103. Eintrag

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Kennt ihr dieses Gefühl wenn ihr wisst, dass eine Person in eurem Leben sterben wird. Irgendwann. Und ihr müsst jeden Tag dabei zusehen, wie es der Person schlechter geht? Hilflos! Weil ihr einfach schon alles ausprobiert habt?


Mir geht es eigentlich schon immer so. Ich habe einen kleinen Bruder. 4 Jahre jünger als ich, also 11 Jahre alt. Für die Ärzte ist es ein Wunder, dass er überhaupt so alt geworden ist. Genauso ein Wunder ist es, dass er überhaupt laufen und sprechen kann. 


Mein Bruder hatte einen vorgebrutlichen Schlaganfall. Das heißt, dass er einen Schlaganfall hatte bevor er überhaupt geboren wurde. Und durch diesen Schlaganfall hat er jetzt eine Halbseitenlehmung. Dazu kommt das er Epilepsie hat. Und diese Epilepsie kommt, weil ein Augenarzt meinem Bruder Augentropfen geben lassen hat, die nicht für Leute mit Schlaganfall sind. 


Natürlich war weder der Artzt noch die Artzthelferin, die die Augentropfen gegeben hat, schuld. Naja und ebend durch die Vergiftung mit den Augentropfen kamen die epileptischen Anfälle. Aber nicht nur einen am Tag, sondern ziemlich viele. Ich habe mal eine Zeit lang mitgezählt, aber es abgebrochen, weil ich Angst vor den Zahlen hatte. Denn bei jedem epileptischen Anfall hört mein Bruder für kurze Zeit auf zu Atmen. Und in dieser Zeit kannst du nichts machen, außer daneben sitzen und hoffen, dass er nicht stirbt. Klar haben wir ein Notfall Medikament, aber auch das wirkt nicht mehr richtig. 


Und am schlimmsten ist es, wenn mein Bruder ziemlich viele kleine Anfälle hintereinander hat. Du kannst nur daneben sitzen, seine Hand halten und mit ansehen wie er leidet. Er schreit in solchen Fasen immer. Er fängt an zu weinen und du sitzt hilflos daneben. Und irgendwann gehst du an deiner Hilflosigkeit kaputt.


Die schlimmsten Phase in meinem Leben war aber, als mein Bruder ein Medikament bekam dessen Nebenwirkungen Selbstmordgedanken und die Gefährdung andere waren. Ich glaube damals war ich 10 und kurz nach dieser Phase ist meine Bruder im Krankenhaus fast an einer Überdosis seiner Medikamente gestorben. Auf jeden Fall musste ich in diese Phase jeden Tag  damit rechnen, dass wenn ich mich in der Küche umdrehe, ich ein Messer im Rücken stecken habe. Und das alles wegen einem Medikament, durch das es meinem Bruder eigentlich besser gehen sollte.


Zum Glück ist diese Zeit jetzt vorbei und ich darf mir nurnoch regelmäßig Wutausbrüche angucken.


Und obwohl ich in meinem Leben soviel Scheiße mitmachen musste bin ich glücklich. Ich weiß, dass noch sehr viel auf mich zukommen wird und genau deshalb versuche ich jeden Moment in meinem Leben zu genießen. Ich weiß wie es sich anfühlt, wenn die Eltern keine Zeit für einen haben und versuche deshalb zu verhintern, dass meine kleinen Geschwister dieses Gefühl genauso kennen lernen wie ich. Mir wird von meinen Eltern nie richtig zugehört, aber mitlerweile finde ich es nichtmehr so schlimm. Ich habe einen großen Bruder mit dem ich einfach zocken gehe und ihm meine Sorgen anvertraue. Und natürlich höre ich mir die Sorgen von meinen Geschwistern und Eltern an. Und bei 9 Leuten die dir ihre Sorgen erzählen, kommt ganz schön viel zusammen. 


Und durch die Sorgen der anderen merke ich, dass mein Leben gar nicht so scheiße ist. Ich habe Freunde die immer für mich da sind, auch wenn sie keine Ahnung haben warum ich ihre Hilfe brauch. Eine Familie in der sich alle aufeinander verlassen können, egal was auf uns zukommt. Aber am wichtigsten ist, dass ich einen kleinen Bruder habe der trotz mehrfacher Behinderung glücklich ist und mir jeden Tag ein lächeln ins Gesicht zaubert.


Jeder von euch kann glücklich sein. Ihr müsst nur immer nach vorne schauen. Klar gibt es immer schlechte Momente im Leben, aber ihr könnt sie trotzdem genießen. Ihr lernt daraus. Für euer ganzes Leben. Traut euch einfach glücklich zu sein. In jeder Situation, denn ihr habt nur ein Leben!


~onlyONEday

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