Während die Kaffeemaschine glücklicherweise zwei Tassen des pechschwarzen Getränks ausspuckt, dessen Duft den Alkoholgeruch wenigstens ein klein wenig übertüncht, beruhigt sich mein Herzschlag. Die Schmerztabletten, die in der Zwischenzeit ihren Weg in meinen Magen gefunden haben, tun ihr Übriges dazu, dass ich mich so langsam etwas besser fühle.
Zehn Minuten später sitzen wir uns an dem viel zu großen dunklen Eichentisch im Esszimmer gegenüber, jeder eine dampfende Tasse Kaffee vor sich. Ich benutze diesen Tisch nie. Alleine dort zu sitzen, wo eigentlich zwölf Leute Platz hätten, fühlt sich nicht gut an.
Verloren. Einsam. Einfach mies.
»Okay, was hast du dir Tolles ausgedacht, um unsere Kasse wieder zum Klingeln zu bringen?«
Er räuspert sich und knetet die Hände vor seinem runden Körper. Ich sehe ihm schon an, dass er Angst vor meiner Reaktion hat. Meine düstere Ausstrahlung und mein finsterer Blick scheinen trotz meines erbärmlichen Zustands noch Wirkung zu zeigen. Eine Tatsache, die mich seltsam zufrieden macht. Früher, in der Bronx, war es wie eine Lebensversicherung für mich, auf andere einschüchternd und gefährlich zu wirken.
Er greift nach der Tasse, nimmt einen Schluck und verzieht angewidert das Gesicht. »Mann, Wy. In der Brühe bleibt ja der Löffel stecken.«
Ich hebe eine Augenbraue und bin froh, dass meine Stirn das ohne größere Schmerzattacken mitmacht. »Jämmerlicher Ablenkungsversuch. Rück raus mit der Sprache oder verschwinde wieder.«
»Na schön, ich erkläre es dir.« Er räuspert sich theatralisch, präsentiert mir ein verkniffenes Lächeln und schluckt sichtlich, während seine Hände inzwischen die Kaffeetasse so fest umklammern, dass seine Knöchel weiß hervortreten. »Du erinnerst dich an einen der neuen Songs? Der, in dem ein paar Zeilen über die Popsängerin Cynthia Gale vorkommen? Sie ist das Mädchen, über das wir hier sprechen.«
Dank Kaffee und Tabletten kann ich allmählich wieder klar denken. In meinem Gedächtnis suche ich nach dem Namen und stoße auf ein paar Satzfetzen. Seit irgendein Ghostwriter meine verdammt schlechten Texte schreibt, kann ich sie nicht mehr so auswendig herunterspulen, wie das früher mal der Fall war.
»Ist das dieses Popsternchen ohne Talent, das sich nur hochgeschlafen hat?«
Simon räuspert sich. »Du hast das nur in deinem Song behauptet, Wy. Es ist nicht wirklich so. Ich kann es mir jedenfalls kaum vorstellen. Sie singt richtig gut und hat ein blitzsauberes Goodgirl-Image.« Er zieht die Augenbrauen zusammen und fügt ein leises »Hatte« hinzu.
Ich erstarre. Wut beginnt in meinem Bauch zu toben. Ich lehne mich ein Stück zu ihm hinüber und fixiere ihn aus schmalen Augen. »Willst du mir erzählen, dass das alles nicht stimmt und wir mit dem Song ihren guten Ruf gekillt haben? Fuck, Simon. Ich bin weiß Gott kein Heiliger, aber ich bin auch kein verdammter Lügner!« Meine Hände zittern leicht. Mein Atem geht schneller. Nicht mehr wegen des Alkohols, sondern wegen des unterdrückten Zorns, der ununterbrochen in mir pulsiert und kurz davor ist, die Kontrolle zu übernehmen. Wieder einmal.
Er räuspert sich erneut, ein Hauch von Röte überzieht seine schlaffen Wangen und er hebt beschwichtigend beide Hände. »Wy, das ist der erfolgreichste Song, den du in den letzten zwei Jahren hattest. Gut, er kommt zwar nicht annähernd an deine früheren Erfolge heran, aber es geht zumindest endlich wieder in die richtige Richtung. Dass dafür mal eine unbekannte Newcomerin über die Klinge springen muss, kann einfach passieren. So ist das Geschäft.«
Die Wut in mir brodelt hoch, lässt mich vom Stuhl aufspringen, um den Tisch herumgehen und ihn am Hemdkragen zu mir hochziehen. Mit schreckgeweiteten Augen glotzt er mich an, sein Mund steht offen.
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Verflixter Rapper!
Romance⩥ ROMANCE ⩤ Popsängerin Cynthia Gale ist auf dem Weg nach oben. Auf der Bühne fühlt sich die sonst so schüchterne junge Frau frei und selbstbewusst. Mit Ehrgeiz und harter Arbeit erzielt sie erste Platzierungen in den Charts. Der zynische Rapstar Wy...