Kapitel 45 - Matthias

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 „Warte noch kurz, bitte", sagte Oskar neben ihm, nachdem er auf dem großen Parkplatz vor dem Caritasgebäude geparkt hatte. Noch immer blickte Matthias aus dem Seitenfenster, genau wie die meiste zeit der Fahrt. 

Oskars beinahe schüchterne Ton ließ ihn weich werden. Immerhin wusste er, dass Oskar nur das Beste für ihn wollte. Langsam wandte er sich zu seinem Freund um und sah ihm in die braunen Augen. Oskar hatte die Stirn besorgt in Falten gelegt und streckte genau in diesem Moment seine Hand nach ihm aus. Matthias beobachtete, wie er kurz seine Hand drückte, aber eilig die Berührung wieder unterbrach. 

„Es tut mir nur so leid, wie sehr er dich verletzt. Ich weiß, dass du ihn liebst und mit ihm zusammen sein willst, aber so behandelt zu werden hast du einfach nicht verdient", sagte Oskar sanft. 

Matthias Herz wurde schwer, denn im Großen und Ganzen stimmte er ihm ja zu. Allerdings konnte Oskar nicht so gut wie er Jonas Reaktion verstehen. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Jonas war oft unsicher und Markus wusste das nur zu gut auszunutzen. 

„Ich müsste Jonas mal allein erwischen. Ohne diesen Vollidioten", sagte er, gleichzeitig spürte er einen kleinen Stich im Herz. So wie es schien, ging Jonas nirgendwo mehr ohne ihn hin und er schien für ein Gespräch unter vier Augen nicht bereit zu sein. 

„Du hast ihm das doch klar gemacht. Wie oft hast du ihn schon angefleht nach Hause zu kommen? Sicherlich mehr als einmal", sagte Oskar, wieder eine Spur Wut in seiner Stimme. Matthias nickte matt. 

„Vielleicht braucht er ein paar Tage Zeit", sagte er, denn auch wenn er selbst nicht wollte, dass Jonas noch eine Sekunde länger bei Markus war, könnte das auch seine Chance sein. Wenn er Jonas nicht weiter drängte, ihm Zeit ließ, sich zu sortieren, vielleicht würde er dann zur Vernunft kommen. Oder er wurde so sehr von Markus bequatscht und zu Dingen gedrängt, die er eigentlich gar nicht wollte. 

„Glaubst du denn, dass er sich wieder einkriegt und zurückkommt? Dass er es schafft, von diesem Kerl wieder loszukommen, der ihn ganz offensichtlich irgendwie erpresst oder drängt?", warf Oskar ein, was Matthias verwundert die Augenbrauen zusammenziehen ließ. 

„Das klingt beinahe so, als...", setzte er an, fand aber nicht die richtigen Worte. 

„Als würde ich Jonas nicht mehr unterstellen, aus freien Stücken bei Markus zu sein? Ja, schon möglich. Weißt du... ich sollte auf dein Urteil vertrauen. Du glaubst, dass Markus ihm irgendwie nach diesem einen Ausrutscher ins Gewissen redet. Oder nicht?", wollte Oskar wissen und Matthias bekam langsam eine Ahnung, was in Oskar vorging. Er versuchte seine Wut zu vergessen und die ganze Sache rational zu analysieren. 

Matthias zuckte die Schultern, denn wieder einmal erinnerte er sich an Jonas Worte von vorhin. Er hatte so geklungen, als wäre es wirklich ein betrunkener Ausrutscher gewesen, der sich für Markus aber ganz anders angefühlt hatte und nun bequatschte er ihn, machte sein schlechtes Gewissen noch größer und versprach ihm das Blaue vom Himmel. 

„Ja, wahrscheinlich. Ich... ich weiß nur nicht, wie ich zu ihm durchdringen soll", seufzte er, fuhr sich verzweifelt mit der Hand durch die Haare und schloss für einen Moment die Augen. Sofort tauchten Bilder in ihm auf, die er am liebsten verdrängen wollte. Markus, wie er Jonas unsanft mit sich riss. Jonas ängstlicher Blick, seine deutlich erkennbare Unsicherheit und vielleicht auch die Gefühle, die er noch für ihn hatte. Nein, Jonas liebte ihn noch, da war er sich ziemlich sicher. Oskar seufzte ebenfalls. 

„Ich weiß es auch nicht. Aber wenn du reden willst, egal wann, dann ruf mich an, okay? Ich will nur nicht, dass du leidest", sagte Oskar, streckte wieder seine Hand nach ihm aus und legte sie auf seine. Matthias spürte, wie er sanft mit dem Daumen über sein Handgelenk und anschließend über seinen Handrücken fuhr. 

Slice of Life - L'AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt