Regungslos stand Matthias da. Wie lange, konnte er nicht mehr sagen, aber der Taubheit in seinen Füßen nach zu urteilen sehr lange. Das war nun wirklich mehr als eindeutig gewesen, da gab es keinen Interpretationsspielraum mehr, ob Jonas noch mit ihm zusammen sein wollte oder nicht.
Auf einmal glaubte er, ersticken zu müssen. Ein enges Seil legte sich um seine Brust, nahm ihm so die Luft zum Atmen. Er keuchte, strauchelte und landete mit dem Hintern auf dem Boden. Sein Fuß traf dabei eines der Haargummis, das Aaliyah noch auf dem Boden hatte liegen lassen und er hörte das leise Knacken, als das Einhorn zerbrach.
Kerzengerade legte Matthias sich auf den Boden und starrte an die Decke. Wie immer fiel ihm natürlich die Stelle auf, die er damals, vor einigen Jahren nicht richtig gestrichen hatte und die nun dunkler war als der Rest.
Seine Gedanken wirbelten umher und gleichzeitig fühlte er sich wie gelähmt. Es war nicht das erste Mal, dass er verlassen wurde, aber dieses Mal fühlte es sich schlimmer an, als jemals zuvor. Es war, als wäre ein Teil von ihm einfach weg, gegangen, für immer verloren.
Komischerweise spürte er noch immer Jonas Kuss auf seinen Lippen. Wieso küsste er ihn, wenn er ihn eine Minute später verließ? Das war unlogisch! Wie von allein wanderte seine Hand zu seiner Hosentasche und er kramte sein Handy hervor. Sollte er Jonas anrufen? Ihn fragen, was das alles für ein schlechter Scherz war und wann er zurückkam? Oder meinte Jonas das wirklich ernst?
Matthias schüttelte den Kopf, wie um sich selbst eine Antwort zu geben. Nein, das konnte nicht sein, das glaubte er einfach nicht. Man wurde doch nicht einfach so aus heiterem Himmel verlassen. Gut, Jonas hatte ihn betrogen, das war falsch und er wollte auch, dass er ein schlechtes Gewissen deswegen hatte, aber er wollte dennoch mit ihm zusammen bleiben.
Sein Blick klärte sich und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Handy. Als könnte dieses blöde elektronische Teil seine Gedanken lesen, fing es an zu klingeln. Auf dem Display erschien jedoch ein Name, den er eigentlich nicht hatte lesen wollen. Sheila. Seine Schwester rief ihn an, als hätte sie mal wieder durch ihre komische, natürlich nur eingebildete, Zwillingsverbundenheit gespürt, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung war. Oder sie rief an, weil er sich tatsächlich seit ein paar Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet hatte. Mechanisch bewegten sich seine Finger und er nahm das Gespräch an.
„Ja?", fragte er und erschrak vor seiner eigenen Stimme.
„Hey, ich habe ein wirklich großes Problem und ich brauche ziemlich dringend deine Hilfe", platzte sie heraus, eindeutig gehetzt und außer Atem. Er hörte ein Stöhnen im Hintergrund, schmerzverzerrt und eindeutig Sheilas Mann Jonathan zuzuordnen.
„Was ist los?", fragte er, auch wenn er sich irgendwie ganz weit weg fühlte.
„Jonathan ist die Treppe runtergefallen und er hat sich wahrscheinlich den Fuß gebrochen. Ich muss ihn zum Krankenhaus fahren. Kannst du auf Mona aufpassen? Bitte!", plapperte sie weiter, eindeutig verzweifelt. Bevor Matthias wusste, was er da tat, setzte er sich auf und bejahte.
„Klar. Soll ich zu euch kommen und sie abholen?", fragte er und dachte an Sheilas und Jonathans vierjährige Tochter Mona.
„Wir fahren sowieso fast bei dir vorbei. Kannst du zur Ecke an der Hauptstraße kommen? Ich lasse sie kurz aussteigen", fragte sie.
„Kein Problem, ich warte dort auf euch", sagte er ruhig, so als würde seine Welt nicht gerade wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen. „Danke! Wir fahren sofort los", rief sie noch, dann legte sie auf. Eine Weile lauschte er dem Tuten, bis er endlich wieder zurück in die Realität kehrte.
Mühsam erhob er sich, streckte die müden Glieder und wankte in den Flur. Seine Schuhe trug er noch immer, also schnappte er sich nur seinen Schlüssel und verließ die Wohnung. Er fühlte sich noch immer wie in einem Traum, so als würde er jeden Moment aufwachen. Er ging die Treppen nach unten und bemerkte, dass es schon recht spät sein musste, denn die Sonne verschwand langsam hinter den drei- bis vierstöckigen Häusern, die die Straße säumten.
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Slice of Life - L'Affaire
SonstigesJonas ist vollkommen gestresst von der Arbeit, worunter nicht nur er leidet, sondern auch sein langjähriger Freund Matthias und dessen Tochter Aaliyah. Bei all dem Stress kommt das bevorstehende Wochenende in Frankreich ganz recht. Ein alter Schulfr...