56 ◉ Wy ◉ Einfach

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»Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich noch jemanden mitgebracht habe.« Tias schöne graue Augen werden groß, als sie auf ihren Teddy blicken, der unter meinem Arm klemmt. »Man fällt ziemlich auf mit dem Kerl, im Taxi, auf der Straße, im Flugzeug. Wie kommt es, dass er so riesengroß ist?«

Fuck. Ich bin so verflucht unsicher und nervös, dass ich völlig hirnlos irgendeinen Mist labere, nur um zwanghaft cool zu wirken. Dabei war erzwungene Coolness noch niemals cool. Außerdem hat sie mir deutlich gesagt, dass ich lieber Gefühle zeigen sollte.

»Mr. Miller«, haucht sie und streckt ihre Hände nach ihm aus, woraufhin ich ihn ihr in die Arme drücke. »Mein Dad hat ihn für mich auf dem Rummel gewonnen. Beim Dosenwerfen. Ich habe ihn gesehen und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich wollte ihn unbedingt haben.«

Fuck, ich wünschte, sie würde über mich so reden. Und mich mit dem gleichen liebevoll versonnenen Lächeln ansehen.

»Dad hat so viele Versuche gebraucht. Wahrscheinlich hätte er mir mit dem Geld im Spielzeugladen drei davon kaufen können.« Sie drückt ihn noch fester an sich. »Du hast mir gefehlt, Mr. Miller.«

Kann man auf einen Teddy eifersüchtig sein, weil er die Worte zu hören bekommt, die man selbst gerne hören würde? Man kann. Definitiv.

Ihr scheuer Blick huscht wieder nach oben, findet meine Augen. Wir stehen uns gegenüber, so verdammt sprachlos. Nach allem, was heute Nachmittag zwischen uns passiert ist, fühlt es sich seltsam an, jetzt wieder Abstand zu halten. Es bringt mich um, ihr so nahe zu sein und sie nicht berühren zu dürfen. Es gab nur diesen kurzen Kuss in der Garderobe, aber all die Berührungen und tiefen Blicke beim Videodreh haben sich so echt angefühlt. Und manchmal sagen Blicke sogar mehr als ein Kuss. Jetzt kommt es mir vor, als wäre das alles in einer anderen Welt passiert, und in einer anderen Zeit. Unwirklich und lange vergangen.

Als die Stille zu drückend wird, räuspere ich mich. Tia blinzelt, als wäre sie gerade aus einem Traum erwacht.

»Ähm, ich dachte, wir könnten uns auf die Terrasse setzen. Die ist wirklich wunderschön.«

»Ich weiß.«

»Ja, natürlich weißt du das. Schließlich hast du ja diese Wohnung für mich ausgesucht, als du mich loswerden wolltest.«

Die Schärfe in ihrer Stimme ist nicht zu überhören, und es tut weh, dass sie so schlecht von mir denkt, aber gleichzeitig bewundere ich sie. Ich bin stolz darauf, dass sie mir so schonungslos die Meinung sagt. Dass sie mir zeigt, wie verletzt sie ist. Am Anfang wäre das undenkbar gewesen.

Sie scheint keine Antwort zu erwarten, denn sie dreht sich bereits um. »Du kannst schon mal rausgehen, ich bringe Mr. Miller nur schnell ins Schlafzimmer.«

Mein Blick folgt ihr, als sie auf eine weiße Tür zustrebt. Ein langer schwarzer Rock mit einem Schlitz bis zum Oberschenkel umspielt ihre Beine, dazu trägt sie ein türkisblaues Top, das ihre schlanke Gestalt betont. Sie ist wahnsinnig gut in Form, als hätte sie in letzter Zeit noch mehr Sport getrieben als sonst. Genau wie ich.

Die Tür fällt hinter ihr zu und ich trete durch die offene Glastür auf die Terrasse. Der Blick auf die Skyline, hinter der gerade die Abendsonne verschwindet und sie in orangerotes Licht taucht, ist überwältigend.

»Willst du was trinken? Wein? Oder doch lieber Jägermeister?«

Ich zucke zusammen, als ihre Stimme direkt hinter mir ertönt, denn ich habe sie nicht kommen hören. Und weil mich ihre Worte irgendwie treffen, denn ich kann überhaupt nicht einschätzen, ob sie das ironisch oder vollkommen ernst meint. Langsam drehe ich mich um. Ihre Augen blitzen mir angriffslustig entgegen und es ist okay. Ich habe es verdient. Trotzdem kann ich es nicht lassen, zu kontern. Wenigstens ein bisschen.

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt