Kapitel 27

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Meine Gefühle und Gedanken, die ich in dem Moment verspürte konnte ich mit keinem Wort der Welt beschreiben. Es war einfach unmöglich für mich, mit 16 Vater zu werden. Jenny weinte am Telefon und ich legte einfach auf. Zunächst kam es mir so vor, als sei ich eingefroren. Ich konnte mich nicht bewegen und eine Gänsehaut machte sich an meinem ganzen Körper breit. Im nächsten Moment allerdings sammelte sich Wut in mir und ich warf mein Handy durch die Luft. Ich sah, wie es gegen mein Haus krachte und in viele Einzelteile zersprang. Wütend schlug ich mehrere Male mit meiner geballten Faust gegen Dilaras Wände. Bis meine Hand anfing zu bluten. Ich brüllte laut aus dem Balkon und merkte, dass Anil und Dilara erschrocken die Glastür öffneten. Doch ich ignorierte die beiden und kletterte herunter. In dem letzten Meter flog ich wieder hin, aber es war mir egal. Wütend lief ich nach Hause.

Dilaras Sicht:

Am nächsten Tag fuhr ich nach der Schule direkt zum Sportplatz, da Batuhan mir vor seinem wütenden Abgang schrieb, der wichtige Mann wolle ihn wieder spielen sehen. Ich freute mich sehr und wollte ihm bei Seite stehen. Doch Batuhan erschien nicht zum Training. Sein Trainer und ich riefen ihn unendliche Male an. Herr. Ay wurde auch unruhig und ungeduldig und beendete schon nach einer halben Stunde das Training. Ich wusste nicht, was los war und wollte zu Batuhan nach Hause fahren.

Doch an der Bahnhaltestelle traf ich auf Anil, der mich wütend anbrüllte:" Was hab ich dir gestern gesagt, man? Ich will nicht, dass du so viel Zeit mit Batuhan verbringst! Du bist nur noch bei ihm und seinem Training! Zu meinen kommst du nicht einmal. Du antwortest nicht auf meine Nachrichten, Telefonate oder sonst was! Was ist nur los mit dir? Willst du vielleicht lieber mit Batuhan zusammen sein?" Diese ganzen Worte ließen mich kalt und ich antwortete Anil zunächst nicht. Er brüllte noch einmal:" Boah, langsam Stelle ich unsere Beziehung in Frage. Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns trennen!" "Mit wem hast du mich eigentlich nochmal betrogen?", fragte ich emotionslos. Er verstand den Zusammenhang nicht und sah mich wütend an. "Wieso?", fragte er nach einer gefühlten Minute. "Ich will es wissen. Wer war es?" Er räusperte sich:" Ehm, kennst du nicht." Ich nickte ironisch, weil ich mit der Antwort schon gerechnet hatte. Obwohl es mich brennend interessierte, ließ ich locker und merkte, dass auch Anil sich beruhigte. "Ich habe dir die Briefe geschrieben.", erzählte er. Meine Augen erweiterten sich extrem und ich schrie:" WAS?" Er nickte:" Ich war es." Sofort stotterte ich:" Du hast dich beim letzten Mal dann selber beleidigt, oder was?" "Wollte dich prüfen. Die Briefe habe ich nur benutzt, um dich aufzumuntern. Würden die Worte alle aus meinem Mund kommen, würdest du mir nicht glauben. Dilara, ich liebe dich." Die ganzen Gefühle, die ich für Anil empfand tauchten alle wieder auf und ich umarmte ihn leidenschaftlich. Anschließend küsste ich ihn auch:" Die Briefe haben mich wirklich aufgebaut." "Das wollte ich hören, Schatz."

Wüsste ich damals, dass Anil gelogen und während meiner Abwesenheit die Briefe las und mitnahm, hätte ich wahrscheinlich sofort Schluss gemacht.

Zurück auf dem Weg nach Hause fuhr ein Streifenwagen an mir vorbei und ich war verblüfft. Sofort dachte ich an Batuhan. Doch erst als ich mein Wohnzimmer betrat, begriff ich, dass die Polizei unseretwegen kam. Meine Mutter saß zurückhaltend und weinend auf der Couch, während mein Vater wütende Gespräche führte. Als meine Mutter mich wahrnahm, sprang sie auf und umarmte mich lange. "Was ist los?", fragte ich überrascht und überrumpelt. Meine Mutter hatte ich seit längerem nicht weinen gesehen. "Dein Bruder..", schluchzte sie. "Er ist wieder im Gefängnis. Und diesmal können wir ihn da nicht herausholen..", fügte sie hinzu und ich war baff.

Wie schaffte es Mustafa mit seinen frischen 20 Jahren so oft hinter Gittern zu sitzen? Jedes Mal musste mein Vater mithilfe seines Geldes ihn dort herausholen. Doch diesmal ließ sich anscheinend keiner mehr bestechen. Meine Mutter verlor ihre Nerven, als sie erzählte:" Er war seit einer Woche nicht zuhause und jedes Mal als wir ihn anriefen, meinte er, alles sei gut. Doch er sitzt seit 3 Stunden jetzt im Gefängnis." "Was hat er denn getan?", fragte ich meine Mutter unwissend. "Körperverletzung. Wahrscheinlich muss er ins Gefängnis in Castrop- Rauxel. Wir wissen es nicht." Die Abwesenheit von meinem Bruder bekam ich kaum mit, da ich tagtäglich versucht hatte, ihm aus dem Weg zu gehen. Es war unvorstellbar, dass mein Bruder im Gefängnis saß. "Wenn wir nichts dagegen unternehmen, sitzt Mustafa für mindestens 6 Monate im Gefängnis.", mit diesen Worten brach meine Mutter weinend zusammen und ich hatte sie noch nie in einer solchen Lage erlebt. Mein Vater half mir sofort und wir brachten meine Mutter zurück auf die Couch. Die nächsten Minuten verliefen so schnell. Mein Vater brüllte mich an, ich solle meiner Mutter ein Glas Wasser bringen und ein nasses Handtuch. Ich stand unter Druck und mein Vater versuchte meine Mutter wachzurütteln. An diesem Abend fing meine Familie an, zusammenzubrechen.

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