtert aufatmet, als ich ihn ansehe.

»Na endlich. Du starrst seit fünf Minuten auf diese Knarre. Ich dachte schon, du wärst in so 'ne Art Wachkoma gefallen.« Ein aufmunterndes Grinsen schleicht sich auf seine Lippen und ich zwinge mich zu einem schwachen Lächeln, obwohl mir kotzübel ist. »Komm schon. Wenn wir das jetzt nicht durchziehen, haben wir nächste Woche nicht mal mehr was zu beißen.«

Er sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz, seine blauen Augen, in denen fast so etwas wie Vorfreude glitzert, sind erwartungsvoll auf mich gerichtet. Ich senke meinen Blick wieder auf die Pistole, die schwer wie Blei in meiner Hand liegt, und tippe dabei nervös mit dem Fuß auf den Boden des alten Jeeps.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich das tue. Zwar finde ich meist einen anderen Weg, um an genug Geld zu kommen, damit wir davon existieren können, aber in letzter Zeit sind ein paar Dinge schief gelaufen. Und sonst war immer einer von den Jungs dabei, wenn ich zum allerletzten Mittel greifen musste.

Nicht mein kleiner Bruder.

Verdammt, er ist vierzehn. Er sollte nicht hier sein, sondern zu Hause, in Sicherheit. Wenn man die abgefuckte Wohnung in der Bronx, in der wir seit einigen Jahren leben, überhaupt so nennen kann. Trev hätte heute dabei sein sollen, aber ich habe es beim besten Willen nicht geschafft, ihn aus seinem Rausch zu wecken. Und Jesse hat natürlich sofort begeistert angeboten, an seiner Stelle mitzukommen.

Ich atme tief ein, aber die stickige Tabakluft im Auto liefert nicht genug Sauerstoff. Hektisch kurbele ich das Fenster herunter und schnappe nach Luft, bevor ich mich Jesse wieder zuwende. 

»Vielleicht könnte ich es noch mal mit einem Rap-Battle versuchen. Wenn ich mich ...«

»Die letzten beiden Male hast du's aber verbockt, Wy. Du hast es drauf, aber wenn du die Nacht davor durcharbeitest und dich null vorbereitest, dann wird's eben nichts.«

Meine Augenbrauen zucken in die Höhe. »Soll das jetzt ein Vorwurf sein, dass ich Doppelschichten schiebe? Glaubst du, ich finde es cool, mir nach einem Tag in diesem beschissenen Diner noch die halbe Nacht als Türsteher vor dem Galaxy um die Ohren zu schlagen?«

»Fuck nein, Mann. Aber du musst dich trotzdem aufs Rappen konzentrieren. Du bist gut, Wy. Du bist verdammt gut, und trotzdem vertrödelst du deine gesamte Zeit mit diesen Billigjobs für viel zu wenig Kohle. Trev ...«

»Schon klar, dass der dir wieder diese Schnapsidee eingepflanzt hat. Vergiss es, Kleiner. Mit dem Rappen werde ich niemals genug verdienen, um uns durchzubringen.«

Das begeisterte Funkeln in seinen Augen erlischt mit einem Mal und er senkt den Kopf. »Doch, wenn du einer der Besten bist. Und das bist du, Wy. Du kannst es schaffen«, murmelt er leise.

Ich sehe zu, wie die Regentropfen auf die Frontscheibe prallen und ihre Bahnen nach unten ziehen. »Daran glaub' ich nicht mehr, Jesse.« Stirnrunzelnd senke ich meinen Blick und starre wieder auf die Waffe in meiner Hand. »Und das hier sollte ich besser auch nicht tun.«

Mein Bruder hebt den Kopf und seine Augen weiten sich überrascht.

»Willst du, dass wir den ganzen Sprit umsonst verbraucht haben? Wir sind eine Stunde lang gefahren, Mann. In der Gelddose sind nur noch zwei Dollar! Mehr ist es nicht mehr, seit Dad sich gestern seinen Wodka geholt hat. Wir schulden Trev hundert Dollar Leihgebühr für das Auto und die Waffe. Und Katie? Soll sie vielleicht hungern müssen?«

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt