Kapitel 20

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Dilaras Sicht:

Nachdem, was mir Batuhan letzte Nacht erzählt hatte, musste ich ihn sehen. Das Spiel an sich verlief langweilig, aber zu sehen, wie gut er spielen konnte, war aufregend. Jedes Mal, als er den Ball zugespielt bekam und irgendwelche beindruckenden Bewegungen machte, sah er mich bestätigend an. Damit er glücklich war, lächelte ich ihn an und es kam mir so vor, als würde ihn das stärken.

Nach zwei Stunden war das Training auch schon zu Ende und alle Spieler begaben sich zu den Zuschauern und einige Sprachen noch paar Worte mit dem Trainer. Ich lief auf Batuhan zu, der ohne mit mir zu reden in die Umkleide wollte. "Batuhan!", rief ich und rannte buchstäblich auf ihn zu. Er drehte sich zu mich und sah mich erschöpft und verschwitzt an. Nichts ahnend gab ich ihm eine Umarmung und wusste, er war verwundert. "Umarm mich nicht. Ich schwitze.", sagte er und wollte mich von sich entfernen, doch ich ließ nicht locker. Schwitzende Jungs fand ich nicht schlimm. Damals hatte ich nach jedem Basketballspiel von Anil ihn fest umarmt. Schließlich erwiderte Batuhan meine Umarmung. "Wie war ich?", fragte er mich sofort, als wir uns lösten. "Batuhan, du spielst krank! Richtig gut! Wenn der Mann da dich nicht unter Vertrag nimmt, dann ist der richtig dumm!", sagte ich stolz. Sofort verzog er sein Gesicht:" Woher weißt du das mit dem Vertrag?" "Du hast mir gestern so einiges erzählt.", gab ich von mir. "Was denn?" Ich musste schlucken:" Vieles aus deiner Kindheit zum Beispiel." Batuhan verdrehte sofort die Augen und war wütend auf sich selbst. Er tritt gegen einen Stein und biss sich die Kiefer zusammen."Ist doch nicht schlimm, dass ich das weiß. Oder?", fragte ich ahnungslos. Er gab mir keine Antwort in strich sich aggressiv durch die Haare. "Irgendwann musstest du dich öffnen!", sagte ich und wollte seine Hand nehmen. Doch wie immer Stand sein Ego im Weg. "Ich geh duschen. Bis gleich.", gab er von sich und lief in die Umkleiden. Ich sah ihm nachdenklich nach, denn allmählich verstand ich, weshalb Batuhan so ein verschlossener Junge war.

Nach einer halben Stunde, kam er endlich aus der Umkleide. Ich wartete in der Zeit auf dem Rasen und hörte durch meine Kopfhörer Musik. Währenddessen hatte ich so langweile, dass ich versuchte, mir die letzten Noten für mein Stück an jenem Abend zu lernen. Das Stück war schwer und ich sollte eine Frau bei ihrem Gesang mithilfe meines Klaviers unterstützen. Somit bekam ich gar nicht mit, dass Batuhan auf mich zu kam. Erst, als er sich neben mich setzte, nahm ich ihn wahr und nahm meine Kopfhörer aus den Ohren. "Was machst du da?", hörte ich Batuhan sagen. Obwohl es kalt war, schien an dem Februartag halbwegs die Sonne und Batuhans Grünen Augen strahlten mich an. Ich stotterte kurz und antwortete, dass ich für Klavier lernte. "Spielst du schon lange?", fragte er mich und ich nickte. "Schon sehr lange. So wie du mit Fußball." "Fußball spiele ich seit ich 6 bin.", sagte er lachend. Batuhans Lächeln bekam man nie wirklich mit, weil es immer kurz und auch sehr selten war. "Ich trete heute wieder auf. Wenn du willst, kannst du mir zugucken kommen.", lud ich ihn ein. Doch ich wusste, er würde mich abblocken:" Wenn das mit der Zeit passt. Kann ich nicht versprechen."

Während wir auf den Bus am Hauptbahnhof warteten, wurde es windig und kalt. Ich hatte ein T- shirt und darüber eine Lederjacke angehabt. Trotzdem war mir sehr kalt. Batuhan nahm aus seiner Tasche seinen schwarzen Hoodie heraus und zwang mich ihn unter meiner Lederjacke anzuziehen. Ich lehnte es oft ab, doch nahm es schließlich an. Und tatsächlich. Mir wurde viel wärmer und der Hoodie hatte Batuhans Eigenduft.

Es war 16 Uhr und ich kam endlich zuhause an. Meine Mutter hatte viel in der Küche zu tun, da nach meinem Auftritt Anils Familie zu besuch kommen würde. Ich hatte Anil seit ungefähr zwei Tagen komplett aus meinem Kopf verdrängt. Ich denke, weil ich unsicher mit unser Beziehung war. Und die ansteigende Freundschaft mit Batuhan fand ich um einiges aufregender, als 24/7 an Anil und unsere Zukunft zu denken.

Ich stieg unter die Dusche und machte mich fertig. Normalerweise würde ich länger als eine halbe Stunde überlegen, was ich anziehen sollte. Doch an jenem Tag wusste ich es sofort: schwarze Hose, schwarze Timberlands, weißes Top und Batuhans Hoodie. Dazu schminkte ich mich dramatischer, sprich mit Lidschatten, Eyeliner und MAC- Lippenstift "Diva". Meine Haare glättete ich und war sofort mit meinem Ergebnis zufrieden.

Um 18 Uhr fuhren meine Mutter und ich zur Arena, wo ich meinen Auftritt haben würde. Die 35- jährige Frau und ich probten noch einige Male bis wir um 19 Uhr auf die Bühne gingen. Wir begrüßten uns und ich sah auf das Publikum, das aus mindestens 300 Zuschauern bestand. Ich sah mich um und Anil saß wie bekannt neben meiner Mutter. Doch von Batuhan keine Spur. Obwohl es mich teilweise enttäuschte, ließ ich es mir nicht anmerken und begann mit meinem Stück. Keine 5 Minuten vergingen, als ich erneut auf das Publikum sah und tatsächlich Batuhan bemerkte, der sich in den hinteren Reihen einen Sitzplatz suchte. Als er ihn fand, sah er sich konzentriert mein Stück an und ich spielte noch motivierter.

Nach 10 Minuten war unser Stück auch beendet und wir bekamen reichlich Applaus. Hinter der Bühne packte ich meine Tasche und lief sofort in Anils Arme. Während des Stückes hatte ich überlegt, ob ich zuerst Batuhan begrüßen sollte. Doch ich wollte nicht, dass jemand auf falsche Gedanken kam. Also umarmte ich zunächst meinen Freund und meine Mutter. Im Anschluss wollte ich zu Batuhan, doch er saß nicht mehr auf seinem Platz. Ich sah mich hektisch um und sah ihn zum Ausgang laufen.

Ich rannte ihm hinterher und schrie seinen Namen. Erst als ich das dritte Mal seinen Namen rief, blieb er stehen und drehte sich zu mich. "Was?", fragte er abweisend. "Was ist los? Wieso wolltest du so schnell gehen?", fragte ich außer Puste. Er gab mir keine Antwort. "War ich schlecht?" Sofort schüttelte er seinen Kopf. "Wieso bist du gegangen?", fragte ich mit einer traurigen Mimik. Er zeigte keine Gefühle oder Emotionen, wie immer. "Vergiss es.", sagte er nur. Ich atmete auf. "Du spielst krass!", er lächelte mich an. Auf meinen Lippen entstand ein breites Grinsen und ich gab ihm eine Umarmung.

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