Kapitel 14

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Mustafas Worte taten mehr weh, als er es sich auch nur ansatzweise vorstellen könnte. Mit welchem Recht erzählte Aurela jeden, ich hätte mit Anil geschlafen. Da wir eine sehr lange Zeit zusammen waren, konnte sich das mein Bruder anscheinend auch vorstellen. Wenn selbst er ihr glaubte, konnte ich mir vorstellen, dass auch viele andere ihr glauben schenkten. Ich fand es unendlich traurig, dass mein eigener Bruder mir so etwas unterstellte. "Dilara hat nicht mit Anil geschlafen!", schrie meine Mutter. Mit einem anflehenden Blick sah sie mich sicherheitshalber nochmal an, nach dem Motto "Ist doch so, oder?". Ich schüttelte entsetzt mein Kopf:" Wie könnt ihr mir das zutrauen?" Mein Gesicht verzog sich und selbst von meiner Familie fühlte ich mich verraten. Meine Mutter versuchte mir diese Gedanken rauszureden:" Nein, nein! So war das nicht gemeint.." Ich stand kurz davor zu weinen und wollte auf mein Zimmer hoch, doch mein Vater brüllte mich an:" Du bleibst hier!" Sofort Kniff ich meine Augen zusammen und drehte mich zu ihm. "Wir sind eine Familie und wir klären das jetzt!", schrie er diesmal etwas sanfter. Ich sah meinen Bruder schlagartig an. Noch immer hatte er einen bösen Blick drauf. Mit einer verheulten Stimme lief ich langsam auf ihn zu:" Ich habe mit Anil nicht geschlafen, ich schwöre es!" Er nickte ironisch:" Wieso behauptet das deine beste Freundin dann?" "Sie hasst mich. Eigentlich hassen mich alle." Als ich diese Worte aussprach, brach ich weinend zusammen. Meine sensibelste Seite kam zum Vorschein. Laut auszusprechen, dass mich alle hassten war ungewohnt. Meine Mutter umarmte mich sofort und ich weinte mich an ihrer Schulter aus. Mein Vater verstand nicht, wieso alle gegen mich waren. Er fragte Dutzende Male nach, doch meine Mutter schüttelte ihren Kopf und mein Vater verstand, dass er nicht weiter darauf eingehen sollte.

Später in meinem Zimmer lag ich auf meinem Bett. Ich sah nachdenklich auf meine Decke und war erschöpft. Seit Tagen war ich so gut wie nur am weinen. Meine Augen spielten bei so vielen Tränen auch nicht mehr mit und brannten höllisch. Als wären sie mit Säure verätzt worden.
Der Abend an sich verlief auch schnell wieder um.

Am nächsten morgen hingegen stand ich recht früh auf. Auch an dem Morgen beschloss ich mich zu duschen und mich besondern schön für die Schule zu machen. Denn ich hatte etwas gewagtes vor: Aurela meine endgültige Meinung sagen. Ich zog mir eine schwarze Hose, einen weißen Pulli und eine grüne Jacke an. Passend dazu meine Vans. Meine Haare lockte ich und schminkte mich etwas mehr, als sonst. Sprich trug Make-Up, Eyeliner, Wimperntusche und einen dunkel roten Lippenstift von MAC auf. Ich fühlte mich dadurch schön und war selbstbewusster.

Direkt in der ersten Pause, als ich aus meinem Klassenzimmer trat sah ich sie. Sie stand in einer Gruppe mit mehreren Mädchen und Jungs. Zu dieser Gruppe von Freunden gehörte ich vor einer Woche ebenfalls zu. Ich fand es so schade, dass sich nun alle gegen mich wandten. Und meiner Meinung nach auch ohne Grund. Ich holte tief Luft und lief langsam auf die Gruppe zu. Als ich mich dieser näherte, erkannte ich auch Anil, der bei Ihnen stand. Früher standen wir immer zusammen in der Gruppe. Ihn zu sehen, schreckte mich leicht ab, doch fest entschloss Aurela meine Meinung zu sagen lief ich auf die Gruppe los. In den Stunden davor und am vorherigen Abend hatte ich sehr oft diese Konversation durchdacht. Was ich alles sagen könnte und was sie Wohlmöglich antworten würde.

Je mehr ich mich der Gruppe näherte, desto auffälliger waren die Wunden von Anil. Auch sein blaues Auge war unübersehbar. "Was will die denn hier?", hörte ich eine Stimme aus der Gruppe sagen. Sofort drehten sich alle zu mich und sahen mich schief an. Insbesondere Aurela. "Was willst du?", hörte ich sie sagen. Wut bildete sich in mir. Anil wusste anscheinend, was mein Problem war und sagte behutsam:" Dilara, habe das schon geklärt!" Auf seine Worte gab ich keine Achtung und schrie Aurela an:" Mit welchem Recht wagst du es meinem Bruder so einen Schwachsinn zu erzählen? Ich habe mit Anil nicht geschlafen, das weißt du!" Aurela wiederum verzog nur ihr Gesicht. "Kannst du auch mal antworten?", schrie ich diesmal etwas sanfter. Sie nahm es auf die leichte Schulter und meinte eingebildet:" Überleg du mal, weshalb DEIN eigener Bruder mir glaubt anstatt seiner Schwester?" Ich musste schlucken und bekam kein Wort heraus. Und so blieb es auch. Die Gruppe kicherte kurz und ich wusste nicht, wie ich mich zu rechtfertigen hatte. Immerhin hatte Aurela auch recht.

Als es so schien, als könne ich mich nicht retten, griff mir Batuhan unter die Arme. Er kam plötzlich hervor und stellte sich neben mich. "Ganz ehrlich, Aurela. Mustafa glaubt dir nur, weil Dilara so lange mit Anil zusammen war. Nicht, weil man dir trauen kann oder so. Du bist nichts als Abschaum. Lächerliche Menschen, wie du und deine hässlichen Freunde haben es verdient so wie Dilara behandelt zu werden.", gab er selbstbewusst von sich, nahm meine Handgelenk und bevor jemand ihm eine Antwort gab machten wir uns aus dem Staub.

Vor einer Woche hätte ich niemals damit gerechnet, dass Batuhan mich auf irgendeiner Art und Weise verteidigt hätte. Ich konnte ihn vor einer Woche nicht einmal leiden. "Danke.", sagte ich und wollte ihn umarmen, doch er lehnte es ab. "Bitte.", mit diesen Worten machte er sich davon.

FragwürdigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt