Als ich das Wohnzimmer betrete, summt Rosa leise vor sich hin, während sie den Wischmopp energisch über den hellen Marmorboden schwingt. Unwillkürlich schleicht sich ein Lächeln in mein Gesicht, denn ich erkenne die Melodie. Ihre braunen Augen treffen die meinen, kurz zuckt sie erschrocken zusammen, dann lächelt sie verschmitzt, nimmt die kleinen weißen Stöpsel aus ihren Ohren und legt sie auf den gläsernen Couchtisch.
»Tut mir leid, ich wollte dich nicht ...«
»No, no, no ... Nicht deine Schuld, Tia. Du konntest ja nicht wissen, dass eine alte Frau wie ich so laut Musik hört, dass es schon nicht mehr gut für die Ohren sein kann. Weißt du, ich mag eure neuen Lieder so gern, Chava«, gesteht sie fast verlegen. »Ihr habt so eine unterschiedliche Art, eure Musik zu machen, und doch passt es perfekt zusammen. Es ergänzt sich. De una manera hermosa. Genau wie ihr zwei im richtigen Leben.«
Mein Lächeln erstirbt auf meinen Lippen, während ich vorsichtig mit kleinen Schritten um die frisch gewischten Stellen herum zum Sofa tipple und mich kraftlos darauf fallen lasse. All die Nächte mit viel zu wenig Schlaf machen sich so langsam bemerkbar.
»Bist du sicher?«, entwischt es mir. Gleich darauf beiße ich mir heftig auf die Unterlippe. Diese Frage hätte ich besser nur denken und auf keinen Fall laut aussprechen sollen. Spürnase Rosa verengt auch sofort die Augen zu schmalen Schlitzen und legt den Kopf schief.
»Was hat der Junge angestellt?«
»Brauchst du vielleicht Hilfe beim Putzen? Ich könnte ...« Verzweifelt suchend gleitet mein Blick durch den Raum und bleibt an Wys Regal mit den verschiedenen Awards hängen. »Ich könnte ... abstauben?«
»No, no. Ich habe gestern abgestaubt.«
»Was ist mit Blumen? Ich könnte welche aus dem Garten holen«, schlage ich vor, in der Hoffnung, mich so ihrem Röntgenblick zu entziehen. Nur nicht zu tief in dieses Thema eintauchen, denn ich weiß genau, dass sie mich dann durchschaut. Gut möglich, dass sie das sogar schon getan hat.
Bedeutungsvoll richtet Rosa ihren Blick auf den frischen, bunten Strauß auf dem Couchtisch. »Da war ich heute Morgen schon.« Sie lehnt den Wischer an die Wand und setzt sich neben mich. Ihre dunklen Augen fixieren mich aufmerksam. »Sag mir, was dich bedrückt, Tia. Du siehst nicht gut aus. Müde.«
»Danke, das hört man doch gerne«, erwidere ich in einem letzten schwachen Versuch, mich aus der Schlinge zu winden. Das Lächeln, das ich auf meine Lippen zwinge, ist so falsch, dass es weh tut.
Sie legt ihre warme Hand auf meine und drückt sie, und es ist fast so, als würde etwas von ihrer Kraft und Zuversicht auf meinen erschöpften Körper und meinen ratlosen Geist übergehen. Ich hatte es nicht vor, aber vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee, mit ihr zu reden, bevor der Gedankenstrudel in meinem Kopf mich immer tiefer zieht.
»Wenn man den schweren Sack auf viele Schultern legt, dann ist er für jeden nicht mehr so schwer. Und auch die Seele wird leichter.«
»Kannst du das Wy mal sagen?«
Sie runzelt die Stirn, richtet den Blick auf die Blumen und nickt langsam, als wäre soeben der Groschen bei ihr gefallen. Ich kann nicht verhindern, dass meinen Lippen ein leiser Seufzer entweicht.
»Ich weiß, ich muss geduldig sein«, murmle ich leise. »Aber das ist schwer. Er tut so, als wäre alles in Ordnung, aber ich spüre genau, dass da etwas ist, das ihn nicht loslässt, das ihn belastet. Es steht so zwischen uns und es kommt mir vor, als würde er sich immer weiter von mir entfernen. Ich würde ihm so gerne helfen, aber ...«
»Er lässt dich nicht«, ergänzt Rosa meinen Satz, als ich nicht weiter rede. Gedankenverloren schüttelt sie den Kopf, den Blick immer noch ins Leere gerichtet. »No lo sé. Geduld ist gut, aber ich weiß nicht, ob Geduld in diesem Fall noch hilft, Tia. Dios mío, ich dachte auch, das wäre die Lösung. All die Jahre habe ich gewartet. Ich habe gewartet und gewartet, aber bis heute hat er nicht mit mir gesprochen. Nicht darüber.«
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Verflixter Rapper!
Romance⩥ ROMANCE ⩤ Popsängerin Cynthia Gale ist auf dem Weg nach oben. Auf der Bühne fühlt sich die sonst so schüchterne junge Frau frei und selbstbewusst. Mit Ehrgeiz und harter Arbeit erzielt sie erste Platzierungen in den Charts. Der zynische Rapstar Wy...