4 ◉ Tia ◉ Zu viel

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Nervös streiche ich meine feuchten Hände an meiner schwarzen Skinny-Designerjeans ab, zu der meine Stylingberaterin eine figurbetonte rosa Bluse kombiniert hat. Ich verabscheue Rosa, doch Rhonda ist der Ansicht, dass es gut zu meinem mädchenhaft-unschuldigen Image passt. Mein Schrank ist deshalb vollgestopft mit Kleidungsstücken in dieser schrecklichen Farbe.

Mit ihr zusammen stehe ich vor der Tür zum Besprechungsraum im Bürogebäude von Wyatt Shaws Manager. Gleich werde ich den unverschämten Rapper kennenlernen, und diese Tatsache bewirkt, dass mein Herz heftig gegen meine Brust pocht, während sich in meinem Magen ein flaues Gefühl ausbreitet.

Noch nie war ich gut darin, auf andere Menschen zuzugehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Situationen wie diese sind mir verhasst. Mir graut vor belanglosem Smalltalk und ich bin auch schrecklich schlecht darin. Aus lauter Angst davor, etwas Peinliches zu sagen, wird es dann erst recht peinlich, wenn ich es schließlich schaffe, meinen Mund aufzumachen. Außer sinnlosem Gestammel kommt mir dabei nur selten etwas über die Lippen.

Natürlich habe ich mir ein paar Sätze zurechtgelegt, die ich bei unserer ersten Begegnung sagen könnte, doch mit einem Mal ist mein Verstand vollkommen außer Betrieb gesetzt. Ich kann mich an kein einziges Wort erinnern. Ich muss also auch noch improvisieren – und in Situationen, in denen ich improvisieren muss, fühle ich mich schon immer schrecklich unwohl.

Überall, außer auf der Bühne, wo ich seltsamerweise noch nie Angst oder Unsicherheit gespürt habe und jede Schwierigkeit in den Griff bekomme. Dort bewege ich mich mit traumwandlerischer Sicherheit, vertraue in mich selbst und weiß genau, was ich kann. Als wäre ich ein anderer Mensch.

Die Empfangsdame, die uns bis hierher begleitet hat, klopft kurz an, um uns dann mit einem freundlichen Lächeln die Tür zu öffnen. »Bitte schön. Mr. Banks und Mr. Shaw erwarten sie bereits«, verkündet sie und macht einen Schritt zur Seite, um uns vorbeizulassen. Meine Knie sind weich wie Butter. Hoffentlich schaffe ich es, unfallfrei in dieses Zimmer zu gehen und blamiere mich nicht schon in der ersten Sekunde, indem ich ungeschickt hineinstolpere.

Ich nehme einen tiefen Atemzug und halte mich dicht hinter Rhonda. Mit zittrigen Fingern schiebe ich meine Sonnenbrille nach oben ins Haar, als wir eintreten und ich neben ihr stehenbleibe.

Mein Blick erfasst ihn sofort. Er trägt einen dunklen Hoodie und hat sich die Kapuze ins Gesicht gezogen, seine Hände stecken in den Hosentaschen seiner dunkelblauen Jeans. Diese Aufmachung und seine ganze Haltung empfinde ich als unhöflich, der Typ strahlt nichts als Ablehnung aus. Mit allzu vielen Manieren sollte ich bei ihm aber vermutlich auch nicht rechnen.

Unruhig zuckt mein Blick von Wyatt Shaw zu seinem Manager, der mir mit einem strahlenden Zahnpastalächeln entgegenkommt und noch im Laufen seine Hand hinstreckt. Trotz des vollklimatisierten Raumes stehen kleine, glitzernde Schweißperlen auf seiner hohen Stirn. Sein hellblaues Hemd spannt sich um seinen runden Oberkörper und droht beinahe, die Knöpfe zu sprengen. »Wie schön, dich kennenzulernen, Cynthia. Ich bin Simon Banks, aber nenn mich doch bitte Simon.«

Er umgreift meine zögerlich gehobene, kalte Hand mit seinen beiden heißen und verbreitert sein Lächeln zu einem Grinsen. Der Geruch seines schweren, herben, offenbar viel zu übertrieben dosierten Aftershaves steigt mir aufdringlich in die Nase und nimmt mir kurz den Atem. Für einen Moment legt er den Kopf schief und sieht mich nachdenklich an, dann lässt er den Blick zu meiner Managerin schweifen. Dass er meine Hand dabei weiterhin festhält, ist mir unangenehm, doch ich bringe es nicht über mich, sie ihm zu entziehen. »Rhonda.« Mit fröhlich blitzenden Augen nickt er ihr zu. »Ich freue mich sehr, dass unser Deal zustande kommt.«

Endlich lösen sich seine Finger, was mich erleichtert die angehaltene Luft ausstoßen lässt. Meine Augen fliegen wie magnetisch angezogen sofort wieder zu Wyatt, der nun langsam auf mich zukommt. Seine Hände sind nach wie vor in den Hosentaschen vergraben, als er in einigem Abstand vor mir anhält.

Verflixter Rapper!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt