44 ◉ Tia ◉ Einseitig

385 51 133
                                    

Woher diese Worte plötzlich kommen, kann ich mir selbst nicht erklären. Sie sind wie ein Hilferuf, der ihn sogar zu erreichen scheint. Denn etwas flackert in seinen Augen auf, durchbricht die gleichgültige Fassade und ich glaube, darin die Erkenntnis und das Entsetzen darüber zu lesen, was er mit seinem Verhalten anrichtet. Ob ich will oder nicht, sofort keimt die Hoffnung in mir wieder auf. Ein trauriges Lächeln geistert über seine Lippen, bevor er langsam den Kopf schüttelt.

»Es hat nichts mit Gefühlen zu tun, Tia. Gar nichts.«

Dass er zugibt, dass es nicht an seinen Gefühlen für mich liegt, lässt die Hoffnungsflamme gleich noch höher flackern. Ich wünschte nur, er würde nicht so teilnahmslos klingen. Ich wünschte, er würde kontern, mich anschreien, irgendetwas.

»Ich weiß, dass ich dir vielleicht das Gefühl gegeben habe, für mich ein unverwundbarer Held sein zu müssen, aber so ist es nicht. Ich kann viel verkraften. Ich bin stark, Wy.«

Obwohl ich selbst nicht wirklich von meinen Worten überzeugt bin, klinge ich erstaunlich fest und sicher. Rosa wäre stolz auf mich.

»Das weiß ich, Tia.«

Ich schlucke schwer. Rosa lag falsch, er will mir seine Vergangenheit gar nicht ersparen, weil er mich für schwach hält. Seine Worte lassen meine Strategie wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. 

»Was ist es dann?«

»Es liegt nicht an dir, Tia. Nichts davon ist deine Schuld. Du hast alles richtig gemacht. Du bist so verdammt mutig. Mutiger als ich es je sein werde. Sie haben alles versucht, aber sie konnten dir nie deine Stärke nehmen. Sie war immer da, dicht unter der Oberfläche, und jetzt hast du sie hervorgeholt. Es liegt allein an mir. Ich bin einfach nicht der Mann, der dich verdient.«

Ich starre ihn an, glaube mich verhört zu haben. »Und das fällt dir jetzt ein? Du hast alles dafür getan, dass ich bei dir bleibe, dass ich mich rettungslos in dich verliebe, und jetzt stößt du mich einfach weg? Mit so einer Begründung? Das kann nicht wirklich dein Grund sein, Wy. Nicht irgendein klischeehafter Spruch, den ich schon hundertmal in irgendwelchen Romanen gelesen habe.«

»Was rein gar nichts daran ändert, dass es in unserem Fall wahr ist.«

»Nein, das ist es nicht! Du hast so viel für mich getan, so viel mehr als ich für dich. Du hast dich für mich interessiert, für meine Meinung und meine Wünsche. Du hast dich um mich gekümmert. Du hast es geschafft, dass ich mutiger werde. Du hast es geschafft, dass ich ausspreche, was ich wirklich will. Du hast mich vor ihnen beschützt, mir geholfen, von ihnen wegzukommen. Du hast es geschafft, dass ich dir vertraue. Dass ich mich sicher fühle. Bei dir.«

»Das reicht aber nicht. Es reicht nicht, um anderes wieder gut zu machen!« Der plötzliche Zorn in Stimme lässt mich beinahe in Jubel ausbrechen. Endlich! Endlich klingt er nicht mehr so teilnahmslos. »Ich hab's versucht, Tia. Aber der ganze Scheiß, den man mal gemacht hat, holt einen immer wieder ein. Immer und immer wieder. Ganz egal, wie gut man es vielleicht gemeint hat.«

»Das hat nichts mit uns zu tun. Das ist die Vergangenheit, Wy. Und wir ... Wir beide sind die Zukunft.«

»Vergangenheit ...« Er lacht, aber es klingt so bitter, dass der Laut mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt. »Nicht für mich. Für mich ist es Gegenwart und Zukunft. Aber du, Tia, du kannst eine gute Zukunft haben.«

Mit angehaltenem Atem lausche ich seinen Worten, jede Faser in mir angespannt, in der Hoffnung, er würde etwas über diese Vergangenheit preisgeben. Doch als nichts mehr kommt und seine Worte sich im Nichts verlieren, stoße ich zischend die Luft aus.

»Du versuchst es gar nicht. Du willst nicht kämpfen, Wy. Das ist es, was mich wirklich fertig macht.«

»Für dich würde ich immer kämpfen.«

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt