60 ◉ Wy ◉ Das Versprechen

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Zwei Monate zuvor bei Katies Strandhaus

Die Tür knallt hinter mir ins Schloss und ich schiebe weiter. Weiter, immer weiter den Kiesweg entlang, auf dem der Rollstuhl nur schwer vorankommt. Verdammt, wie hat Jesse es nur geschafft, diesen Weg alleine hochzufahren?

Das alles hätte nie passieren dürfen. Sie hätte Jesse nicht begegnen dürfen. Jedenfalls nicht so. Niemals auf diese Weise. Fuck, und wie beschissen ich sie behandelt habe! Es holt einen immer wieder ein. Jedes verdammte Mal. Eigentlich müsste ich das inzwischen wissen.

»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Also was zur Hölle machst du hier? Das ist Katies Haus«, bringe ich keuchend hervor. Mein Atem geht schwer, weil ich völlig außer mir bin und weil es verdammt harte Arbeit ist, Jesse und seinen Rollstuhl bis zur Grundstücksgrenze zu befördern. Dort bleibe ich stehen, stelle mich vor ihn und unsere Blicke treffen sich. Das herausfordernde Funkeln in seinen Augen verheißt nichts Gutes.

»Dasselbe könnte ich dich fragen. Schleppst du jetzt deine Weiber wirklich schon in Katies Haus ab, um sie zu nageln? Reicht dir deine Bonzenvilla dafür nicht mehr aus?«

»Sprich verdammt noch mal nicht so über Tia!«, fahre ich ihn an. Er zuckt kaum merklich zusammen. Wenn er jetzt Angst vor mir hat, dann geschieht ihm das recht! Meine Fingernägel graben sich schmerzhaft in meine Handflächen, weil ich mich daran hindern muss, auf irgendetwas einzuschlagen. Auch die frische Morgenluft kann die heiße Wut in mir nicht mehr kühlen.

Fuck! Fuck! Fuck!

Doch sollte tatsächlich kurz so etwas wie Furcht in ihm gewesen sein, dann ist sie sofort wieder verflogen. Stattdessen reißt er seine Augen auf, als hätte er gerade die Erkenntnis des Jahrhunderts gewonnen. »Fuck, Mann ... Sie bedeutet dir etwas. Sie bedeutet dir sogar verdammt viel.«

Ein breites Grinsen platziert sich auf seinen Lippen, während seine Augen viel zu amüsiert funkeln. Außerdem liegt ein Ausdruck in ihnen, der mir nicht gefällt. So etwas aufgeregt Triumphierendes, als wäre er ein Spürhund, der gerade eine vielversprechende Fährte gewittert hat.

»Sie bedeutet dir wirklich was. Wow. Dass du überhaupt noch in der Lage dazu bist, irgendwas anderes zu fühlen als Wut und Enttäuschung und Verzweiflung. Du weißt schon, all den destruktiven Shit. Da bist du wohl besser dran als ich. Ehrlich gesagt, das habe ich nicht erwartet. Ich habe echt gedacht, eure Lovestory wäre ein riesiger Fake. Aber so ist es nicht. Ganz und gar nicht.«

Fuck. Ich hasse es, dass er mich immer noch so gut kennt, um mir das alles innerhalb von zwei Minuten vom Gesicht ablesen zu können. Und ich hasse es noch mehr, dass er jetzt so darauf herumreitet. Ich muss das Thema wechseln. Sofort.

»Es ist Katies Haus, das stimmt. Aber sie will es nicht. Deshalb frage ich mich, was du hier machst.«

Lässig verschränkt er seine muskulösen Arme vor der Brust. »Ganz genau. Sie will es nicht für sich, aber sie lässt mich drin wohnen.«

Etwas in mir krampft sich enttäuscht zusammen. Ist es falsch, es als Verrat zu empfinden, dass Katie mich beschimpft und mir den Schlüssel vor die Füße geworfen hat, um das Haus jetzt irgendwie doch für ihre Zwecke zu nutzen? Ich habe den Schlüssel da liegen lassen, weil ich dachte, sie würde es sich vielleicht irgendwann anders überlegen. So war das allerdings nicht geplant.

»Was ist mit deiner Wohnung, Jesse? Du weißt schon. Die, für die ich jeden Monat die Miete bezahle.«

Er zuckt mit den Schultern, als würde es sich um eine kleine Nebensächlichkeit handeln. »Hab ich untervermietet. Du hast mich mit jeder einzelnen Rechnung zu diesem Simon dackeln lassen, da musste ich mir eine andere Einnahmequelle verschaffen.«

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt