Rosa hat uns beide auf die Couchlandschaft der Dachterrasse verfrachtet, uns nacheinander lange umarmt und ist dann erstaunlich schnell verschwunden, um uns unserem Schicksal zu überlassen.
Immer noch völlig überrumpelt blinzle ich die junge Frau an, die mir auf dem cremefarbenen Sofa im überdachten Bereich der Terrasse gegenübersitzt. Ein Deckenventilator fächelt uns Luft zu, aber im Gegensatz zu mir sieht sie nicht aus, als hätte sie die Abkühlung nötig. Während ich mir sicher bin, dass meine Wangen noch immer glühend rot leuchten und verschwitzte Strähnen an meiner Stirn kleben, ist ihr dunkles Haar glatt und glänzend. Es ist deutlich kürzer als beim letzten Mal, reicht ihr nur noch bis zu den Schultern. Diesmal trägt sie legere Kleidung. Ein enges rosa Top, das den Blick auf ihr glitzerndes Bauchnabelpiercing freigibt, und eine weite schwarze Stoffhose. In ihren Ohren stecken große goldene Creolen.
Sie ist wunderschön. In meinen verschwitzten Sportklamotten und mit meinem zerzausten Pferdeschwanz fühle ich mich neben ihr wie Aschenputtel. Und zwar nicht am Ballabend.
Jodie greift nach der Champagnerflasche im Eiskübel, der zwischen uns auf dem niederen Mahagonitisch steht, und hebt fragend die Augenbrauen. Automatisch nicke ich. Wahrscheinlich sollte ich erst einmal einen Liter Wasser trinken, so durstig wie ich nach dem Training immer noch bin, aber der Alkohol scheint mir im Moment hilfreich dafür, diese mehr als seltsame Situation zu verarbeiten. Wir nippen beide an unseren Gläsern, lassen uns dabei nicht aus den Augen und fixieren uns abwartend. Ich werde sicher nicht die erste sein, die sich hier aus der Deckung wagt.
Denn irgendwo in meinem Inneren hege ich ein tiefes Misstrauen gegen diese Frau, das übelkeitserregend in meinem Magen rumort. Ich kann mir einfach nicht erklären, welchen Grund sie dafür haben könnte, hier bei mir zu sein. Es gibt nicht viele Menschen, die einfach nur nett sind, ohne finstere Absichten zu verfolgen. Wahrscheinlich hätte ich ihr entgegen allen Höflichkeitsregeln nicht einmal die Tür geöffnet, wenn sie nicht schon in der Wohnung gewesen wäre, als ich nach Hause kam.
Gut möglich, dass in meiner Abneigung auch eine große Portion Neid mitschwingt. Jodie verkörpert so viel von dem, was ich auch gerne hätte. Selbstbewusstsein, Sicherheit, Stil, eine positive Ausstrahlung, ein Ruhen in sich selbst. Als wüsste sie genau, was sie will. Sie hat so viel von dem, was ich mir wünsche. Ihre eigene Musik, Echtheit, Unabhängigkeit, Freiheit. Sie scheint sich selbst längst gefunden zu haben, während ich mich gerade erst auf die Suche mache. Und ich weiß, dass ich noch einen langen Weg vor mir habe.
Nur eines haben wir beide nicht mehr. Seltsam, dass das Einzige, was uns verbindet, das ist, was wir verloren haben.
»Okay, es ist weird, das ist mir klar«, bricht sie schließlich das Schweigen. »Weißt du, als Rosa mich heute Morgen angerufen hat, dachte ich im ersten Moment, dass sie jetzt völlig verrückt geworden ist. Dass ich ziemlich sicher der letzte Mensch bin, den du gerade um dich herum haben willst. Aber inzwischen glaube ich, dass es gar keine so schlechte Idee von ihr war. Trotzdem will ich, dass du weißt, dass du mich hier nicht ertragen musst. Du kannst mich jederzeit wegschicken und dann gehe ich. Ich bin auch nicht sauer oder so, obwohl dir das in dem Fall egal sein könnte.«
In ihrem intensiven Blick liegt so viel Aufrichtigkeit, dass ich ihr sogar glaube. Ich nicke langsam.
»Warum machst du da mit? Wir kennen uns kaum. Uns verbindet nichts außer dieser einen Sache. Du hast sicher was Besseres zu tun, als dein Wochenende für mich zu opfern.«
Ich spreche zu leise, aber immerhin habe ich es geschafft, meine Worte in einen vernünftigen, flüssigen Satz zu packen. Etwas, das mir bei Fremden immer noch schwer fällt. Aber es wird besser.
Sie schüttelt den Kopf. »Kein Opfer. Wirklich nicht. Vielleicht hilft es ja, wenn wir Zeit miteinander verbringen und reden. Uns beiden. Und ich denke wir haben viel mehr gemeinsam als diese eine Sache.«
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Verflixter Rapper!
Romance⩥ ROMANCE ⩤ Popsängerin Cynthia Gale ist auf dem Weg nach oben. Auf der Bühne fühlt sich die sonst so schüchterne junge Frau frei und selbstbewusst. Mit Ehrgeiz und harter Arbeit erzielt sie erste Platzierungen in den Charts. Der zynische Rapstar Wy...