37 ◉ Tia ◉ Jesse

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Es ist dieser kurze Moment zwischen Schlafen und Erwachen, in dem ich mich am liebsten verlieren würde. Meine Augen sind noch geschlossen, während sich in meinem Magen eine angenehme Wärme ausbreitet, weil in meinem Kopf wie in einem Film all die Dinge ablaufen, die Wy und ich gestern miteinander getan haben. Die mir ein so gutes Gefühl gegeben haben. Die mich glücklich gemacht haben.

Es gab keine Grenzen mehr zwischen uns, wir haben uns unsere eigene kleine Wirklichkeit geschaffen. Eine Welt voller Liebe und Glück, die sich wie ein sicherer Hafen anfühlt. Es gibt für mich keinen schöneren Ort. In seiner Nähe fühle ich mich beschützt und geborgen. Als hätte ich einen dunklen, starken Schutzengel, der über mich wacht und alles Böse von mir fernhält.

Nur noch er existiert für mich. Und ich bin bereit, nur noch für ihn zu existieren.

Ich schlucke, weil sich plötzlich die Erinnerung an Wys Alptraum wie eine schwarze Wolke vor den Sonnenschein in meinem Herzen schiebt. Dieser Traum muss furchtbar gewesen sein. Er war völlig außer sich, ganz in einer anderen, düsteren Welt gefangen und mir wurde klar, dass die Dämonen, von denen er gesprochen hat, noch lange nicht verschwunden sind. Dass sie ihn immer noch verfolgen und quälen.

Aber er wird bald mit mir darüber reden, und ich bin sicher, dass wir sie gemeinsam besiegen werden. Ganz sicher.

Doch als ich blinzelnd die Lider öffne, um mich wieder in seine Arme zu schmiegen, ist die andere Seite des Bettes leer. Für einen Moment fühlt es sich an, als würde mein Brustkorb von einem Schraubstock zusammengepresst. Es muss noch sehr früh am Morgen sein, denn das Schlafzimmer in Katies Strandhaus wird nur von fahlem Dämmerlicht erhellt. Die leichten weißen Vorhänge, die vor den geöffneten Fenstern wie lebendige Nebelgeister in der Meeresbrise schweben, jagen mir einen kalten Schauer über den Rücken. Mein Atem geht schneller und ich spüre, wie die alten Ängste in mir aufsteigen wollen. Hastig presse ich die Augen zu und nehme ein paar tiefe Atemzüge. Ein und aus. Ein und aus.

Dass Wy nicht da ist, hat nichts zu bedeuten. Vielleicht musste er noch einmal ins Bad. Oder er hatte Durst. Oder er konnte nach seinem Albtraum einfach nicht mehr schlafen.

Weil er das alles mit uns womöglich schon bereut ...

Ich bin kompliziert, meine ganzen Umstände sind kompliziert, ich bin es gar nicht ...

Nein!

Ich schüttle den Kopf, atme noch ein letztes Mal tief durch und öffne die Augen wieder. Ich werde mich jetzt nicht in schlechte Gedanken verstricken, sondern einfach nachsehen, was wirklich los ist. Jeder normale Mensch würde das tun.

Ich blicke mich um, in diesem Schlafzimmer, das nicht meines ist, und zwinge mich, auf die Details zu achten, um das Gedankenkarussell in meinem Kopf nicht direkt wieder in Gang zu setzen. Es sieht erstaunlich bewohnt aus, dafür, dass das Haus schon eine ganze Weile leer steht. Heute Nacht hatte ich keine Gelegenheit, mich umzusehen, denn Wy und ich waren mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Ein Lächeln huscht über meine Lippen, als ich daran zurückdenke, und das Glück kriecht wieder ein Stückchen aus dem Schneckenhaus, in das es sich kurz zurückgezogen hatte.

Der Hausmeisterdienst, der sich um das Gebäude kümmert, hat tolle Arbeit geleistet. Wy hat mir erzählt, dass er dort angerufen und diese Leute gebeten hat, das Haus für ein paar Tage Urlaub herzurichten. Es ist erstaunlich, was sie in so kurzer Zeit für eine gemütliche und wohnliche Atmosphäre geschaffen haben. Kein Staub, keine abgestandene Luft, stattdessen hübsche bunte Kissen, Bilder und frische Blumen. Sogar der Kühlschrank ist gut gefüllt, wie wir heute Nacht festgestellt haben.

Als ich mich aus dem weichen, großen Boxspringbett schiebe und in das angrenzende Bad gehe, finde ich dort eine beeindruckende Auswahl an Hygiene- und Kosmetikartikeln sowie flauschige Handtücher vor.

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt