Kapitel 12

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Mein Vater betrat mit einer runzelnden Stirn mein Zimmer. Ich sah ihn voller Wut an:" Wieso ist sie hier?" Er atmete tief durch und schloss leise die Tür:" Deine Mutter hat mich angerufen. Sie vermisst dich.." Ich unterbrach ihn:" Nein! Das tut sie nicht!" Wütend stand ich auf und lief auf mein Fenster zu. Ich sah hinaus und wünschte mir, dass sie aus meinem Leben verschwand. Mein Vater näherte sich mir:" Batuhan, sie ist deine Mutter!" "Warum hat sie sich nicht so verhalten?", ich wurde immer wütender. Wie konnte mein Vater erwarten, dass ich jemals wieder mit ihr reden wollen würde? "Hör dir wenigstens an, was sie Zusagen hat!" Mein Vater überredet mich und gemeinsam liefen wir ins Wohnzimmer. Ich biss mein Kiefer zusammen, um viele Worte zu verschlucken. Mein Vater setzte mich neben sie. "Schön habt ihr es hier.", sagte sie zu meiner Stiefmutter. "Und seit wann seit ihr verheiratet?", fügte sie hinzu. Meine Stiefmutter antwortete meiner Mutter mit einer höflichen Stimme:" Seit fünf Jahren. Wir haben auch einen Sohn zusammen, Emir. Doch er ist gerade bei den Nachbarn. Ich hol ihn mal." Sie stand auf und verließ das Wohnzimmer. Nun waren wir wieder zu dritt. "Die Familie wieder vereint.", sagte meine Mutter und fasste mich an meinem Rücken. In dem Moment zuckte ich sofort zusammen. Es war ein Reflex, den ich als Kind bei jeder Berührung von meiner Mutter hatte. Sie erschrak und merkte langsam, dass ich nicht reden wollte. Trotzdem ließ sie nicht locker:" Batuhan, wie groß und hübsch du geworden bist." Ich lächelte falsch. Die Stimmung war unruhig und mein Vater versuchte sie zu retten:" Wo wohnst du denn zurzeit, Suzan?" Ihren Namen zuhören brachte noch mehr Erinnerung zum Vorschein. Ich sah so gut wie gar nicht meine Mutter an. Ich konnte ihr nicht in die Augen schauen. "Ich wohne in Dortmund. Bin auch seid ungefähr zehn Jahren verheiratet und lebe mit den Kinder meines Partners zusammen. Die sind in deinem Alter, Batuhan.", sagte sie glücklich. Meine Augen erweiterten sich enorm. Mit einem aggressiven Blick sah ich sie schließlich an. Sie verstand nicht, warum ich aufgebracht war und ich stand auf. "Batuhan!", schrie mein Vater. In dem Moment brach ich aus:" WAS?" Ich brüllte so laut ich konnte:" Ich war jahrelangen beim Psychiater und musste viele Therapien besuchen, nur um das Ergebnis ihrer schlechten Erziehung zu verarbeiten. Aber ihr geht es super! Sie hat noch einmal geheiratet und sich nicht für mich interessiert!" Mein Vater stand auf und wollte mich beruhigen. Im selben Moment hörte ich Emirs Geheule aus dem Flur. Anscheinend hatte er mein Geschrei gehört. Das letzte Mal sah ich entsetzt und wütend zugleich meine Mutter an. Sie saß schuldig und hatte feuchte Augen. "Du bist nicht meine Mutter! Warst du nie, wirst du auch in Zukunft nie sein!", sagte ich ihr und verließ aufgebracht das Haus. Meine Stiefmutter sah mir mit Emir im Arm nach. Aus meiner Jackentasche nahm ich meine Zigarettenschachtel und lehnte mich gegen die Wand unseres Hauses. Meine Zigarette zündete ich an und schloss meine Augen. Langsam rutschte ich die Wand runter auf den Boden. Ich stürzte meine Arme an meinen angewinkelten Beinen an und rauchte entspannend meine Zigarette. Noch immer Kniff ich meinen Kiefer zusammen. Als ich meine Augen langsam öffnete sah ich Dilara auf mich zulaufen.

Dilaras Sicht:

Ich verließ das Haus und wollte zum Ballett-Training fahren. Lange hatte ich überlegt, ob ich hingehen sollte. Doch entschied mich dann dafür. Der Brief hatte mich so gestärkt, dass mir sogar die verletzenden Worte von Aurela nicht mehr so interessierten. Ich konnte sie verkraften und wollte, um sie zu provozieren beim Training mitmachen. Als ich das Haus verließ und an Batuhans Haus entlang lief, hörte ich ihn jemanden anbrüllen und die Tür knallen. Batuhan verließ sein Haus und rauchte vor der Tür. Sofort erkannte ich, dass es ihm miserabel ging. Zwar lebte Batuhan seit ungefähr 3 Jahren neben mir, doch ich hatte ihn noch nie so aufgebracht gesehen oder gehört. Obwohl ich ihn nicht so gern hatte, entschloss ich mich mit ihm zu reden. Langsam lief ich auf ihn zu und er öffnete seine Augen. Als er mich sah verdrehte er diese und schrie mich an:" Geh!" Ich ging nicht darauf ein und setzte mich neben ihn auf den kalten Rasen. Verwundert sah er mich an. "Hast du mich nicht gehört?", fragte er wütend nach. "Wie geht es dir?" Er atmete tief durch. Nach kurzer Stille, antwortete er mir:" Scheiße." Ich sah ihn von der Seite an und musste Lächeln. Mit angespannten Augenbrauen sah er auf die Straße. "Mir geht es auch scheiße.", sagte ich und lächelte dabei. Batuhan musste grinsen:" Du lächelst aber." "Du doch jetzt auch. Ein Lächeln muss schließlich nicht direkt Fröhlichkeit ausstrahlen." Sein Lächeln verschwand und er rauchte weiter.

Nach ungefähr zehn Minuten standen wir auf und verabschiedeten uns. Wir hatten in den zehn Minuten sehr selten gesprochen, was ich auch nicht schlimm fand. Noch nie hatte ich Batuhan in einer solchen Lage gesehen.

Etwas zu spät kam ich in der Sporthalle, in der wir Training hatten an. Keiner war in der Umkleide, also zog ich mich schnell um, damit ich nicht noch mehr verpasste.

Als ich die Turnhalle betrat, waren alle schon mitten im Training. "Entschuldigung für die Verspätung, Ivana. Ich wurde aufgehalten", sagte ich schuldbewusst. Alle hörten auf zu üben und sahen mich mit großen Augen an. Von Aurela und der restlichen Tanzgruppe bekam ich nur blöde Blicke an den Kopf geworfen. Sie erwarteten, dass Ivana mich anschrie, da sie sehr streng mit unserem Kurs umging. Mit einer strengen Mimik sah sie mich an:" Ich hoffe diese Verspätung war eine Ausnahme. Möchte dich ungern aus dem Kurs zu den Anfängern werfen." Ich nickte. "Dafür, dass du zu spät bist, wirst du die Hausaufgabe vortanzten." Jeder sollte alleine oder zu zweit einige Schritte üben und vortanzen. Die ganze Gruppe sah mich gespannt an. Unbedingt wollte ich gut sein und allen, insbesondere Aurela beweisen, dass ich auch ohne denen alles geben könnte. Ivana öffnete einige Lieder und ich fing an zur Musik zu tanzen. Alles, was um mich herum geschah, vergaß ich während des Tanzes. Ich tanze, als würde es um mein Leben gehen. Das liebte ich am liebsten. Während des Tanzes genoss ich dieses Gefühl der Freiheit und verwöhnte meinen Kopf. Er war endlich für eine kurze Zeit frei und sorglos. Als ich meinen Tanz beendete, klatschte Ivana laut und kam auf mich zu. Da nur Sie am klatschen war, Zwang sie die anderen auch. "Klatscht doch mal! Sie hat Bestleistung gegeben! Mit dir schaffen wir es locker ins Finale!", sagte Ivana begeistert. Diese Worte bauten mich auf und stärkten mich sehr. Die Bestätigung zubekommen, dass man etwas gut kann, stärkte meine Persönlichkeit. Einzige Hacken daran war, dass ich es sehr selten bekam. Die verrunzelten Stirne der Gruppe fielen mir besonders auf. Alle sahen mich an als hätte ich einen erneuten Fehler begangen. Doch dieses Mal wusste ich, es war nur deren Neid. Genau wie der Anonyme Verfasser meiner Briefe es mir versicherte.

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