Kapitel 28

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Am nächsten Morgen sah ich schrecklich aus. Meine Haare waren fettig geworden und ich fühlte mich unwohl. Am gestrigen Abend hatten mein Vater und ich versucht meine Mutter wachzurütteln. Kurz bevor mein Vater einen Krankenwagen rufen wollte, kam sie zu sich. Wir versuchten den ganzen Abend sie zu beruhigen. Oft schrie und weinte sie wie eine verrückte. Aber ich fand es nachvollziehbar. Immerhin sollte mein Bruder wahrscheinlich für mindestens 6 Monate ins Gefängnis und wir waren machtlos. Wir konnten ihm nicht helfen. Das war Wohlmöglich das schlimmste daran. Meine Mutter hatte an dem Abend so oft über meinen Bruder geflucht. So oft hatte ich sie noch nie fluchen gehört. Immer wieder fielen die Worte:" Mustafa ist genauso wie dein Vater!" Diese Worte machten meinen Vater innerlich verrückt, aber er reagierte nicht darauf. Er war mit den ganzen Anwälten beschäftigt.

Die ganze Nacht über hatte ich nicht wirklich geschlafen und sah dementsprechend am nächsten Morgen so aus. Trotzdem machte ich mich ein wenig zurecht, sprich legte ein leichtes Make-Up auf und tuschte ein wenig meine Wimpern. Dazu Bund ich mir einen strengen Zopf und zog eine schwarze, enge Hose mit einem weißen T-Shirt und meiner Lederjacke an. Ich hatte nach dem Abend nicht sonderlich Lust mich aufwändig fertig zu machen.
Ich zog meine weißen Vans an, nahm meine Tasche und verließ das Haus eine halbe Stunde als gewöhnlich, denn ich wollte Batuahn sehen.

Vor seinem Haus angekommen, öffnete er mir nur mit einer schwarzen Jogginghose die Tür. Sein Oberkörper war freizügig und er sah verschlafen und kaputt aus. Mein Blick fiel sofort auf seinen Körper. Das Batuhan gut gebaut war, wusste ich. Aber dass sein Körper, vor allem seine Arme so breit und muskulös waren, hätte ich nicht gedacht. Ich sah ihm zurück in die Augen, die total lustlos aussahen. "Kann ich rein kommen?", fragte ich als aller erstes. "Geh zur Schule!", forderte er mich auf. Ich betrat das Haus:" Wenn du mitkommst."

Zusammen liefen Batuhan und ich auf sein Zimmer und er zog sich ein T-Shirt an, während ich mich auf sein Bett setzte. "Wo sind deine Eltern?", fragte ich und versuchte zu lächeln. "Weg.", antwortete Batuhan genervt und setzte sich auch auf sein Bett. "Ich hab dich gestern angerufen.." Er unterbrach mich sofort:" Handy ist Schrott." Ich nickte und zunächst war es ganz still. "Dilara, geh.", forderte Batuhan mich auf. Diese Situation erinnerte mich an die Situation im Café, als Batuhan betrunken war. Wütend würde ich:" Schau mir in die Augen und sag, dass ich gehen soll. Dann tue ich es auch, das schwöre ich dir." Er konnte nicht in meine Augen sehen. Ich näherte mich ihm und bemusterte seine Hand:" Was hast du getan?" Er zog seine Hand weg:" Das ist nichts." Ich sah mich in seinem Zimmer um. "Ganz ehrlich, wie viele Mädchen lagen hier auf dem Bett?", diese Frage kam unbewusst aus meinem Mund. Ich war wütend auf mich selbst und würde mich am liebsten selber Ohrfeigen. "Tausende.", antwortete Batuhan ummotiviert. Diese Antwort tat weh, aber ich ließ es mir nicht anmerken. "Dann bin ich also eine von tausenden..", sagte ich verträumt. "Nein. Dich Würde ich niemals berühren. Du bist viel mehr Wert, als die anderen." "Das wollte ich hören.", sagte ich lächelnd und nahm seine verletzte Hand. Diese legte ich mir auf den Schoß und bemusterte sie weiter. "Dilara, geh zur Schule." "Wenn du mitkommst!", erwiderte ich. "Ich kann nicht!", langsam wurde er aggressiver. "Wieso nicht? Hör auf so verschlossen zu sein! Erzähl mir einfach, was passiert ist.", schrie ich nahezu. "Dann würdest du niemals wieder etwas von mir wollen!", sagte er aggressiv. "Glaub mir, dass ist unmöglich!" Wütend stand er auf und lief nachdenklich durch das Zimmer. Ich stand ebenfalls auf und sah ihn erwartungsvoll an. Er holte oft tief Luft und seine Unsicherheit konnte man deutlich merken. "Mustafa ist verurteilt. Er ist im Gefängnis.", erzählte ich mit feuchten Augen. "Oh nein..", mit diesen Worten umarmte mich Batuhan leidenschaftlich und ich weinte an seiner Schulter. Er streichelte mich am Hinterkopf und flüsterte:" Alles wird gut." Langsam lies ich ihn los. "Das, was du mir erzählen willst, kann gar nicht schlimmer als das sein.", sagte ich aufmunternd, während ich meine Tränen wegwischte. "Ich werde Vater.", sagte Batuhan emotionslos. In dem Moment sah ich schwarz vor Augen und kippte um.

Batuhans Sicht

"DILARA!", schrie ich und fing sie auf. Sie war bewusstlos und ich stand erstmal unter Schock. Ich konnte einfach nicht handeln. Das erste, was ich tat, war ihren Puls zu fühlen. Sie war schonmal nicht tot, was mich um einiges erleichterte. Ohne wirklich nachzudenken, nahm ich die Autoschlüssel von meinem Vater und legte Dilara auf den Rücksitz. Ohne mich anzuschnallen oder auch nur ansatzweise nachzudenken, ob es das richtige wahr, fuhr ich los. Ich bin schon paar mal Auto gefahren. War jetzt nicht so, dass ich das erste Mal fuhr. Doch noch nie bin ich mit so viel Druck gefahren. Immer wieder sah ich nach hinten zu Dilara. Ob sie aufwacht, oder hinfällt oder sonst was passiert. Ich wahr hektisch und fuhr so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Es war unüberlegt von mir. Ich hätte lieber denn Krankenwangen rufen sollen. Doch ich war wie in einer Trance.

Ich sah während der Fahrt noch einmal nach hinten zu Dilara und bemerkte dabei nicht, dass das Auto die Straße verließ und mit einem sehr schnellen Tempo in die Richtung eines Baumen, der an einem Graben stand fuhr.

FragwürdigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt