TW: emotionaler und körperlicher Missbrauch/ Traumata/ Suizidgedanken/Missbrauch in der Beziehung
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„Bist du sicher, dass du okay bist?"
„Ja, sicher.", entgegnete ich, schloss die Tür hinter mir. „Und ich bin jeden Mittwoch hier, ist doch nichts dabei."
„Das mein ich nicht."
Ryan klang besorgt. Und mir war auch klar, dass er von was anderem sprach.
Man erfuhr nicht jeden Tag, dass seine Ex eine narzisstische Boderlinerin war.
Und ja, es war nicht das erste Mal, dass ich „Narzissmus" im Bezug auf sie hörte ... nur war eine finale Diagnose noch mal anders.
In den letzten Tagen erfuhr ich immer mehr über sie. Und ich konnte nicht sagen, dass ich das gut fand.
Auf der einen Seite ergab es so viel Sinn. Es erklärte, warum sie all das getan hatte, wieso sie so reagierte. Und doch ... machte es das alles nicht ein Stück besser.
Es entschuldigte nicht eine Tat. Sie war nicht die einzige, die mentale Probleme hatte. Und trotzdem lief nicht die halbe Welt rum und verletzte die Menschen, von denen sie sagten, dass sie sie lieben.
„Ich bin nur ein paar Stunden weg, okay?", sagte ich dann. „Zum Essen bin ich wieder zu Hause."
„Ich weiß, ich mein nur ... wenn du nicht allein sein willst." Er hörte sich etwas unschlüssig an. „Es war echt viel heute."
„Ist es das nicht inzwischen jeden Tag?", brummte ich.
Ein langes Seufzen kam von der anderen Seite.
„Und das alles geht noch eine Weile."
Ich nickte, schaltete mein Handy auf laut und zog meine Jacke aus.
„Irgendwie ... macht das Ganze aber Sinn."
„Was macht Sinn?"
Ich lehnte mich gegen die Wand, starrte eine Weile an die Decke.
„Alles.", brummte ich. „Ihr Verhalten. Es erklärt so viel, wenn man das jetzt bedenkt."
„Es macht es aber nicht besser."
„Das sag ich doch auch nicht." Ich griff wieder nach dem Handy, ging in Richtung Küche. „Es ist nur ... das macht es leichter, sie als ..."
Ich zögerte kurz.
„Ich weiß, wie das jetzt klingt. Aber weil ich das jetzt weiß ... sehe ich ... sie dadurch. Es ist ... wie das Treffen mit meinem Vater." Wieder blieb ich stehen, starrte nur ziellos durch die Gegend. „Ich hab ihn jahrelang nur ... als ein Monster gesehen. Ich hatte Panik, wenn ich nur an ihn dachte. Und ... am Ende ...ist er nur ein alter ... verwirrter Mann."
Ryan schwieg.
„Ich sage nicht, dass das seine Taten abmildert. Er hat Dinge getan, die ich nie vergessen werde. Und wer weiß, was er meiner Mutter angetan hat, als ich nicht da war um es zu sehen." Tief holte ich Luft. „Ich meine nur ... mit dem Wissen, dass ... er nur ein alter, verrückter oder ... verwirrter Mann ist, macht ihn das menschlicher. Und wenn ich jetzt weiß, dass sie diese Probleme hat, kann ich sie vielleicht auch so sehen. Mehr, als nur die Frau, die ..."
Ich brach ab, fuhr mir mit der Hand über die Augen.
„Ich weiß auch nicht. Vielleicht will ich nur begreifen, wieso sie so ist."
Ich zuckte mit den Schultern, lehnte mich an die Wand.
Weil ich einen klaren Grund haben wollte, dass es nicht an mir lag. Dass nichts von dem, was damals passierte, meine Schuld war.
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Mary
AlteleFortsetzung zu: Die Idee von Glück https://www.wattpad.com/story/189409523-die-idee-von-glück Sechs Monate sind seit dem Prozess zwischen Enisa und Chris vergangen. Während Ryan, Chris und auch Bill versuchen mit Hilfe von mehrere Therapeuten, ihr L...