Kapitel 44

609 35 10
                                    

"Du bist meins!"

Diese Worte hörte ich an jenem Abend so oft. Nach jedem zweiten Satz brauchte Batuhan die Bestätigung, dass ich seins war. "Komm, lass nach Hause. Ist spät geworden.", ich stand Stunden später auf und Batuhan folgte mir sofort. Während wir das Lokal verließen nahm Batuhan meine Hand und umschlug seine in meiner. Das versicherte mir auf irgendeiner Weise Sicherheit. Erst an dem Abend war ich mir zu 100% sicher, dass Batuhan es mit mir ernst meinte und wir eine Beziehung anstrebten.

Als wir aus dem Bus ausstiegen und in die Richtung unserer Häuser liefen, spielte Batuhan mit meiner Hand. Er war so betrunken und alberte die ganze Zeit herum. "Schlaf bei mir.", sagte er plötzlich. Ich sah ihn verwirrt an:" Wozu?" "Ich will dich bei mir haben." Ich ließ mich überreden und folgte ihm ins Haus. Zu meinem Gunsten waren seine Eltern schon schlafen und ich hatte somit eine peinliche Begrüßung vermieden.

In Batuhans Zimmer angekommen, legte ich mich sofort ins Bett und sah ihn an. Mit lächerlichen und unartigen Bewegungen zog er sich aus. Ich konnte in dem Moment mich vor Lachen nicht einkriegen. Nicht, weil ich Batuhans Bewegungen anziehend fand. Sondern, weil er sich nüchtern niemals so benehmen würde. Oberkörperfrei und mit Jogginghose legte er sich schließlich neben mich und zog mich fest an sich. Ein Lächeln verzog den ganzen Abend meine Lippen. Ich war einfach glücklich. Batuhan hatte die Macht meine Laune und Stimmung zu verändern. Meiner Meinung nach sollten die Menschen, die solch eine Macht besaßen vorsichtig umgehen. Denn schließlich ist man somit für jede Träne verantwortlich. Und Gott zählt bekanntlich jede Träne eines Menschen.

"BATUHAN, LASS MICH LOS!", schrie ich so laut ich konnte. Seine Hand war jedoch noch immer an meiner Brust befestigt und die andere Hand an meinem Oberschenkel. Seine nach Alkohol stinkenden Lippen legte er aggressiv auf meine. "Bitte, lass mich los!", schrie ich so laut ich konnte. Meine Haare, die nass auf meinem Gesicht lagen dämpften meine Worte und somit klangen sie leiser. Batuhan reagierte allerdings keineswegs darauf. Ich blickte in seine grünen, ausdrucksvollen Augen und hatte sie noch nie so leer und kaputt gesehen.

In dem Moment öffnete ich meine Augen und bekam plötzlich Atemnot. Es war alles nur ein Traum gewesen. Batuhan lag friedlich wie ein Kind neben mir. Ich versuchte regelmäßig zu atmen, was mir durch den gewaltigen Druck, den ich mir selber zufügte nicht gelang. Mein Albtraum war mehr als furchteinflößend, es war kaum zu beschreiben. Ich hatte des Öfteren Albträume, aber einer, indem Batuhan mich sozusagen bedrängt mit ihm zu schlafen, hatte alle Albträume in den Schatten gedrängt. Schweißgebadet stand ich leise auf und packte meine sieben Sachen ein. Leise verließ ich das Haus und bemerkte, dass wir 4 Uhr in der Frühe hatten.

Ein leises Stöhnen kam aus meinem Mund, als ich vor meinem Haus stand. Denn einige Lichter waren noch an. Meine Eltern müssten wach sein, denn niemals würden sie während sie schlafen die Lichter anlassen. In dem Moment, indem ich die Haustür aufschloss, hörte ich meine Mutter schreien:" Dilara?!" Ich zuckte kurz zusammen und blickte in ihre aggressiven, blauen Augen. Sie stand müde am Eingang, als hätte sie die ganze Nacht auf mich gewartet. Ich sah sie müde und erschöpft an, in der Hoffnung, das würde Mitleid in ihr auslösen. Doch danach sah es gar nicht aus. "Wo. warst. du?", fragte sie, indem sie jedes einzelne Wort betonte. Ich kratzte mich am Hinterkopf:" War mit Batuhan.." Sofort unterbrach sie mich mit ihren gewaltig geöffneten Augen und mit schnellen Schritten kam sie auf mich zu. Nachdem sie mich kurz durchtastete und an mir roch fing sie an zu urteilen. "Ihr habt miteinander geschlafen!" Ich Schritt es verständlich ab, indem ich meinen Kopf hin und her bewegte und sie anschrie:" Was?! Erwartest du sowas von mir oder was?!" "'Nein, mein Kind. Ich erwarte es von Batuhan. Ich habe keine Lust mit 40 Oma zu sein." Darauf hatte ich keine Antwort. Als sie merkte, dass ich keine Antwort darauf geben würde, wurde sie weicher. "Dilara, ich sage dir das jetzt nicht, weil ich dich unsicher machen will, aber Batuhan ist kein guter Umgang! Er ist aggressiv, hatte so viele Freundinnen vor dir und außerdem wird er Vater. Mit ihm wirst du nur Probleme haben." Sie hatte Recht. Batuhan würde nur Probleme hervorbringen, doch es war mir egal, denn ich liebte ihn. Und genau das sagte ich jenem Abend auch zu meiner Mutter.

"Schatz, du liebst Batuhan nicht. Du liebst Anil. Du kannst in so kurzer Zeit Anil nicht vergessen, das ist unmöglich. Vertrag dich doch wieder mit ihm. Wir mögen ihn auch, er ist ein guter Mensch.." Die Worte meiner Mutter gingen mir total auf die Nerven. "Misch dich bitte nicht ein!", mit diesen Worten lief ich genervt auf mein Zimmer. Zum Glück lief sie mir nicht nach, denn um 4 Uhr morgens hatte ich einfach keine Kraft, um mit ihr zu diskutieren.

Als ich mich in mein Bett schlafen legen wollte, machte sich eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper breit. Ich hatte Angst. Angst einzuschlafen. Angst in meinen Träumen Batuhan wieder zu sehen. Und vor allem Angst, dass sich meine Träume verwirklichen.

Wie erwartet hatte ich einen Albtraum. Es waren aber nicht Batuhan und ich im Bett. Sondern Batuhans Kind und Jenny. Ich war wie ein Geist und konnte sie sehen. Jenny saß faul auf der Couch während der kleine höchstens 7 Jahre alte Junge auf seine Mutter zulief. Jennys Gesicht konnte ich jedoch nicht sehen, da ich wohlmöglich Jenny zu selten gesehen hatte, um mich an ihr Gesicht zu erinnern.

"Mama, alle aus meiner Klasse haben einen Vater. Habe ich auch einen?"

Mit diesen Worten stand ich erneut schweißgebadet auf und konnte nach dem Albtraum kein Auge mehr zumachen.

FragwürdigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt