Nachdem sie schweigend gegessen hatten, erhob Jonas sich von seinem Platz und eilte auf den Balkon. Kaum dass er draußen war, zündete er sich eine Zigarette an und ließ sich auf einem der beiden Stühle nieder. Er stöhnte dabei so herzzerreißend, als wäre er kurz vor dem Verhungern gewesen und hätte nun endlich ein Stück Brot gefunden.
Kopfschüttelnd folgte Matthias ihm, blieb jedoch im Türrahmen stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine ganze Weile beobachtete er Jonas. Sein braunes Haar hatte er wie üblich mit reichlich Gel und Haarspray in Form gebracht, den Pony schräg in die Stirn gekämmt. Um seinen Hals lag eine grobe, silberne Kette, genau wie um sein Handgelenk. Beides passte perfekt zu seiner gebräunten Haut. Er war sehr schlank, hatte die Figur eines Läufers und wie fast jeden Tag trug er eines seiner Muskelshirts. Nicht, dass er sonderlich viele Muskeln hatte, aber von diesen Unterhemden wie Matthias sie nannte, um ihn zu ärgern, hatte er in jeglicher Farbe gleich ein paar. Heute trug er ein gelbes zu einer blauen Jeans. Allerdings konnte sein nahezu perfektes Äußeres nicht sein Inneres verbergen.
Matthias suchte seinen Blick, aber seine Augen waren geschlossen, während er immer wieder die Zigarette an die Lippen führte.
„Du siehst müde aus", bemerkte er, was allerdings nicht mal im Ansatz beschrieb, wie erschöpft und ausgelaugt Jonas wirkte. Er holte tief Luft, hustete aber, da er etwas von dem kalten Rauch eingeatmet hatte und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. Matthias verkniff sich seinen Kommentar, dass Rauchen ungesund war und sah ihn weiterhin forschend an. Endlich schlug er die Augen auf, wenn auch nur halb.
„Ich sehe nicht nur müde aus, ich bin müde", sagte er matt, zog noch ein letztes Mal an seiner Zigarette und drückte sie in den Aschenbecher. Seine Bewegungen waren langsam und mühsam erhob er sich vom Stuhl und trat näher an ihn. Matthias schluckte schwer, denn es machte ihm zu schaffen, ihn so fertig zu sehen.
„Lässt du mich durch oder was?", fragte er und erst da realisierte Matthias, dass er die Balkontür blockierte. Sofort machte er sie frei, griff aber nach Jonas Handgelenk, als er sich an ihm vorbeischob. Langsam wandte Jonas sich ihm zu und zwang sich zu einem Lächeln, was aber eher eine Grimasse wurde.
„Bist du dir sicher, dass du heute noch fahren willst?", fragte er, woraufhin Jonas die Schultern zuckte.
„Ich habe es Antoine versprochen."
Matthias schüttelte den Kopf. Er würde unmöglich noch drei Stunden Auto fahren können, ohne einzuschlafen.
„Ich weiß nicht. Ich finde, du solltest in Ruhe schlafen und morgen fahren. Er hat doch sowieso erst morgen Geburtstag", schlug Matthias vor und hoffte inständig, dass Jonas zustimmen würde. Einen Moment lang schien er zu überlegen, bis er sich wie in Zeitlupe gegen ihn fallen ließ und seinen freien Arm um seinen Hals schlang.
„Oh", stieß Matthias aus und fing ihn eilig auf. Sofort wurde ihm warm ums Herz, als Jonas sich enger an ihn schmiegte.
„Ich bin vollkommen alle", murmelte Jonas leise an seinem Hals und klammerte sich noch fester an ihn.
„Bitte fahr erst morgen", flehte Matthias und seufzte erleichtert, als Jonas ein zustimmendes Geräusch ausstieß.
„Na komm, Zeit für dich, ins Bett zu gehen", sagte Matthias, schob Jonas an der Taille ein Stück von sich und verschränkte seine Finger mit seinen.
„Okay", sagte er nur noch und ließ sich bereitwillig von ihm ins Schlafzimmer führen. Matthias hatte das Gefühl, dass Jonas gleich im Stehen einschlafen würde. Unendlich langsam zog er sich das Unterhemd über den Kopf, anschließend stieg er aus seiner Hose, wobei er um ein Haar hingefallen wäre.
Matthias tat es ihm gleich und entledigte sich seiner Klamotten, bevor er sich ins Bett legte und mit der flachen Hand auf die angenehm kühle Matratze neben sich klopfte. Jonas kniete sich neben ihn aufs Bett und ließ die Arme nach vorn gleiten, bis er mit einem Stöhnen auf den Bauch plumpste und regungslos liegen blieb. Sorgfältig breitete Matthias das dünne Laken über ihm aus, das sie im Moment bei dieser Hitze als Decke benutzten und strich ihm sanft über den Rücken.
„Schlaf gut", flüsterte er, doch Jonas antwortete schon nicht mehr. Er grinste, legte sich gemütlich hin und schloss die Augen. Sofort wanderten seine Gedanken zu Jonas und er malte sich aus, wie er morgen Abend mit seinen Freunden in die Disko ging. Jedes Mal hatte er bisher seinen Ex dort getroffen, so als würde er riechen können, das Jonas zu Besuch war. Matthias entfuhr ein ersticktes Geräusch und spürte gleichzeitig ein unangenehmes Ziehen in seiner Brust. Ja, er war eifersüchtig, auch wenn Jonas ihm immer und immer wieder versichert hatte, dass er kein Interesse mehr an Markus oder sonst irgendwem hatte. Aber warum blockierte er dann nicht seine Nummer?
Unwillkürlich drehte er sich um und betrachte Jonas in dem schwachen Licht, das durch die Rollläden hereindrang. Er konnte sich schon ziemlich glücklich schätzen, dass Jonas mit ihm zusammen war, immerhin war es nicht selbstverständlich, dass er seine Kinder mit großzog. Vor allem Aaliyah, denn seit ihrer Geburt kannte sie Jonas und hatte in ihm eine Bezugsperson gefunden.
Matthias spürte, wie er lächelte, wenn er an Aaliyah und Jonas dachte, wie die beiden herumalberten, zusammen Hausaufgaben machten oder zusammen spielten. Wie von allein wanderte seine Hand über die Matratze zu der von Jonas. Allerdings schlief er bereits so tief und fest, dass er es gar nicht mehr mitbekam. Allmählich beruhigten sich seine Gedanken und mit dem Wissen, dass Jonas hier bei ihm war und er ihn liebte, konnte er schließlich einschlafen.
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Slice of Life - L'Affaire
De TodoJonas ist vollkommen gestresst von der Arbeit, worunter nicht nur er leidet, sondern auch sein langjähriger Freund Matthias und dessen Tochter Aaliyah. Bei all dem Stress kommt das bevorstehende Wochenende in Frankreich ganz recht. Ein alter Schulfr...