14 ◉ Wy ◉ Hilflos

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Wie in einem zweitklassigen, vor Kitsch triefenden Teeniefilm stehe ich unten an der Treppe und warte auf sie. Das Stylingteam, das den ganzen Nachmittag in ihrem Zimmer verbracht hat, ist vor ein paar Minuten endlich abgezogen, und die von Simon engagierte Limousine wartet schon vor dem Haus.

Mir klingelt noch sein Gejammer darüber in den Ohren, wie verdammt schwierig es doch war, für heute Abend eine zu ergattern. Seit Monaten wären alle ausgebucht und bis vor ein paar Wochen hätte er ja nicht mal ansatzweise ahnen können, dass ich in nächster Zeit auf die Idee kommen würde, auf einer Gala aufzukreuzen. Letztendlich war es aber nur eine Frage des Preises. Wie immer und bei allem.

Ich kann ihm nicht mal einen Vorwurf machen. Bis vor Kurzem hätte ich noch geschworen, dass mich keine zehn Pferde auf so ein Event bringen würden. Trotzdem stehe ich jetzt hier, im schwarzen Anzug, mit schwarzem Hemd und schmaler, schwarzer Krawatte, die sich wie ein Fremdkörper an meinem Hals anfühlt, und warte auf mein Date. Dabei frage ich mich lieber gar nicht erst, wieso meine Hände schwitzig sind, und mein Herz viel zu heftig gegen meine Rippen knallt.

Weil ich höre, wie oben leise eine Tür zufällt, sehe ich auf. Sie steht über mir an der Treppe und fuck – es raubt mir mit voller Wucht den Atem.

Vorsichtig setzt sie einen Fuß vor den anderen, während sie die Treppe fast schon so was wie hinunterschwebt. Einen Moment lang bewundere ich sie dafür, dass sie in den silbernen, verflucht hohen Schuhen so elegant laufen kann, ohne einen Abgang zu machen.

Mein Blick gleitet an ihrem Körper entlang. Bei jedem Schritt teilt sich der glitzernde hellrosa Stoff an einem endlos langen Schlitz und präsentiert mir ihr schlankes, linkes Bein bis hoch zum Oberschenkel.

Verdammt. 

Süß und unschuldig ist an diesem Kleid wirklich nur die Farbe.

Ich schlucke, weil meine Kehle plötzlich trockener als die Sahara ist, während mich der Anblick ihres nackten Beins förmlich hypnotisiert. Für eine ganze Weile bleiben meine Augen daran haften, bevor ich sie endlich losreißen kann und weiter nach oben wandern lasse. Der Fetzen Stoff liegt eng an ihrem Körper und bringt ihre perfekten Kurven – für meinen Geschmack eindeutig viel zu gut – zur Geltung. Der Ausschnitt ist tief genug, um meinen Blick erneut einen Tick zu lange festzunageln. Ihre blonden Haare fallen in großen Wellen über ihre Porzellanpuppenschultern.

Sie sieht aus wie ein Hollywoodstar. Selbst das Rosa ändert nicht das Geringste daran, dass sie verdammt schön ist. Und verdammt viel zu heiß.

Die ganze Zeit sieht sie konzentriert nach unten auf die Treppenstufen. Und dummerweise wünsche ich mir, dass sie stattdessen mich ansehen würde. Nur für einen Augenblick.

Unten angekommen bleibt sie mit einigem Abstand vor mir stehen, ungewohnt groß wegen der High Heels. Bis zu diesem Moment hat sie mich keines Blickes gewürdigt, aber jetzt sieht sie auf und unsere Augen treffen sich. Ein paar Sekunden lang versinke ich in ihrem Wolkengrau.

Es ist eine Szene wie aus einem verflucht schnulzigen Liebesfilm. Ein Hauch von verlegener Röte kämpft sich durch ihr Make-Up, doch dann senkt sie ruckartig den Kopf und starrt ihre Schuhe an.

»Wir sollten gehen«, haucht sie mit piepsiger Stimme, während sich ihre Finger um das kleine silberne Täschchen krampfen, das sie in den Händen hält.

Mit einem verblüfften Kopfschütteln frage ich mich, ob dieses unsichere rosa Prinzesschen wirklich dieselbe Person sein kann, die noch vor wenigen Stunden so aufreizend vor mir getanzt hat. Und die außerdem mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen absolut hemmungslos mit mir geflirtet hat.

Kann es sein, dass ich mir diese seltsam vertraute Nähe gestern nur eingebildet habe? Oder lag alles nur am Wein und sie kann sich vielleicht an gar nichts mehr erinnern? Immerhin hätte sie dann auch meine ganzen idiotischen Geständnisse vergessen. Aber selbst dieser Gedanke kann mich nicht darüber hinwegtrösten, dass sich etwas in meinem Inneren enttäuscht zusammenzieht und sich eine verdammte leere Kälte in mir ausbreitet.

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt