Kapitel 33

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Am nächsten Tag machte ich mir nicht wirklich die Mühe, um mich fertig zu machen. Am Abend zuvor hatte ich kaum geschlafen und dementsprechend hatte ich keine Kraft. Ich zog mir ein rotes, kartiertes Hemd mit einer weißen, gerissenen Hose und meinen schwarzen Vans an. Dazu Bund ich mir einen strengen Zopf und trug ein wenig Make-Up auf, damit man meine Augenringe nicht sah. Ich nahm meine Tasche und verließ auch schon das Haus. Als ich zur Bushaltestelle lief, hörte ich Batuhan meinen Namen rufen. Sofort blieb ich stehen, drehte mich um und sah ihn auf mich zu laufen. Ein dickes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und er gab mir zur Begrüßung eine intensive Umarmung. Ich fand zwar Umarmungen verloren an Wert, da man sie zu Begrüßungen oder ähnlichen benutzte. Doch in dieser Umarmung von Batuhan steckte so viel mehr. In seinen Armen hatte ich jedes Mal das Gefühl, dass ich geschützt und sicher war. Batuhans Eigenduft umhüllte meinen gesamten Kopf und ich genoss diesen schönen Duft. Erst in diesem Moment akzeptierte ich, dass "Zuhause" kein Ort, sondern eine Person war. Und mein Zuhause war mit Abstand Batuhan.

Zusammen fuhren wir zur Schule und unterhielten uns über verschiedene Dinge. Der Bus, der an unsere Schule fuhr, war wie jeden Morgen voll und ich fühlte mich bedrängt. Viele aus meiner Schule, besonders die Mädchen sahen mich mit schiefen Blicken an. Ich versuchte die Blicke zu ignorieren und unterhielt mich weiterhin konzentriert mit Batuhan. Doch je mehr Blicke ich einstecken musste, desto größere Angst bekam ich, zur Schule zu gehen. Dass ich nicht akzeptiert war, wusste ich ganz genau. Doch ich betete dafür, dass man mich ausnahmsweise an dem Tag in Ruhe ließ. Immerhin gingen mit Mustafas Worte nicht aus dem Kopf. Was ich die letzten Wochen durchgemacht hatte, konnte sich keiner vorstellen.

Doch egal, wie oft ich beten würde, meine Angst bestätigte sich. Denn an der Schule angekommen, klebten sehr viele Bilder von mir. Zwar war die Facebook-Seite gesperrt, doch all die Bilder, die gepostet wurden, klebten nun an den Wänden der ganzen Schule. Meine Welt brach zusammen und Batuhans Wut, war kaum aufzuhalten. Doch wir waren reif genug, um es zu ignorieren. Immerhin waren einige Hausmeister und Putzfrauen dabei die Bilder zu entfernen. Auch wenn die Bilder nicht mehr da wären, die Wunden an meinem Herzen konnte man nicht entfernen. Mitten in der zweiten Stunde, kam Emilia kurz auf mich zu. "Aurela. Sie war das mit den Bildern.", flüsterte sie und war auch schon wieder weg. Ich sah ihr nachdenklich nach. Hatte Emilia nicht vor zwei Wochen gesagt, dass sie ihre Fehler eingesehen und mich in der Schule beschützten wollte? Wieso hing sie nicht mit mir ab, geschweige denn sah mich an? Ich verstand sie einfach nicht.

In der Pause nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und ging auf Aurela, die mit zwei weiteren Freunden am Jahrgang stand los. "Was ist dein Problem, ganz ehrlich?", fragte ich sie mit einer bedrohlichen Stimme. Sie nahm mich allerdings wiedermal nicht ernst:" Ich weiß nicht. Ich mag dich einfach bloß nicht." "Ich hasse dich doch auch, aber mach mir keine Mühe Tausende Blätter zu drücken und überall hinzuhängen!", gab ich von mir. "Du bist ja auch dämlich. Ich habe jahrelang so getan, als würde ich dich mögen. Und jetzt wirst du für die Jahre büßen müssen. Du widerliche Schlampe." "Du bist so unreif. Wenn du mich nicht mochtest, hättest du direkt Freundschaft beendet. Nur Kinder machen so viel Drama draus." Sie lachte ironisch:" Ich mach Drama? Wer hat sich denn hier geritzt?" Ich war baff und hatte ein Kloß am Hals, der meine ganzen worte verschluckte. Doch wieder einmal Griff mir Batuhan unter die Arme. "Intelligenz ist heutzutage anscheinend genauso mangelhaft wie Respekt und Akzeptanz.", hörte ich ihn sagen. Mit diesen Worten legte er seine Arme um meinen Schultern, um zu übermitteln, dass ich nicht alleine war. "Aurela, wer bist du schon, dass du Menschen den Tag vermiesen kannst? Was denkst du wer du bist? Falls du es nicht weißt, ich kann es dir sagen. Du bist eine hässliche, Möchtegern Nutte. Bisschen undercover versuchst du deine schlampige Art zu verdeckend indem du alle auf Dilara loslässt. Obwohl sie nicht im geringsten so eine miese Hure ist wie du. Meine ganzen Kollegen haben mir erzählt, wie gern du denen eine geblasen hast. Dann hättest du auch noch Sex mit Anil, während der in einer Beziehung war. Und dann versuchst du Dilara in den Abgrund zu schubsen? Mal abgesehen, dass du Muslima bist, ist das ziemlich dreist. Du wirst für jeden Tag, indem du Dilara beleidigt hast büßen. Keine Sorge, dafür werde ich sorgen.", fügte er hinzu, lächelte überheblich und mit mir in seinen Armen gingen wir in eine andere Richtung.

Batuhan war in dem Moment mein Held. In meinen Augen wurde er immer wertvoller und wertvoller. Doch in dem Moment könnte ich niemals sagen, dass ich mich in ihn verliebt hätte. Immerhin war ich 3 Jahrelang Anils Freundin und habe ihn mehr als alles begehrt. Ich wusste, es würde mir schwer fallen, Anil zu vergessen und mein Herz Batuhan zu öffnen. Doch erstmal war ich froh, dass er und ich Freunde sind. Denn als Freund habe ich ihn sehr geschätzt. Dass Aurela Jungs eine geblasen hatte, hatte ich so oft gehört, doch damals stritt sie alles ab.

Nach der Schule fuhren Batuhan und ich zurück nach Hause. Während wir im Bus nebeneinander saßen und redeten, fiel Batuhan etwas ein. "Achja, Dilara hörst du gerne Shindy?", fragte er mich. "Paar Lieder find ich gut. Wieso?", antwortete ich verwundert. "Willst du mit mir auf sein Konzert gehen? Ist nach der Klassenfahrt. Wäre doch cool zu zweit." Auf meinen Lippen bildete sich erneut ein grinsen und ich ließ mich darauf ein. Als wir ausstiegen, wollte er mit mir kurz auf sein Zimmer und die Karten geben. Doch sobald wir die Tür öffneten, hörte ich Batuhans Vater ihn böse rufen. Seine Stimme kam aus dem Wohnzimmer und wir beide betraten verwundert diese. "Du hast Jenny geschwängert?", fragte der Vater schreiend. Ihn hatte ich noch nie so aggressiv gesehen. Batuhan war ruhig und bekam kein Wort heraus, was ich total nachvollziehen konnte. Der Vater lief wütend durch das Zimmer. Die Situation fand ich allmählich unangenehm. Auf einmal kam der Vater auf Batuhan zu und schlug ihm mit seiner Faust ins Gesicht.

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