22 ◉ Tia ◉ Hitze

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Eine halbe Stunde später liege ich in einem Liegestuhl am Pool, in der Hand ein Buch, das ich schon lange lesen wollte. Dass ich Ärger bekommen werde, ist sowieso klar, also kann ich den Rest des Nachmittags auch so gut es geht genießen.

Außerdem habe ich eine kleine Revolution gestartet, indem ich meinen heimlich selbst bestellten, rubinroten Bikini trage, den sie mir niemals genehmigt hätte. Er hätte ihre »zu sexy«-Kontrolle mit Sicherheit nicht bestanden. Nur auf der Bühne ist es seltsamerweise kein Problem, wenn ich lediglich einen Hauch von Nichts trage.

Meine Kopfschmerzen sind dank Rosas Wundertablette verschwunden und so langsam fühle ich mich im Schatten zweier Palmen, umweht von einer leichten, salzigen Meeresbrise, eigentlich ganz wohl. Doch das tue ich nur genau so lange, bis sich die Terrassenschiebetür öffnet.

Ich reiße die Augen auf und unterdrücke den Impuls, mich hinter einer Palme zu verstecken. Oder in den Pool zu springen und nie wieder aufzutauchen. Leider ist das nicht möglich, denn in diesem Moment tritt Wy auf die Terrasse, zieht sich sein weißes Shirt über den Kopf und wirft es achtlos auf einen Gartenstuhl.

Ich kann keinen Finger mehr rühren und meine Augen haften nur noch an ihm. Selbst die Mischung aus Scham, Wut und Unsicherheit, die meinen Herzschlag und meine Atmung gleichzeitig aus dem Takt bringt, kann mich nicht dazu bewegen, den Blick abzuwenden. Ich will wegschauen, aber ich bin wie gelähmt. Das Spiel der Muskeln unter seiner Haut wirkt geradezu hypnotisierend auf mich.

Seine Arme und sein Oberkörper sind mit dunklen Tattoos überzogen. Komplizierte Bilder aus feinen und breiten Linien, die in Kombination mit seinen Muskeln ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk ergeben. Wie auf einer Leinwand zieht die schwarze Tinte sich über seine Haut bis hinauf zum Hals. Das einzige Bild, das ich von hier aus erkennen kann, ist eine Sonne auf seiner linken Schulter, die durch dunkle Wolken im Hintergrund bricht und deren lichte Strahlen sich bis auf seine Brust erstrecken. Umgeben von diesen Strahlen fliegen die Silhouetten von drei schwarzen Vögeln der Sonnenscheibe entgegen.

Er trägt nur noch eine dunkle Badeshorts, als er näher kommt. Schritt für Schritt, ohne jede Eile. Siegessicher wie ein Raubtier, dessen Beute bereits in der Falle sitzt. Ein kühler Luftzug treibt die feinen Härchen auf meinen Unterarmen in die Höhe, trotzdem wird mir von Sekunde zu Sekunde heißer. Meine Gedanken überschlagen sich, finden keinen Platz mehr in meinem Kopf, verwirren sich zu einem einzigen Chaos, doch endlich schaffe ich es, meinen Blick von ihm loszureißen und in mein Buch zu starren, das ich noch immer in den Händen halte.

Reiß dich zusammen, Tia! Er ist kein Löwe und du bist keine verflixte Gazelle.

Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie er sich auf den Liegestuhl neben mir setzt, seinen Körper mir zugewandt. Mein pochendes Herz kämpft tapfer gegen den Drang an, augenblicklich aufzuspringen und in mein Zimmer zu fliehen.

»Rosa hat mich dazu verdonnert, sofort in Ordnung zu bringen, was ich verbockt habe. Das Ding ist, dass ich keine Ahnung habe, was das sein soll. Immerhin warst du diejenige, die heute Morgen ohne ein Wort aus meinem Schlafzimmer verschwunden ist.«

Meine Finger krampfen sich um den Einband. Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen und ich hoffe inständig, dass nicht wieder diese dummen Tränen daran schuld sind. Dennoch löse ich meinen Blick nicht von den schwarzen Zeilen.

Keine Schwäche mehr zeigen, Tia!

»Mir ging es nicht so gut«, antworte ich nach einer halben Ewigkeit.

»Okay. Ich hoffe, es ist jetzt besser.«

Nicht wirklich.

»Mir geht es hervorragend. Allerdings wollte ich einen ruhigen Nachmittag verbringen. Also wenn du schwimmen willst, dann gehe ich in mein Zimmer und du hast hier deine Ruhe.«

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt