11 ◉ Wy ◉ Zartes Lämmchen

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Was zum Teufel hab ich mir dabei gedacht? Anscheinend war ich heute Morgen zu verflucht müde, um zu kapieren, in was ich mich da reinmanövriere. Oder ich war einfach zu abgelenkt, weil sie verdammt viel zu heiß ausgesehen hat in diesen knappen, engen, schwarzen Sachen. Was fällt ihr eigentlich ein, mit so einem Outfit einfach so in meiner Küche zu stehen, derart sexy zu tanzen und dann auch noch mit dieser Stimme zu singen?

Fuck. Sogar ein Zen-Mönch wäre da schwach geworden. Sieht so aus, als hätte mein Verstand komplett abgeschaltet und anderen Körperteilen die Alleinherrschaft überlassen.

Keine Ahnung, zum wievielten Mal ich vor meiner Zimmertür auf und ab gehe wie ein Tiger im Käfig, denn genauso komme ich mir vor. Mit beiden Händen fahre ich durch meine Haare und schnaube missmutig. Verdammt, wenn sie etwas über mich wissen will, dann soll sie gefälligst die Unterlagen lesen, die sie bekommen hat. Ich lasse sie einfach sitzen und haue ab.

Erleichtert puste ich mir eine Haarsträhne aus der Stirn, weil ich endlich weiß, was ich tun werde, und öffne kurzentschlossen die Tür. Mit angehaltenem Atem ziehe ich sie langsam wieder hinter mir zu. Ohne Licht zu machen schleiche ich durch den breiten Gang im Obergeschoss.

Fuck. So weit ist es schon gekommen, dass ich mich in meiner eigenen Hütte leise und vorsichtig wie ein verdammter Einbrecher durch die Dunkelheit taste. Selbst mein Herz schlägt so laut gegen meine Brust, als würde ich hier was Verbotenes tun. Unglaublich.

Aber ich habe nun mal absolut keinen Bock drauf, von ihr erwischt zu werden. Ich will auf keinen Fall in diese unschuldigen, großen, grauen Augen sehen und ihr irgendwas erklären müssen. Den roten Teppich wollte ich eigentlich schon längst entsorgen lassen, aber jetzt ist er doch noch zu was gut. Er ist so dick und weich, dass er perfekt meine Schritte dämpft.

Hoffentlich ist sie in ihrem Zimmer und lauert mir nicht wieder irgendwo auf - mit diesem Gesang, für den sie eigentlich einen Waffenschein bräuchte.

So schnell wie möglich nehme ich die Treppe nach unten und laufe zielstrebig auf die Haustür zu. Beinahe kann ich schon die Erleichterung spüren, die mir mein Auto, die Geschwindigkeit und das Adrenalin gleich verschaffen werden. Das wird mir wie immer all die beschissenen Gedanken aus dem Kopf jagen. Niemand wird mich jetzt noch aufhalten.

Plötzlich geht das Licht an und ich blinzle verwirrt wie ein Hirsch im Scheinwerferlicht.

»Wohin willst du, Junge?«

Fuck.

Niemand - bis auf eine Person.

Eine kleine Person, die gerade wie aus dem Nichts auftaucht, sich mir in den Weg stellt, ihre Arme wie ein fucking Türsteher vor der Brust verschränkt und ihre Brauen hebt, als wüsste sie genau, was hier gerade vorgeht. Ich rolle demonstrativ mit den Augen, aber mir ist vollkommen klar, dass sie das nicht die Bohne beeindrucken wird.

»Wieso verdammt bist du noch hier?« Mit gerunzelter Stirn stelle ich fest, dass ich kein bisschen einschüchternd, sondern eher frustriert klinge. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sie nicht zur Seite geht, sondern mich nur unverschämt angrinst. Ihre dunkelbraunen Augen blitzen. Zur Hölle, macht sie sich lustig über mich?

»Dachtest du wirklich, du könntest dein Date vor mir verheimlichen? Den ganzen Nachmittag stehe ich schon in der Küche, um was Gutes für euch zu kochen. Und ich bin stolz auf dich, Wy. Du tust genau das Richtige. Ich frage mich nur, wo du noch hinwillst, wenn ihr euch in einer halben Stunde trefft? Und erzähl mir bitte nicht, dass du nur kurz Blumen für sie besorgen willst.«

Ich schnaube gereizt, weil ich mir vorkomme wie ein kleiner Schuljunge, der vorhatte zu schwänzen und sich so blöd angestellt hat, dass er dabei erwischt wurde. Und ganz genau wie ein kleiner Schuljunge suche ich gerade dringend nach einer bescheuerten Ausrede.

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt