16. Kapitel: Mary Clarke

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Irgendwie blieb alles so ... schräg „normal." Und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Vor allem, weil es so „echt" wirkte.

Sie war so nett und ... als wäre das alles nie passiert.

Nur ... wenn es echt war, ... was war das dann davor? Sie konnte doch nicht wollen, dass ich Angst vor ihr hatte? Das ergab keinen Sinn. Wieso mich zu sich holen, nur damit ich Angst hatte?

Und ... ich wollte das auch nicht mehr. Es klang dumm, aber ich konnte nicht länger traurig sein. Oder wütend.

Ich wollte, dass es aufhörte. Und gleichzeitig, könnte es so bleiben. Nicht für immer, das war klar. Aber so, wie sie jetzt war, hielt ich es aus.

Denn ... so langsam fing ich an, sie zu mögen. So verrückt sich das anhörte.

Ich hatte nicht vergessen, was sie getan hatte. Und ... diese andere Seite an ihr, vergaß ich auch nicht. Es war nur ... sie war nett. Und ... im Moment kam ich mit ihr klar.

Ich wollte sie nicht hassen.

Ich wollte mich mit ihr verstehen. Trotzdem wollte ich aber nicht bei ihr bleiben. Sie war nicht meine Mutter. Und da war es egal, wie oft ich sie so nannte. Aber es gehörte mehr dazu. Es reicht nicht aus, dass ich ... mit ihr reden konnte, ohne dass sie austickte.

Ich kam mit ihr klar, aber ich vertraute ihr nicht.

Ich lebte bei ihr, fühlte mich dort aber nicht zu Hause, nicht sicher. Denn ich lebte mit einer Frau, die jederzeit an die Decke gehen konnte.

Es war nicht mein zu Hause. Nur ein Ort wo ich ... eine Weile blieb. So lange, bis ich wirklich heim durfte.

Und ich konnte nicht sechs Jahre lang darauf waren. Das das hielt ich trotzdem nicht aus! Selbst wenn ich mit ihr klar kam!

Es wirkte manchmal vor, als würde sie gerade so viel tun, dass ich hier bleiben wollte. Aber all das, was sie tat, war nichts im Vergleich zu Pops und Dad.

Sie mussten mir nicht beweisen, dass sie mich liebten.

Enisa schon.

Und nur ... weil sie mit mir Sachen machte, die ich mochte, hieß gar nichts. Ja, wir fuhren jetzt fast jede Woche in den Comicladen. Genau wie Bill und ich früher.

Nur war es ganz anders.

Jedes Mal hoffte ich insgeheim, dass ich ihn sah. Dass er durch die Tür kam und ... ich ihn nur sah. Als bräuchte ich einen Beweis, dass sie noch da waren.

Leise seufzte ich auf, blätterte weiter. Ich saß schon seit Stunden hier. Nur kam es mir jetzt immer vor, als würde ich beobachtet werden. Von Enisa. Sie saß in dem kleinen Café, das in dem Laden war. Zwar arbeitete sie jedes Mal, aber ... sie hatte mich im Blick, das wusste ich.

Langsam hob ich den Kopf, sah zu ihr. Manchmal wenn ich sie so ansah, erinnerte sie mich an Dad. Er guckte oft ähnlich wie sie, wenn er arbeitete.

Ich runzelte die Stirn, sah wieder in meinen Comic.

Es kam mir in letzter Zeit oft so vor, als ... versuchte ich zu sehr sie zu mögen. Weil es leichter wäre, wenn ich nicht diese Gedanken im Hinterkopf hätte. Wenn ich vergessen könnte, was war. Aber das ging nicht. Denn sie war immer noch diese Person.

Die Frau, die mir meine Familie genommen hatte ...

Leicht zog ich die Beine an, legte mir den Comic auf die Knie und las weiter. Das Gute an meinen Besuchen hier war ... es kam mir etwas so vor, wie früher.

Nur hier sitzen und lesen.

Selbst wenn Bill nicht da war.

Nach einer Weile hörte ich eine Stimme vor mir – die mir auch ... bekannt vorkam.

MaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt