24 ◉ Tia ◉ Zurück auf Anfang

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»Wo sind wir hier?«

Mit großen Augen schaue ich mich um, während Wy mich an der Hand durch einen verlassenen, schäbigen Hinterhof führt, in dem links und rechts große, dunkelgrüne Müllcontainer aufgereiht sind. Ein modriger Geruch hängt schwer in der Luft. Ich habe keine Angst, aber so langsam frage ich mich, ob ich welche haben sollte. Vielleicht hat er sein Doppelleben als Hinterhof-Serienkiller bisher nur erfolgreich vor mir verheimlicht?

Vor einer unscheinbaren Metalltür bleiben wir stehen. »Bitte nicht blockieren« steht in roten Lettern auf silbernem Grund. Bunte Graffiti sind an die Wand gesprüht, von der bereits der Putz bröckelt und darunter rote Ziegelsteine zum Vorschein bringt.

»Das ist ein Club, in dem Newcomer auftreten. Als ich neu in der Stadt war und mich kaum einer kannte, war ich oft hier. Ich dachte, wenn man etwas verloren hat, ist es nicht schlecht, an den Anfang zurückzukehren.« Während er spricht, dreht sich Wy zu mir um. »Okay, es ist etwas speziell für ein Date, aber vielleicht hast du ja ein bisschen Spaß an guter Musik?«

Er zwinkert mir gewohnt frech zu, doch seine Stimme klingt erstaunlich unsicher und sein schiefes Grinsen wirkt nicht ganz echt. Als wüsste er nicht genau, ob seine Idee wirklich in Ordnung für mich ist.

»Ich wollte deine Musik kennen lernen. Also ist es perfekt, Wy.«

Ich lächle ihn an, was mir nicht schwerfällt, weil ich seit unserem Kuss am liebsten ununterbrochen lächeln würde. Seine Hand drückt meine leicht und sein Daumen streicht sanft über meinen Handrücken. Die zärtliche Geste lässt meinen Atem stocken. Meine Haut kribbelt unter seiner Berührung und mir wird schwindelig. Schwindelig auf eine gute, aufregende Weise. Trotzdem ist es mir fast schon peinlich, wie stark mein Körper auf dieses völlig unschuldige Händchenhalten reagiert. Ich will ihn wieder küssen, am liebsten sofort. Offenbar kann ich das auch vor Wy nicht verbergen, denn er tritt direkt vor mich und in seinem Blick flackert etwas auf.

Es erlischt wieder, als die Stahltür plötzlich knarzend aufschwingt und uns laute Beats und ein Schwall warmer Luft entgegenschlagen, bevor gleich darauf ein strahlender Shane vor uns steht. Auf seinem schwarzen Tank-Top glänzen drei breite Goldketten in unterschiedlichen Längen.

»Yo, Leute. Hätte nicht gedacht, dass wir uns heute gleich wiedersehen. Das ist echt geil, Mann. Willkommen im Shadre's. Kommt rein.«

Er reicht mir seine Hand und schüttelt meine kurz. Dann streckt er sie Wy entgegen und die beiden verhaken in einer schnellen, komplizierten Abfolge ihre Finger auf verschiedene Arten ineinander, bevor sie sich am Ende abklatschen.

»Ach und Wy, setz dir die hier doch bitte auf. Du bist zwar out, aber noch nicht so out, dass dich im Club keiner mehr erkennt.« Shane grinst breit, als er sich seine schwarze Cap mit der Aufschrift »Shadre's« vom platinblonden Haar zieht und auf Wys Kopf platziert.

»Fuck, weißt du, was es normalerweise kostet, wenn ich für irgendeinen Laden Werbung mache?«

Shane zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung, Mann. Aber ich schätze, im Moment bist du billiger als ich.«

Aus Wys Kehle löst sich ein tiefes, warmes Lachen. »So weit wird es niemals kommen. Aber ein paar Träume darfst du ja haben.«

Auch Shane lacht, dreht sich um, hält uns die Stahltür auf und winkt, damit wir ihm folgen. Ganz im Gegensatz zum Innenhof sieht es hier drinnen edel aus. Der breite Flur ist dunkel gefliest, die Schwarz-Weiß-Fotos von Sängern auf der Bühne werden von schicken Leuchtern angestrahlt, die den Raum in ein angenehm gedimmtes Licht tauchen.

»Das ist einer von Shanes Läden. Er hat einiges draus gemacht, kein Vergleich zu dem, wie es vor ein paar Jahren hier aus...« Wys letztes Wort wird bereits von der Musik verschluckt, die plötzlich etwa doppelt so laut ist wie zuvor, weil Shane die dicke, schallgedämpfte Tür zum Club geöffnet hat.

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt