35. Kapitel: Chris Clarke

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Der Raum war eiskalt.

Nochmal holte ich Luft, verschränkte die Hände auf dem eisernen Tisch. Mein Herz raste.

Ich wusste nicht mehr, was mich dazu gebracht hatte, dass ich jetzt hier saß. Mir war nur klar, dass es sicher keine Genie-Leistung von mir war.

Tief holte ich Luft, fuhr mir mit der Hand durch die Haare, merkte dabei, wie ich zitterte.

Ich hatte nie gedacht, dass ich mal hier sitzen würde. Vor allem nicht nach all der Zeit. Es machte nicht mal Sinn.

Wahrscheinlich war genau das der Grund. Weil ich selbst kaum noch wusste, was ich tat. Oder ... was das Beste wäre.

Auch wenn ich im Moment ... ansatzweise froh sein sollte. Ich sollte mich freuen, dass Mary da raus kam.

Und doch ... fühlte ich nichts dergleichen.

Nur diese erdrückende Schuld, die auf mir lastete.

Ich hatte die letzten Tage nur damit verbracht das Urteil zu lesen. Fast schon, als suche ich nach dem Fehler. Nach dem einen Satz, der das nichtig machte.

Es kam mir nicht echt vor. Wie ein viel zu ferner Traum, dass sie jetzt doch da raus war.

Und noch schlimmer: Dass ich sie sehen durfte. Das hieß ... wenn sie mich sehen wollte.

Ich hielt es nicht für so weit hergeholt, dass sie sich weigerte. Mary war ein Sturkopf. Das hatte sie zum Teil von mir.

Ich war weiter der Meinung, dass sie in der Hinsicht, mehr nach Ryan kam. Und es machte Sinn, dass sie glaubte, ich hätte sie im Stich gelassen.

Weil es mir genauso vorkam.

Ich hasste mich selbst dafür.

Denn ich war es, der einen Richter nicht überzeugen konnte, dass es ihr besser bei uns ging. Das war nicht Jamies Schuld. Es war meine.

Ich hatte ihr versprochen, dass sie nicht zu ihr musste. Und, dass sie ganz schnell wieder zu Hause wäre. Alles gelogen.

Und welchen Grund hatte Mary mich dafür nicht zu hassen? All das, was sie jetzt erlitt, war meine Schuld. Das alles war, weil ich als ihr Vater versagt hatte.

Ich hatte mich geweigert sie da rauszuholen.

Ich hatte mir nur versucht einzureden, dass es anders wäre. Dass sie nur mich hasste, aber nicht Mary. Dabei kannte ich diese Frau. Ich war der Einzige, der eine Ahnung hatte, wie sie tickte.

Und doch hatte ich nichts gelernt. War ich immer noch so dumm und naiv?

Alle sagten, ich sei ein verdammtes Genie.

Doch war ich so dumm, dass ich das Offensichtliche nicht sah. Oder ... ich redete mir ein, dass es nicht so kam.

Fest biss ich mir auf die Lippe, verdrängte die Hitze, die sich unter meinem linken Arm ausbreitete. In letzter Zeit wurde es wieder schlimmer. Es kam mir nur noch vor, wie ein Feuer, dass sich über meinen Arm zog.

Genau wie damals.

Vor Gericht hielt ich es fast nicht mehr aus.

Und egal, wie sehr ich ihre Blicke ignorierte – ich spürte sie. Und jeder tat weh. Wie ein Messer, das sich in meine Haut bohrte.

Langsam hob ich den Blick, als ich hörte, wie die Tür entriegelt wurde. Sofort fing mein Herz wieder an schneller zu schlagen. Es kam mir vor, als bliebe es mir in der Brust stehen.

Ich bekam keine Luft mehr, als die Tür aufschwang.

Sein Blick traf meinen. Er blieb im Türrahmen stehen und sah mich an. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, dass er mich nur so anstarrte.

MaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt