Kapitel 36

550 32 5
                                    

Batuhans Sicht:

Die Wände der Frauenarztpraxis schüchterte mich gewaltig ein. Wohlmöglich lag das daran, dass ich mich an die Situation noch nicht gewöhnen konnte. Niemals hätte ich gedacht, mit 17 Vater zu werden. "Danke, dass du mitgekommen bist, Schatz.", Jenny unterbrach meine Gedanken. "Halts Maul. Ich bin nicht dein Schatz.", entgegnete ich ihr. Obwohl ich sie nicht ansah, wusste ich, dass sie mir einen beleidigten Blick zugewandt hatte. "Ich werde die Mutter deines Kindes!" "Und jetzt?", wütend sah ich sie an. "Auch wenn du die Mutter von Obama wärst, würdest du mir am Arsch vorbei gehen." Jenny konnte auf meinen Wutanfall nicht reagieren, denn wir wurden in einen Behandlungszimmer gerufen.

Im Zimmer fragte mich die Frauenärztin, ob ich der Vater des Kindes wäre und ich bejahte ihre Frage. Die nächsten zehn Minuten saß ich auf Abstand und hörte kein einziges Mal der Ärztin zu. Es war mir egal. Ich war einfach noch zu jung, um mir ein Bild von der Erziehung zu machen.

Wenig später wurden wir auch schon herausgeschickt. Jenny brachte ich nach Hause und fuhr gegen 20 Uhr zu Dilara. Da ich bis zu jenem Tag immer noch kein Handy besaß, hatte ich keine Möglichkeit Dilara irgendwie zu erreichen. Also kletterte ich wie immer ihren Balkon hoch und klopfte an die Glastür. Wenig später kam sie mit einem Handtuch auf dem Kopf, was ihre nassen Haare umhüllte heraus. "Wo warst du?", war Ihre erste Frage. Ich bemerkte, sie war misstrauisch. Doch ich log sie weiterhin an:" Nachuntersuchung. Hab ich dir doch gesagt." Im selben Moment fing es langsam an, zu regnen. "Batuhan, hör auf mich anzulügen." Ich sah sie mit angespannten Augenbrauen an:" Was ist dein Problem?" "Du warst mit diesem Mädchen beim Frauenarzt!", schrie sie. Ich schloss schuldbewusst meine Augen. Dilara wurde wütender:" Wie kannst du mich nur anlügen?" Ich konnte weder in ihre Augen blicken, noch antworten. An ihrer gebrochenen Stimme merkte ich, meine Lüge hatte ihr Schmerzen hinzugefügt:" Batuhan, deine Vergangenheit wird mir immer wieder begegnen. Und ich weiß nicht, ob ich bereit bin damit zu leben.." In dem Moment unterbrach ich sie wütend:" Bist du nicht. Ich werde dir auch nicht gut tun. Aber du kannst nicht ohne mich!" Sie sah mich mit feuchten Augen an. In solchen Momenten konnte ich Dilara einfach nicht in die Augen schauen, also sah ich wie immer weg. "Und was wird mit dem Baby? Batuhan ich bin zu jung um einen Freund zu haben, der ein Kind von einer anderen hat.." Ich musste lachen:" Freund? Seid wann sind wir denn bitte ein Paar?" Dilaras Augen erweiterten sich und sie musste sich sofort rechtfertigen:" So meinte ich das nicht.." Ich unterbrach sie wieder einmal:" Ich werde dich diese Frage das erste und letzte Mal stellen: Bist du bereit, trotz meiner kaputten Vergangenheit mich in dein Leben zu lassen?" Sie sah mich nachdenklich an:" Ich.. Ich weiß nicht.." Ich nickte:" Das heißt nein." Ich schubste sie sanft zur Seite, betrat ihr Zimmer, nahm meine Tasche und wollte herunterklettern. Dilara nahm meine Hand, die ich aus Wut zu einer Faust geballt hatte. "Batuhan!", sagte sie. "So hatte ich das nicht gemeint! Versuch doch auch meine Lage nachzuvollziehen!" In dem Moment brach ich komplett aus. Ich schrie sie so laut und aggressiv an, wie ich nur konnte:" FRAG MICH DOCH ERST! ICH HABE STÄNDIG DIESE GEDANKEN IM KOPF! VERDAMMT, ICH WERDE VATER! MIT 17! VERSUCH DOCH MAL, MEINE LAGE NACHZUVOLLZIEHEN. ICH HALT DAS MIT DEM DRUCK NICHT AUS!" Unendliche Regentropfen tropften auf meine Haare und meinen Körper. Meine Haare waren schon klitschnass und ich empfand nichts außer Wut. Im selben Moment umarmte mich Dilara. Ihre Arme umschlugen meinen Körper und sie legte ihren Kopf auf meine nasse Brust. Zunächst erwiderte ich ihre Umarmung nicht. Doch wenig später Begriff ich, dass diese Umarmung genau das war, was ich in diesem Moment unbedingt gebraucht habe. Ich drückte sie noch näher an mich und genoss ihre Anwesenheit.

Im nächsten Moment hörten wir Dilaras Mutter und Dilara rannte sofort aus dem Balkon. Indem ich oft tief durchatmete, versuchte ich mich zu beruhigen. "BATUHAN!", hörte ich eine Stimme schreien. Es war mein Vater. Sofort sah ich herunter und er sah mich mit einem enttäuschten und emotionalen Blick an. "Was ist los?", fragte ich ihn und kletterte herunter.

In dem Moment, hätte ich niemals mit der Nachricht gerechnet. Sie war verstörend und unvorstellbar schmerzhaft. Sie nahm mir den Atem und ich dachte, mein Herz endgültig aufhören zu atmen.

FragwürdigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt