Kapitel 10

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Die damaligen Gelächter meiner Mitschüler gehen mir bis heute nicht aus dem Kopf. Ich wurde öffentlich erniedrigt und wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Wut sammelte sich in mir und ich wäre am liebsten schreiend geplatzt. Doch ich handelte verdächtig ruhig. Langsam lief ich auf mein Spind zu, sah mir das Bild genauer an und zerriss es vor jedermanns Augen. Anschließend formte ich es zu einem Ball und warf es auf den Boden. Niemand hatte mit der Reaktion gerechnet. Die Masse wurde immer ruhiger und löste sich schließlich auf. Obwohl ich es in diesem Moment nicht ausstrahlen konnte, war ich stolz über meine Handlung. Keiner hatte damit gerechnet und es wirkte so, als würde mich dieses Stück Papier kalt lassen. Lässig öffnete ich meinen Spind, als mir ein Brief entgegen flog. Sofort bekam ich Hoffnungen, dass der Verfasser dieses Briefes den vorherigen Brief schrieb. Die Schulglocke unterbrach meine Gedanken. Alle betraten die Klassenräume. Ich stand als einzige im Jahrgang und beschloss mich, die nächste Stunde zu Schwänzen und den Brief zu lesen. Zwar könnte ich den Brief auch nach der Schule lesen, doch ich sah es als Ausrede, um nicht in den Unterricht zu müssen. Ich wusste, ich würde während des Unterrichtes an nichts anderes mehr denken als an das bearbeitete Bild und den Brief.

Auf der Schultoilette angekommen, sah ich Aurela, die ihre Hände am Waschbecken wusch. Sie sah mich vom Spiegel aus an. Ohne ein Wort mit mir zu wechseln, wollte sie an mir vorbei, doch ich hielt sie fest und zog sie zurück in den Raum. Sie sah mich wütend an. Diesen Blick hatte sie jedesmal aufgesetzt, wenn wir uns stritten. "Wieso hast du das mit meinem Account gemacht?", fragte ich sie. "War lustig.", gab sie mir grinsend zurück. Aurela in so einer Tonlage hatte ich noch nie erlebt. "Glaub ich wohl kaum." Sie wurde wütender und mit einem unangenehmen Tonfall brüllte sie mich nahezu an:" Hör mir zu, Dilara. Du nervst uns alle schon eine Ewigkeit. Kannst du nicht realisieren, dass du nicht perfekt bist?!" Mit einer unsicheren Stimme fragte ich:" Wann habe ich das denn behauptet?" "Hast du nicht laut ausgesprochen, aber wir merkten es an deinen Taten. Du denkst, dass du bei allem perfekt bist. Bist du aber nicht. Du bist hässlich, untalentiert und geizig! Ich könnte über deine nervige Art ein Buch schreiben und keiner würde es kaufen, weil du einfach so langweilig bist.", diese Worte von ihr brachen mir mein Herz. "Und jetzt lass mich gefälligst in Ruhe, du Schlampe!", fügte sie hinzu und verließ die Toilette. Mit offenem Mund lies sie mich allein. Ich knallte die Tür fest zu, lehnte mich an ihr und wusste nicht mehr weiter. Ihre Worte waren so verletzend und ich verstand einfach nichts von dem, was sie sprach. Noch nie hatte ich versucht die beste oder perfekt zu sein. Wie konnte sie das nur von mir denken? Ich schloss mich in einer Kabine ein, setzte mich auf den geschlossenen Toilettendeckel und las mir den Brief durch. Ich wusste, er würde mich aufbauen.

"Dilara,
du bildschöne. Du Naturschönheit machst mich bei jeder deiner Atemzüge glücklich. Mein einziges Problem ist, dass ich nach wie vor der Meinung bin, dass du zu gut für mich bist. Und deshalb habe ich so Angst, dass du jemanden besseres finden wirst und mich ganz vergisst. Dein wunderschönes Gesicht geht mir nicht aus dem Kopf. Deine schönen blauen Augen. Passend zu deinen schwarzen Haaren. Deine Stupsnase und schönen Lippen machen dich zum schönsten Mädchen. Jedes Mal wenn du lächelst, ich schwöre ich muss dann auch Lächeln. Deine großen Zähne passen perfekt zu deinem lebhaften Lächeln. Bitte vergiss nicht täglich zu lächeln. Egal, in was für einer Lage du dich befindest. Du darfst niemals vergessen zu lächeln. Wie ich es dir in dem vorherigen Brief schon geschrieben habe: Jeder versucht dich zu verletzen, weil sie neidisch auf dich sind. Du hast alles, was sie nicht haben. Das ist der einzige Grund, weshalb man versucht dich runterzuziehen. Sie sind alle mit sich selber unzufrieden! Vergiss das nicht und verändere dich wegen diesen Idioten nicht!"

Dieser Brief machte mich so glücklich, dass ich ihn mir immer und immer wieder durchlas. Nach einer halben Stunde verließ ich die Schultoilette mit einem Lächeln. Ich sah eine Klasse die an mir vorbei in die Sporthalle lief. Mein Lächeln konnte ich nicht verkneifen.

Batuhans Sicht:

Ich sah Dilaras Lächeln und wusste sofort, sie hatte meinen Brief empfangen und gelesen.

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